Wenn Hausärzte vor Quartalsende ihre Praxen schließen oder bevorzugt Privatpatienten behandeln, ist die Empörung auf Patientenseite groß. Doch bleibt den niedergelassenen Ärzten häufig keine andere Wahl. Grund hierfür sind das komplizierte Vergütungssystem und die engen Budgetgrenzen, die ihnen in der Patientenversorgung vorgegeben sind. Wie diese im Einzelnen zu Stande kommen, haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.
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Bild: “Doctors with patient, 1999” von Seattle Municipal Archives. Lizenz: CC BY 2.0


Die Rolle der Kassenärztlichen Vereinigung

Anders als die meisten selbstständigen Berufe rechnen niedergelassene Ärzte Leistungen, die sie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen, nicht mit den Leistungsempfängern – also den Patienten selbst – oder aber der Krankenkasse ab. Stattdessen erhalten Sie ihr Gehalt am Ende des Quartals von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV).  Die KVen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, in denen die Vertragsärzte organisiert sind.

Die Mitgliedschaft in einer KV ist für jeden praktisch tätigen Arzt verpflichtend, der Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen möchte.

Die KVen schließen mit den Krankenkassenverbänden Kollektivverträge über die ärztliche Leistungsvergütung ihrer Mitglieder ab. Hierzu wird auf Grundlage der im Vorjahr erbrachten Leistungen ein Gesamtbudget für die Medizinische Versorgung (sog. Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung= MGV) ausgehandelt, die der Finanzierung sämtlicher durch niedergelassene Haus- und Fachärzte, sowie Psychotherapeuten, Labore und im Rahmen des Notfalldienstes erbrachten Leistungen dient.

Aufgabe der KVen ist es, die seitens der Kassen bereitgestellte Gesamtvergütung zu budgetieren. Dabei werden für Haus- und Fachärzte getrennte Kontingente (hausärztliches bzw. fachärztliches Verteilungsvolumen) bereitgestellt.

Was erhält der Arzt?

Angesichts des begrenzten Gesamtbudgets wird deutlich, dass der niedergelassene Arzt für GKV- Leistungen nicht (unbegrenzt) leistungsbezogen vergütet werden kann. Daher werden ihm seitens der KV Obergrenzen vorgegeben, bei deren Überschreitung er Abschläge der Leistungsvergütung hinnehmen muss.

Das Honorar des Hausarztes setzt sich dabei aus folgenden 4 Anteilen zusammen:

  • Regelleistungsvolumen (RLV)
  • Qualitätsgebundenes Zusatzvolumen (QZV)
  • Leistungen des RLV und QZV, die oberhalb der seitens der KV zugewiesenen Höchstgrenze liegen
  • außerhalb der RLV und QZV vergütete Leistungen

Regelleistungsvolumen (RLV)

Unabhängig von Anzahl und Art der erbrachten Leistungen erhält jeder Vertragsarzt quartalsweise von der zuständigen KV ein Regelleistungsvolumen (RLV), das sich im Wesentlichen aus dem Produkt, der Fallzahl und dem Fallwert zusammensetzt.

Regelleistungsvolumen (RLV) = Fallzahl x Fallwert

Die Fallzahl entspricht der Anzahl der innerhalb eines Quartals ambulant versorgten Patienten, wobei neben der rein ärztlichen Versorgung auch solche Patienten berücksichtigt werden, die zur Ausstellung von Rezepten oder Überweisungen ohne direkten Arztkontakt die Praxis aufgesucht haben. Patientenversorgungen im Notfalldienst fließen hingegen nicht in die RLV-Fallzahl ein.

Die Berechnung der Fallzahlen werden von KV zu KV unterschiedlich gehandhabt. Während einige Kassenärztliche Vereinigungen die jeweils aktuelle Quartals-Fallzahl berücksichtigen, machen andere KVen die Berechnung der Fallzahl von der Dauer der Niederlassung abhängig. Bei Hausärzten, die z.B.  in Nordrhein-Westfalen tätig sind, werden ab dem 5. Jahr ihrer Niederlassung die Fallzahlen des Vorjahresquartals, nicht jedoch die aktuellen Quartalsfallzahlen, anerkannt (Stand 2013).

Der Fallwert entspricht dem Budget, das der Arzt für jeden Kassenpatienten pauschal erstattet bekommt und errechnet sich grob betrachtet aus dem für seine Fachgruppe zur Verfügung stehenden Gesamtbudget und der von allen Ärzten dieser Fachgruppe behandelten Gesamtfallzahl. Es belief sich für die niedergelassenen Hausärzte in Nordrhein Westfalen im 3. Quartal 2014 auf 40,21€ [1] pro Patient. Dieses Budget erhält der Arzt für jeden Patienten unabhängig davon, wie oft dieser ihn im Laufe des Quartals aufsucht.

Abstaffelungsregel: Behandelt ein Hausarzt mehr Patienten als seine niedergelassenen Kollegen – d.h. ist seine Fallzahl höher als der Durchschnitt seiner Fachgruppe – so wird jeder Patient der „zu viel“ ist, mit einem niedrigeren Fallwert bedacht.

Qualitätsgebundenes Zusatzvolumen (QZV)

Bestimmte Leistungen, z.B. Ultraschalluntersuchungen, Anlegen und Auswertung von Langzeit-EKGs oder Akupunkturen werden außerhalb des Regelleistungsvolumens als sogenannte leistungsfallbezogene qualitätsgebundene Zusatzvolumina (QZV) vergütet. Um diese abrechnen zu können, bedarf es der Genehmigung der KV bzw. des Erwerbs einer entsprechenden Zusatzqualifikation (z.B. Chirotherapie, Phlebologie).

Wie das RLV ist auch das QZV ein begrenztes Budget. Leistungen können nur bis zu einer von der KV vorgegebenen Höchstgrenze in voller Höhe abgerechnet werden.

Leistungen aus RLV und QZV, die die festgelegte Höchstgrenze überschreiten

Die Abrechnung der Hausärzte mit den KVen erfolgt auf Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), einem Vergütungssystem, in dem die Kosten der erbrachten (Einzel-)leistungen aufgelistet sind. Hält der Arzt sein ihm seitens der KV zugewiesenes Budget (RLV bzw. QZV) ein, so bekommt er die erbrachten Leistungen in voller Höhe erstattet. Überschreitet er jedoch die Budget-Obergrenzen, so erhält er eine abgestaffelte Vergütung der erbrachten Leistungen.

Leistungen außerhalb von RLV und QZV

Präventionsleistungen sind von der Budgetierung durch RLV und QZV ausgenommen und werden gesondert vergütet. Gleiches gilt für die Ableistung von Bereitschafts- oder Notfalldiensten.

Kritik am Vergütungssystem

Die Kritik der hausärztlichen Vergütung samt unangenehmer Folgen für die Patienten (bevorzugte Behandlung von Privatpatienten, Schließung der Praxen zum Quartalsende) beruht maßgeblich auf der pauschalen pro-Kopf-Vergütung, die durch das Regelleistungsvolumen festgelegt ist.

Unabhängig davon wie oft ein Patient seinen Arzt aufsucht, erhält der Arzt nicht mehr als den von der KV festgelegten Fallwert. Um darüber hinausgehende Leistungen erbringen zu können, muss der Arzt auf das Budget weniger aufwändigerer und dadurch „günstigerer“ Patienten zurückgreifen, will er nicht selbst für das „Mehr“ an Behandlungskosten aufkommen.

Quellen

Regelleistungsvolumen via KVNO


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3 Gedanken zu „So viel verdient Ihr Hausarzt wirklich

  • Rudi Aichele

    Man kann einfach niht nachvollziehen wieviel ein Hausarzt nun tatsächlich erhält. mit der Angabe von 40,21 Eur aus dem Jahre 2014 kann man nicht viel anfangen. eine Beispielechnung wäre sinnvoller.
    wie Sie darstellen ist es für Patienten zermürbend, wenn ein Hausazrt die dringend benötigten Anwendung nicht verschreibt und einen um Kollegen z.B. Orthopäden schickt mit der Bemekungen, daon gebe es ja in der Umgebung genügend. es ist sehr frustrierend wie man mit Paienten umgeht.
    Rudi Aichele

  • Immo König

    Als Patient vermisse ich Angaben über mögliche Begrenzung von Medikamenten, Therapien etc.
    Grundsätzlich ist es eine Schande , wie wir unsere Ärzte bezahlen. Der Besuch eines Waschmaschinen-Monteurs ohne irgendeine Reparaturmaßnahme kostet mindesten 65.–€ – und das immer wieder , so oft ich ihn auch im „Quartal“ rufe.
    Eine normale Inspektion in der Markenwerkstatt geht nicht unter 600.– € – ohne Reparaturen und ohne Narkose.
    Und die Millionengehälter der Verwaltungschefs ( ohne Medizin-Studium) in den Verbänden und Kliniken sind erschreckend und nicht angemessen an der zu übernehmenden Verantwortung.

    Dipl.-Ing. Immo König

  • Dr. Samir Hazwani

    sehr gut