Leishmanien/Leishmaniose

Allgemeine Merkmale

Leishmania spp.

• Struktur:
  • Einzeller, mit schlanker Form und einer polaren Geißel (je nach Form)
  • Arten morphologisch ähnlich, mit unterschiedlichen molekularen Merkmalen
• 2 Formen:
  • Promastigote: extrazelluläre begeißelte Organismus-Form in der Sandmücke
  • Amastigote: obligat intrazelluläre, nicht-begeißelte, eiförmige Organismus-Form im menschlichen oder tierischen Wirt
• Assoziierte Erkrankungen:
  • Kutane Leishmaniose (CL), auch genannt:
    • Orientbeule
    • Aleppobeule
    • Bagdadbeule
  • Mukokutane oder mukosale Leishmaniose (auch Espundia genannt)
  • Viszerale Leishmaniose (VL; auch Kala-Azar oder “schwarzes Fieber” genannt)

Klinisch relevante Arten

• Leishmania donovani (L. donovani), L. infantum (VL)
• L. tropica, L. major (Alte Welt CL)
• L. mexicana (Neue Welt CL)
• L. braziliensis, L. panamensis, und L. peruviana (mukokutane Leishmaniose)

Epidemiologie

• Global: Bis zu 1 Mio. Infektionen pro Jahr 
• 20-30.000 Todesfälle pro Jahr
• Vorkommen:
  • Leishmaniose der Alten Welt:
    • Arten, die in Afrika, Asien und Europa vorkommen
    • Assoziiert mit kutanen oder viszeralen Erkrankungen
  • Leishmaniose in der Neuen Welt:
    • Arten, die auf dem amerikanischen Kontinent vorkommen (vor allem in Mittel- und Südamerika)
    • Assoziiert mit kutanen, mukokutanen und viszeralen Erkrankungen

Pathogenese

Reservoirs und Infektionsweg

• Reservoirs: Säugetiere (z. B. Hunde, Nagetiere und Füchse)
• Infektionsweg:
  • Biss einer infizierten Sandmücke (Vektor):
    • Anthroponosen (von infizierten Menschen auf gesunde Menschen)
    • Zoonosen (vom Reservoir infizierter Tiere auf gesunde Menschen)
  • Die Übertragung von Mensch zu Mensch kann auch über gemeinsam benutzte infizierte Nadeln erfolgen.

Pathophysiologie

In der Sandmücke:

• Nachtaktive Sandmücken übernehmen Amastigoten von einem zoonotischen Wirt.
• Im Darm entwickeln sich die Amastigoten zu begeißelten Promastigoten und vermehren sich.
• Die Promastigoten wandern schließlich in das Mundwerkzeug der Sandmücke.
• Wenn die Sandfliege einen Menschen sticht, werden die Promastigoten in die Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion injiziert.

Beim Menschen:

• Promastigoten:
  • werden von Makrophagen Makrophagen Zellen des angeborenen Immunsystems phagozytiert
  • Verlieren die Geißel und bilden Amastigoten
• Amastigoten vermehren sich in Phagolysosomen, die im Ausstrich als charakteristische Formen zu sehen sind: Leishman-Donovan-Körperchen.
• Überleben wird erleichtert durch:
  • Lipophosphoglykan auf der Zelloberfläche (↓ Komplementbindung, ↑ Komplementinaktivierung)
  • Saure Membranphosphatase: ↓ Freisetzung reaktiver Sauerstoffradikale und lysosomaler Enzyme Enzyme Grundlagen der Enzyme durch Makrophagen Makrophagen Zellen des angeborenen Immunsystems
  • Suppression von CD4+ T-Helfer-Lymphozyten
• Die sich vermehrenden Amastigoten führen zur Ruptur der Zelle:
  • Ausbreitung der Organismen auf andere Zellen
  • Ermöglichung der erneuten Aufnahme von Amastigoten durch eine Sandfliege

Krankheitsverlauf

• Abhängig von der Pathogenität der Art und der Immunkompetenz des Wirts
• Lokalisierte kutane Leishmaniose:
  • Spezies führen zu einer adäquaten zellulären Immunreaktion (CD4+ T-Zellen T-Zellen T-Zellen), die die Sekretion von Interferon-gamma und Makrophagen-Migrations-Hemmfaktor (MMIF) induziert, der Makrophagen Makrophagen Zellen des angeborenen Immunsystems zur Abwehr stimuliert.
  • Die Leishmaniose kann in der Regel lokal begrenzt durch eine Entzündungsreaktion mit Nekrose und Narbe ausheilen.
• Mukokutane oder mukosale Leishmaniose:
  • Kutaner Verlauf ähnlich der CL, jedoch gefolgt von sekundären Läsionen nach Wochen bis Monaten
  • Gewebedestruktion, insbesondere in den nasopharyngealen Strukturen
• Viszerale Leishmaniose:
  • Andere Spezies lösen keine zelluläre Immunreaktion aus, was zu einer disseminierten Infektion führt.
  • Ausbreitung vom Blutkreislauf in retikuloendotheliale Zellen: Leber Leber Leber, Milz Milz Milz, Knochenmark Knochenmark Knochenmark: Zusammensetzung und Hämatopoese und Lymphknoten Lymphknoten Lymphsystem

Klinik

Kutane Leishmaniose (CL)

• Verursachende Erreger:
  • L. tropica
  • L. mexicana
  • L. major
• Inkubationszeit: Wochen bis Monate
• Klinisches Spektrum des Hautbefalls:
  • Lokalisierte CL:
    • Am häufigsten
    • Eine einzelne oder mehrere schmerzlose, rötliche Papel(n) an der Einstichstelle
    • Betrifft exponierte Stellen
    • Die Läsionen vergrößern sich und weisen eine zentrale Ulzeration auf, bedeckt mit hyperkeratotischem Schorf oder weißem fibrinösem Material.
    • Sekundäre Läsionen können auftreten
    • Abheilung in der Regel nach Monaten mit einer depigmentierten Narbe
  • Leishmaniose recidivans (LR):
    • Assoziiert mit L. tropica
    • Papeln entwickeln sich um die Narbe einer abgeheilten Primärläsion.
    • Kann nach Trauma im Bereich der verheilten Läsion noch viele Jahre später auftreten
  • Diffuse CL (DCL):
    • Entwicklung einer lokalisierte Läsion, aber keine Ulzeration
    • Amastigoten breiten sich auf andere Bereiche der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion aus, was zu Makulä, Papeln oder Plaques führt.
    • Betroffen sind häufig Gesicht und Streckseiten der Extremitäten, Befall des gesamten Körpers möglich
    • Bei Risikopatient*innen ist die zellvermittelte Immunantwort gestört (die Biopsie zeigt eine minimale lymphozytäre Reaktion).

Mukokutane Leishmaniose

• Verursachende Erreger:
  • L. braziliensis
  • L. panamensis
  • L. peruviana
• Inkubationszeit: Wochen
• Symptome:
  • Es kann sich um einzelne oder multiple Läsionen handeln.
  • Destruktive, schmerzhafte Schleimhautläsionen, die die nasopharyngeale- und die Gaumenschleimhaut (gelegentlich auch das Perineum) betreffen.
  • Vollständige Zerstörung des Septum nasi möglich
  • Auftreten von mukosaler Sekretion, Deformitäten und Schmerzen

Viszerale Leishmaniose (VL)

• Verursachende Erreger:
  • L. donovani
  • L. infantum
• Inkubationszeit: 2-6 Monate (kann aber bis zu 24 Monate betragen)
• Symptome:
  • Die Ausbreitung erfolgt von der ursprünglichen Läsion auf retikuloendotheliale Zellen, einschließlich Milz Milz Milz, Leber Leber Leber, Lymphknoten Lymphknoten Lymphsystem und Knochenmark Knochenmark Knochenmark: Zusammensetzung und Hämatopoese.
  • Systemische Symptome:
    • Fieber Fieber Fieber, Steifheit und Schüttelfrost
    • Anorexie
    • Gewichtsverlust
  • Hyperpigmentierung der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion
  • Lymphadenopathie Lymphadenopathie Lymphadenopathie
  • Abdominelles Unwohlsein (sekundär zu Hepatosplenomegalie)
  • Blässe (sekundär zu einer Anämie Anämie Anämie: Überblick und Formen infolge Befall der Milz Milz Milz oder Knochenmarksuppression)
  • Petechialer Hautausschlag Hautausschlag Generalisierte und lokalisierte Exantheme und Blutungen (aufgrund von Thrombozytopenie Thrombozytopenie Thrombozytopenie und/oder Panzytopenie infolge der Knochenmarksuppression)
  • Bei progressiver Krankheit: Aszites Aszites Aszites und Ödeme (durch Hypoalbuminämie)
  • Post-Kala-Azar dermale Leishmaniose (PKDL):
    • In Indien, im Sudan und in anderen ostafrikanischen Ländern entwickeln einige Betroffene während der VL oder nach Therapie der VL Hautläsionen.
    • Auftreten in Form hypopigmentierter Makulä, Papeln oder Nodi; mögliche Infiltration von Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion und Mundschleimhaut

Diagnostik

Allgemeine Diagnosemethoden

• Hoher Stellenwert der Anamnese (einschließlich Reiseanamnese) und klinischer Befunde
• Probeentnahme:
  • CL: Aspirat einer Hautläsion oder Biopsie
  • Mukokutane Leishmaniose: Schleimhautbiopsie
  • VL: Aspirate aus Knochenmark Knochenmark Knochenmark: Zusammensetzung und Hämatopoese, Leber Leber Leber, Lymphknoten Lymphknoten Lymphsystem oder Milz Milz Milz
• Untersuchungen:
  • Histopathologische Untersuchung des Präparats:
    • Verwendung von Giemsa-, Leishman- oder Wright-Färbung
    • Darstellung von Amastigoten oder Leishman-Donovan-Körperchen (runde Organismen mit Zellkern, Zytoplasma und stäbchenförmigem Kinetoplast)
  • Kultur von Gewebeaspiraten (Ergebnisse in 1-3 Wochen)
  • Molekularbiologische Untersuchungen (erfordern Speziallabors): Polymerase-Kettenreaktion Polymerase-Kettenreaktion Polymerase-Kettenreaktion (PCR) (PCR)
  • Hauttest (Montenegro-Hauttest):
    • Injektion von abgetöteten Promastigoten; positiv bei Auftreten von Verhärtungen≥ 5 mm
    • Verwendung für CL (außer diffuse Form)
    • Positiver Test: aktuelle oder frühere (ausgeheilte) Infektion
    • Negativ bei immunsupprimierten Patient*innen oder bei aktiver VL (nach Therapie positiv)
    • Einsatz vor allem in Endemiegebieten

Zusätzliche Untersuchungen für VL

• Serologie oder Nachweis von Antikörpern:
  • Enzym-Immunoassay (ELISA)
  • Indirekter immunfluoreszierender Antikörpertest (IFAT)
• Immunochromatografischer Schnelltest:
  • Nachweis von Antikörpern gegen das rekombinante Antigen rK39 (39 Aminosäuren in der Kinesin-Region von L. infantum)
  • Einsatz in Feldstudien (Ergebnis innerhalb von 15 Minuten)
  • Kapillarblut aus der Fingerbeere oder Serum
  • Über Jahre positiv, daher nicht zur Erkennung eines Rezidiv oder einer Heilung geeignet
• Großes Blutbild: ↓Leukozyten, Hämoglobin, Thrombozyten Thrombozyten Thrombozyten
• Auffällige Leberparameter

Therapie

Kutane Leishmaniose

• Die meisten unkomplizierten Läsionen (kleine (< 1 cm), singuläre Läsion bei immunkompetenten Patient*innen) bilden sich spontan zurück.
• Eine Therapie beschleunigt die Heilung und verringert die Narbenbildung und die Häufigkeit des Auftretens von Superinfektionen.
• Lokale Therapie empfohlen bei:
  • Persistierenden oder sich ausbreitenden Läsionen
  • Läsionen im Gesicht oder an den Händen
• Lokale Behandlungsmöglichkeiten:
  • Kryotherapie
  • Lokale Infrarottherapie
  • Lokale intraläsionale Infiltration mit Antimonpräparaten
  • Topisches Paromomycin
• Systemische Behandlung empfohlen bei:
  • Diffuse kutane oder rezidivierende Leishmaniose
  • Große Läsion (≥ 5 cm)
  • Multiple (> 4) kutane Läsionen
  • CL bei Immunsuppression
  • Therapiefrustrane Läsionen
• Systemische Behandlungsmöglichkeiten:
  • Miltefosin
  • Ketoconazol/Fluconazol
  • Liposomales Amphotericin B
  • Antimonpräparate (Natriumstibogluconat, Megluminantimoniat)
  • Pentamidin

Mukokutane Leishmaniose

• Antimonpräparate (mit Pentoxifyllin)
• Liposomales Amphotericin B

VL

• Liposomales Amphotericin B (bevorzugt in Amerika und Europa)
• Antimonpräparate
• Miltefosin
• Therapie einer möglichen HIV-Infektion HIV-Infektion HIV-Infektion und AIDS
• Prognose: Letalität von 75-90 % ohne Therapie, bei rechtzeitiger Einleitung einer Therapie gute Prognose

Prävention

• Regionale Bekämpfungsmaßnahmen zur Reduktion der Sandmückendichte
• Expositionsprophylaxe
  • Körper bedeckende Kleidung
  • Verwendung von mit Insektiziden behandelten Bettnetzen
  • Nutzung von Repellents auf ungeschützter Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion

Vergleich der begeißelten Protozoen

Differentialdiagnosen

• Histoplasmose Histoplasmose Histoplasmose/Histoplasma capsulatum: eine Pilzinfektion, die sich in Form von Hautläsionen (Knötchen, Ulzera, Plaques) äußern kann. Bei Immunsupprimierten breitet sich die Histoplasmose Histoplasmose Histoplasmose/Histoplasma capsulatum auch hämatogen auf Lymphknoten Lymphknoten Lymphsystem, Leber Leber Leber, Milz Milz Milz und Knochenmark Knochenmark Knochenmark: Zusammensetzung und Hämatopoese aus. Ein Befall der Lunge Lunge Lunge: Anatomie tritt häufig auf. Antigennachweis (oder Antikörpernachweis) in Blut, Urin oder Liquor, ein histopathologischer Nachweis aus Biopsiematerial sowie eine Kultur mit Reiseanamnese finden Anwendung im Rahmen der Diagnostik.
• Kokzidioidomykose Kokzidioidomykose Kokzidioidomykose/Coccidioides: eine Pilzinfektion, die in erster Linie mit pulmonalen Symptome auftritt. Auch schmerzhafte erythematöse Knötchen sind häufig vorhanden. Ein Blutbild kann Leukozytose und Eosinophilie zeigen. Anamnese und serologische Untersuchungen weisen auf die Diagnose hin.
• Lepra Lepra Lepra: eine Erkrankung, die durch das Mycobacterium Mycobacterium Mykobakterien leprae verursacht wird. Sie tritt häufig mit ähnlichen Hautmanifestationen wie die Leishmaniose auf, die zu Narbenbildung und Deformationen führen. Die Erkrankung geht mit auffälligen Veränderungen an Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion, Schleimhäuten, Nervengewebe und Knochen Knochen Aufbau der Knochen einher. Häufig kommt es zu schweren Entstellungen mit Neuropathie, was die Lepra Lepra Lepra von der Leishmaniose unterscheidet.
• Plattenepithelkarzinom Plattenepithelkarzinom Plattenepithelkarzinom: Zentrale Ulzerationen können mit großen Plattenepithelkarzinomen verwechselt werden. Die Biopsie und die Reiseanamnese sind hilfreich bei der Unterscheidung der Hautläsionen beider Erkrankungen.
• Sporotrichose: durch Sporothrix schenckii verursachte Infektion. Sie kann den ganzen Körper befallen, manifestiert sich aber besonders häufig in den unteren Schichten der  Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion. Sichtbar wird die Sporotrichose v.a. durch knotige Gebilde unter der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion, die ein schleimiges Sekret absondern können. Eine Kultur des abgesaugten Materials hilft bei der Unterscheidung dieser Mykose Mykose Mykologie von der Leishmaniose.
• Malaria Malaria Malaria: durch Mücken übertragene Infektionskrankheit, die durch einzellige Mikroorganismen der Plasmodium-Gruppe verursacht wird. Die Malaria Malaria Malaria äußert sich in Intervallen mit Fieber Fieber Fieber und Schüttelfrost, Anämie Anämie Anämie: Überblick und Formen und Splenomegalie Splenomegalie Splenomegalie sowie weiteren Symtpomen, die der VL ähneln. Anamnese und peripherer Blutausstrich (zur Identifizierung des infektiösen Parasiten) helfen bei der Diagnosestellung.