Vibrio (Vibrionen): Klassifikation & Therapie

Vibrio (Vibrionen)

Vibrionen sind eine Gattung kommaförmiger, gramnegativer Bakterien. Sie sind halophil, säurelabil und können auf Thiosulfat-Citrat-Bil-Sucrose-Agar (TCBS) isoliert werden. Es gibt drei klinisch relevante Arten. Vibrio cholerae (V. cholerae) ist in Brackwasser zu finden und ist Auslöser der Cholera, die sich als schwere sekretorische „Reiswasser“-Diarrhöen äußert. Die beiden anderen Arten sind Vibrio vulnificus (V. vulnificus) und Vibrio parahaemolyticus (V. parahaemolyticus). Sie werden durch rohe oder nicht ausreichend gekochte Schalentiere übertragen und sind Pathogene von Wundinfektionen, Diarrhö und Septikämie.

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

Inhalt

Klassifikation

Allgemeine Merkmale

Klinische Relevanz von Vibrio cholerae

Therapie

Klinische Relevanz von V. vulnificus und V. parahaemolyticus

Quellen

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Klassifikation

Flussdiagramm zur Klassifizierung gramnegativer Bakterien — Gramnegative Bakterien:
Die meisten Bakterien können nach einem Laborverfahren namens Gram-Färbung klassifiziert werden.
Bakterien mit Zellwänden, die eine dünne Peptidoglykanschicht aufweisen, werden durch die Kristallviolettfärbung, die bei der Gram-Färbung verwendet wird, nicht eingefärbt. Diese Bakterien binden jedoch die Safranin-Gegenfärbung und erscheinen daher auf der Färbung rosa-rot, wodurch sie als gramnegativ eingestuft werden können. Diese Bakterien lassen sich nach ihrer Morphologie und ihrer Fähigkeit, in Gegenwart von Sauerstoff zu wachsen, weiter unterteilen. Die Bakterien können genauer identifiziert werden, indem man sie auf speziellen Nährböden züchtet, wo ihre Enzyme identifiziert und ihre Fähigkeit, Laktose zu vergären, getestet werden kann.
* Färbt schlecht auf Gram-Färbung
** Pleomorphe Stäbchen/kokkoide Stäbchen
*** Erfordert besondere Transportmittel
Bild von Lecturio.

Allgemeine Merkmale

Eigenschaften des Erregers

Kommaförmige gramnegative Bakterien gramnegative Bakterien Bakteriologie: Überblick
Fakultative Anaerobier
Sehr beweglich: 1 – 3 polare Geißeln
Nicht sporenbildend
Oxidase positiv

Klinisch relevante Arten

V. cholerae
V. vulnificus
V. parahaemolyticus

Biochemie und Wachstumsmerkmale

Halophil: benötigen Natriumchlorid (NaCl) zum Wachstum
Säurelabil: wächst gut in alkalischen Medien
Thiosulfate-Citrate-Bile-Sucrose (TCBS)-Agar:
- V. cholerae vergärt Saccharose → bildet gelbe Kolonien
- V. parahaemolyticus und V. vulnificus vergären keine Saccharose → bilden grüne Kolonien
V. parahaemolyticus weist das Kanagawa-Phänomen auf:
- Beta-hämolytisch auf Blutagar, falls aus menschlichem Wirt isoliert
- Nicht hämolytisch aus nicht-humanen Quellen

Reservoirs

V. cholerae: kommt in Brackwasser und Meeresgewässern vor
V. vulnificus und V. parahaemolyticus: Schalentiere

*V. cholerae:* Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme
Bild: “Cholera bacteria SEM” von Zeimusu. Lizenz: Public Domain

Vibrio cholerae on TCBS agar — *V. cholerae:* Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme
Bild: “Cholera bacteria SEM” von Zeimusu. Lizenz: Public Domain

Klinische Relevanz von Vibrio cholerae

Epidemiologie

Tritt vor allem in Gebieten mit begrenztem Zugang zu sauberem Wasser auf
Endemisch in einigen Ländern Afrikas und Asiens
Die Cholera befällt nur Menschen.

Infektionsweg

Durch kontaminierte Lebensmittel oder Wasser
Fäkal-oral (Mensch-zu-Mensch)

Pathogenese

Nicht alle Stämme sind krankheitserregend.
Die Pathogenese wird durch die Produktion von Choleratoxin(CT) bestimmt:
- Übertragen durch einen lysogenen Bakteriophagen Bakteriophagen Viren: Merkmale, Aufbau und Vermehrung (CTXΦ)
- Hitzelabiles Enterotoxin: besteht aus 1 A-Untereinheit (toxische Domäne) und 5 B-Untereinheiten (rezeptorbindende Domäne)
- Die B-Untereinheit bindet an das Schleimhautrezeptor-Gangliosid Monosialotetrahexosylgangliosid (GM1).
- CT wird durch Endozytose internalisiert: Die A1-Untereinheit des Toxins aktiviert die Adenylylcyclase, die Adenosintriphosphat (ATP) in zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP) umwandelt.
- cAMP bewirkt eine Chloridsekretion in das Lumen und eine Hemmung der Natriumabsorption.
- Das Wasser folgt dem osmotischen Gradienten und wandert in das Lumen, was zu wässrigem Durchfall Durchfall Durchfall (Diarrhö) mit Elektrolytkonzentrationen führt, die isotonisch zu denen des Plasmas sind.
- Der Stuhl enthält große Mengen an Natrium, Chlorid Chlorid Elektrolyte, Bikarbonat Bikarbonat Elektrolyte und Kalium mit wenigen Zellen.
O-Lipopolysaccharid-Antigene:
- Serologische Spezifität; > 200 Serotypen
- Nur Stämme der Serogruppen O1 (klassischer und El-Tor-Biotyp) und O139 verursachen epidemische und pandemische Cholera (sie sind die virulentesten).
Fimbrien (Pili):
- Hilfe bei der Anheftung an die Darmschleimhaut
- V. cholerae dringt NICHT in die Darmschleimhaut ein.
- Koexprimiert mit Choleratoxin
- Obligat für Adhärenz, Biofilmbildung, Kolonisierung
- Rezeptoren Rezeptoren Rezeptoren für den Bakteriophagen Bakteriophagen Viren: Merkmale, Aufbau und Vermehrung, der die Gene für das Choleratoxin trägt
Da V. cholerae säurelabil ist, ist ein hohes Inokulum erforderlich, um den Säuregehalt der Magenschleimhaut Magenschleimhaut Magen zu überwinden.
Die infektiöse Dosis ist geringer:
- In Personen mit Hypochlorhydrie
- Bei der Verwendung von Antazida Antazida Antazida (Magensäure-neutralisierende Medikamente)
- Wenn der Säuregehalt des Magens durch eine Mahlzeit gepuffert wird
Je höher die Bakterienzahl, desto stärker die Symptome.
Inkubationszeit: 1 – 2 Tage
Der Flüssigkeitsverlust stammt aus dem Duodenum Duodenum Dünndarm und dem oberen Jejunum Jejunum Dünndarm; das Ileum Ileum Dünndarm ist weniger betroffen.
Das Kolon ist relativ unempfindlich gegenüber dem Toxin, aber die große Flüssigkeitsmenge übersteigt seine Absorptionsfähigkeit.

Klinik

Etwa 50 % der Infektionen mit dem klassischen V. cholerae sind asymptomatisch und 75 % der Infektionen mit dem El-Tor-Biotyp von V. cholerae sind asymptomatisch.

Diarrhö:

Kann leicht, mittelschwer oder schwer sein

Klinisches Bild einer schweren, sekretorischen Diarrhöe:
- Typischerweise schmerzlos, ohne Tenesmen
- „Reiswasser“-Stuhl (nicht übelriechender, wässriger Stuhl mit Mukus)
- In schweren Fällen kann die Stuhlmenge bis zu 1 Liter pro Stunde betragen (so viel wie bei keiner anderen infektiösen Diarrhö).
- Erbrechen Erbrechen Erbrechen im Kindesalter: kann dem Auftreten von Durchfall Durchfall Durchfall (Diarrhö) vorausgehen oder folgen
Folgen einer schweren sekretorischen Diarrhö:
- Starker Flüssigkeits- und Elektrolytverlust → „isotonische Dehydratation”:
  - Eine Art der Dehydrierung Dehydrierung Volumenmangel und Dehydration, die am häufigsten durch Durchfall Durchfall Durchfall (Diarrhö) verursacht wird
  - Nettoverluste von Wasser und Natrium im selben Verhältnis wie in extrazellulärer Flüssigkeit
  - Metabolische Azidose Metabolische Azidose Metabolische Azidose aufgrund von Bikarbonatverlusten
  - Eine akute Nierenschädigung Akute Nierenschädigung Akute Nierenschädigung (akutes Nierenversagen) ist eine mögliche Komplikation.
- Die Symptomatik hängt von der Volumenkontraktion ab (Schweregrad der Hypovolämie):
  - < 5 % des normalen Körpergewichts: Durst
  - 5 bis 10 % des normalen Körpergewichts: Haltungshypotonie, Schwäche, Muskelkrämpfe, Tachykardie, ↓ Hautturgor, trockene Mundschleimhaut
  - > 10 % des normalen Körpergewichts: Oligurie Oligurie Kaliumregulation durch die Niere, schwacher Puls, eingesunkene Augen (eingesunkene Fontanellen bei Säuglingen), faltige Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion, Somnolenz, Koma Koma Koma
- In schweren Fällen schnelles Fortschreiten zum hypovolämischen Schock Schock Schock: Überblick und Tod, wenn nicht sofort behandelt

Pneumonie Pneumonie Pneumonie (Lungenentzündung):

Bei Kindern nicht ungewöhnlich
Wahrscheinlich durch Aspiration von Erbrochenem

Cholera Diarrhöe Reis Wasser — Typische Cholera-Diarrhö, die wie „Reiswasser” aussieht
Bild: “Here, a cup of typical “rice-water” stool from a cholera patient shows flecks of mucus that have settled to the bottom” von CDC. Lizenz: Public Domain

Therapie

Die Sterblichkeitsrate bei unbehandelten Patient*innen beträgt bis zu 50 bis 70 % (aber < 1 % bei sofortigem Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz).

Behandlung:

Aggressive orale Rehydratationstherapie mit Elektrolyten
Um die Dauer des Durchfalls zu verkürzen, können Antibiotika eingesetzt werden, am häufigsten Doxycyclin.

Prävention:

Eine saubere Wasserversorgung und angemessene sanitäre Einrichtungen sind der Schlüssel zur Prävention.
Allgemeine Vorsichtsmaßnahmen zur Vorbeugung von Reisediarrhö:
- Vermeidung von Leitungswasser, Lebensmitteln von Straßenhändlern, rohen oder ungenügend gekochten Meeresfrüchten und rohem Gemüse
- Nicht in Flaschen abgefülltes Wasser sollte mit Chlor oder Jod behandelt, gefiltert oder abgekocht werden.
Impfstoffe:
- Orale Choleravakzine (z.B. Dukoral) werden von der WHO für Bewohner*innen endemischer Gebiete empfohlen.
- Für Reisende in Hochrisikogebiete mit hohem Risiko einer Exposition:
  - Oraler attenuierter Lebendimpfstoff gegen den Serotyp O1
  - Dem Impfstoff fehlt das Gen, das für das Choleratoxin kodiert.

Diagnostik

Stuhlkultur (der Goldstandard) auf Selektivmedien (TCBS oder Taurocholat-Tellurit-Gelatine-Agar):
- V. cholerae bildet gelbe Kolonien (aufgrund der Fermentation von Saccharose).
- Nicht zuckerfermentierende Vibrionen (z. B. die meisten Stämme von V. parahaemolyticus und V. vulnificus) bilden grüne Kolonien.
- Gram-Färbung und biochemische Untersuchung der Isolate: Alle Vibrionen sind Oxidase-positiv.
- Serotypisierung mit spezifischen Antiseren
Mikroskopische Untersuchung des Stuhls: nur wenige Neutrophile Neutrophile Zellen des angeborenen Immunsystems, da die Darmwand nicht angegriffen ist
Schnelltests zum Antigen-Nachweis:
- Crystal VC: erkennt die Antigene O1 und O139
- Cholkit: weist das O1-Antigen nach
Molekulare Tests (z. B. Polymerase-Kettenreaktion Polymerase-Kettenreaktion Polymerase-Kettenreaktion (PCR) (PCR): beschränkt auf epidemiologische Forschung und Überwachung)

Klinische Relevanz von V. vulnificus und V. parahaemolyticus

V. vulnificus

Diarrhö
Wundinfektionen:
- Assoziiert mit Handverletzungen beim Öffnen von Austern oder Beinverletzungen beim Bootfahren
- Kann hämorrhagische Bullae verursachen
- Symptomatik kann von leichter Zellulitis bis zu schweren nekrotisierenden Infektionen reichen
Primäre Septikämie:
- In Verbindung mit dem Verzehr von rohen oder nicht ausreichend gekochten Schalentieren, vor allem Austern
- Häufiger bei Menschen mit chronischen Grunderkrankungen:
  - Lebererkrankungen (Alkoholabusus, Zirrhose)
  - Hämochromatose

V. parahaemolyticus

Die Hauptursache für lebensmittelbedingte Krankheiten in Japan (insbesondere Schalentiere)
Auch verbunden mit Diarrhö, Wundinfektionen und Septikämie
Dieselben Risikofaktoren wie V. vulnificus

Quellen

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Morris J.G. (2020). Vibrio parahaemolyticus infections. UpToDate. https://www.uptodate.com/contents/vibrio-parahaemolyticus-infections (Zugriff am 3. Januar 2021).
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LaRocque R., Harris J.B. (2018). Cholera: Microbiology and pathogenesis. UpToDate. https://www.uptodate.com/contents/cholera-microbiology-and-pathogenesis (Zugriff am 3. Januar 2021).
LaRocque R., Harris J.B. (2020). Clinical features, diagnosis, treatment, and prevention. UpToDate. https://www.uptodate.com/contents/cholera-clinical-features-diagnosis-treatment-and-prevention (Zugriff am 3. Januar 2021).
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Hof H, Schlüter D et al.: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. 8. Auflage. Thieme Verlag; 2022. doi:10.1055/b000000575