Atopische Dermatitis (Atopisches Ekzem)

Überblick

Definition

Die atopische Dermatitis (auch als atopisches Ekzem oder Neurodermitis bekannt) ist eine Störung der Integrität der Hautbarriere und eine Fehlregulation des Immunsystems, die sich als chronisch rezidivierende, entzündliche Hauterkrankung darstellt.

Epidemiologie

• Prävalenz:
  • Kinder: Ca. 10–15 %
  • Erwachsene: Ca. 1-3 %
  • In Deutschland ist die atopische Dermatitis die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter
• Atopische Trias (bei 30 %–50 % der Patient*innen vorhanden):
  • Atopisches Ekzem
  • Allergischer Schnupfen
  • Asthma
• 30 % der Patient*innen entwickeln Asthma.
• Überwiegende Mehrheit der Fälle bei Kindern; in Verbindung mit positiver Familienanamnese Familienanamnese Vorsorgeuntersuchungen und Prävention im Erwachsenenalter bezüglich Atopie
• Erstmanifestation häufig zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat, Rückgang der Erkrankung im Erwachsenenalter
• Frauen etwas häufiger betroffen
• Atopie in der Vorgeschichte ist ein wichtiger Risikofaktor.
• Inzidenz höher in:
  • Stadtgebieten
  • Industrieländern

Ätiologie

• Multifaktoriell und nicht vollständig verstanden
• Genetik Genetik Grundbegriffe der Genetik:
  • Positive Familienanamnese Familienanamnese Vorsorgeuntersuchungen und Prävention im Erwachsenenalter der Atopie
  • Filaggrin-Genmutationen (Loss-of-Function-Mutation):
    • Stärkster bekannter genetischer Risikofaktor
    • Dysfunktion der Keratinozyten-Barriere
    • Erhöhte Anfälligkeit für potenzielle Antigene
• Immundefekte: Th2-Erkrankung (T-Helferzellen)
• Pränatale Faktoren: erhöhtes IgE im Nabelschnurblut
• Infektion:
  • Besiedlung mit Staphylococcus Staphylococcus Staphylococcus aureus :
    • Verursacht oft Schübe
    • Wirkt als Superantigen
  • Herpes Simplex Virus Herpes Simplex Virus Herpes Simplex Virus 1 und 2
• Hygienehypothese: Frühkindliche Exposition gegenüber Mikroorganismen und Allergenen verhindert Atopie.

Pathophysiologie und Klinik

Pathophysiologie

• Die Pathogenese ist nur unzureichend definiert.
• Gekennzeichnet durch Spongiose (epidermales Ödem)
• Ödeme führen zum Aufbrechen interzellulärer Bindungen → Vesikelbildung
• Lymphozytäre dermale Infiltrate sind vorhanden.
• Akanthose und Hyperkeratose können vorhanden sein.
• Es wurden 2 miteinander verbundene Wege gefunden:
  • Störung der primären Epithelbarriere (Outside-In-Hypothese):
    • Unterbrechung von Tight Junctions und erhöhte Permeabilität des Stratum corneum
    • Erhöhter transepidermaler Wasserverlust
    • Kann mit Defekten in Strukturproteinen in Verbindung gebracht werden (Filaggrin ist der Hauptverursacher)
    • Eine Barrierestörung kann auch durch mikrobielle Besiedlung und Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen verursacht werden.
  • Störung der Immunantwort (Inside-Out-Hypothese):
    • Sekundäre immunologische Dysregulation
    • Ein Defekt der Toll-like-Rezeptoren wurde mit dem Verlust der angeborenen epidermalen Immunität in Verbindung gebracht (die Kolonisierung mit S. aureus S. aureus Staphylococcus führt zu einer schweren Entzündung Entzündung Entzündung).
    • IgE-vermittelte allergische Sensibilisierung → erhöhte Anfälligkeit für Reizstoffe/Allergene infolge struktureller Epidermisdefekte

Klinik

• Chronischer Verlauf mit Remissions- und Exazerbationsphasen
• Intensiver Juckreiz: Leitsymptom
• Kutane Hyperreaktivität auf Umweltreize
• Alter:
  • Säuglinge und jüngere Kinder:
    • Papulovesikuläre Läsionen
    • Intensiver Juckreiz
    • Erythem
    • Ödem
    • Exkoriationen: Folge von Juckreiz
    • Lokalisation: Gesicht, Kopfhaut, Streckseiten, mit Schonung des Windelbereichs
  • Ältere Kinder und Jugendliche:
    • Chronische Läsionen mit Lichenifikation
    • Beugeseiten von Ellbogen, Knien und seitlicher Nacken, Handgelenke und Knöchel
    • Verbessert sich mit zunehmendem Alter, wobei in etwa 50 % der Fälle eine Remission im Alter von 13 Jahren sichtbar wird
• Schweregrad:
  • Leicht:
    • Bereiche mit trockener Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion
    • Pruritus: selten
    • Minimale Auswirkungen auf Aktivitäten, Schlaf und psychosoziales Wohlbefinden
  • Mäßig:
    • Bereiche mit trockener Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion
    • Pruritus: häufig
    • Rötung
    • Lokalisierte Hautverdickung mit oder ohne Exkoriation
    • Moderate Auswirkungen auf Aktivitäten und psychosoziales Wohlbefinden
    • Schlaf häufig gestört
  • Stark:
    • Ausgedehnte trockene Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion
    • Pruritus: unaufhörlich
    • Rötung
    • Umfassende Hautverdickung, Blutung, Nässen, Rissbildung und Pigmentveränderungen
    • Schwere Auswirkungen auf Aktivitäten, psychosoziale Funktionen und Schlaf

Diagnostik

Anamnese

• Pruritus
• 3 oder mehr der folgenden (zusätzlich zu Juckreiz):
  • Betroffene Hautbereiche:
    • Ellenbogen
    • Kniekehle Kniekehle Kniekehle (Fossa poplitea)
    • Nacken
    • Periorbitale Bereiche
    • Anteriore Knöchel
  • Asthma oder Heuschnupfen in der Anamnese (oder bei Verwandten ersten Grades, wenn das Kind < 4 Jahre alt ist)
  • Trockene Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion im letzten Jahr
  • Symptome, die vor dem 2. Lebensjahr beginnen (Kriterium wird nicht genutzt, wenn das Kind < 4 Jahre alt ist)
  • Dermatitis der Beugeseiten (bei Kindern < 4 Jahre, Wangen, Stirn oder Streckseiten der Extremitäten)
• Chronisches oder rezidivierendes Auftreten
• Umweltreize (bestimmte Lebensmittel, Allergene, Medikamente)

Körperliche Untersuchung ( Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion)

• Kleinkinder/Säuglinge:
  • Gesicht
  • Kopfhaut
  • Nacken
  • Streckseiten
  • Papulovesikuläre Läsionen
  • Erythem
  • Ödem
  • Exkoriationen
• Ältere Kinder und Erwachsene:
  • Lichenifizierung
  • Beugeseiten:
    • Ellbogen
    • Knie
    • Halsseiten, Handgelenke, Knöchel
• Trockene Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion

Labordiagnostik

• Nur um andere Hauterkrankungen auszuschließen
• Hautbiopsie
• Kaliumhydroxid-Zubereitung von Hautabschabungen zum Ausschluss von Tinea corporis
• Allergieediagnostik
  • Epikutantest zum Ausschluss einer Kontaktdermatitis
  • Prick-Test
  • Differenzialblutbild (Eosiniphilie)
  • Gesamt-IgE-Spiegel↑bei 80 % der Patient*innen
  • Provokationstest bei v.a. Nahrungsmitelallergien

Therapie

Supportive/prophylaktische Maßnahmen

Aufklärung der Patient*innen:

• Kinder
• Eltern

Beseitigung von verschlimmernden Faktoren:

• Vermeidung von Triggern:
  • Hitze
  • Niedrige Luftfeuchtigkeit
  • Übermäßiges Baden (ohne Feuchtigkeitspflege)
  • Stress und Angst
  • Exposition gegenüber Lösungsmitteln und Reinigungsmitteln
  • Xerose (trockene Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion)
  • Überhitzung der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion
• Behandelung assoziierter Hautinfektionen:
  • S. aureus S. aureus Staphylococcus
  • Herpes simplex

Hautfeuchtigkeit (Hauptstütze der Behandlung, um Juckreiz und Entzündungsschübe zu reduzieren):

• Emollientien:
  • Mindestens zweimal täglich auftragen
  • Direkt nach dem Baden oder Händewaschen
• Feuchtigkeitscremes mit:
  • Glycyrrhetinsäure
  • Harnstoff
  • Glycerin

Medikamentöse Therapie/Interventionen

Topische Behandlungen:

• Kortikosteroide: Eine längere Anwendung kann zu Hautatrophie oder anderen Nebenwirkungen führen.
• Calcineurin-Inhibitoren: Fehlen einer atrophisierenden Wirkung auf die Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion, erhöhte Photosensitivität, daher keine Kombination mit Phototherapie

Orale Antihistaminika Antihistaminika Antihistaminika:

• Systemische H₁-Antihistaminika
• Wohltuend bei Schlafstörungen durch Juckreiz
• Loratadin Loratadin Antihistaminika
• Cetirizin Cetirizin Antihistaminika

Orale Immunsuppressiva Immunsuppressiva Immunsuppressiva:

• Cyclosporin
• Systemische Glucocorticoide
• Rezidiv häufig nach Absetzen der Behandlung

Humaner monoklonaler Antikörper:

• Dupilumab
• Hemmt IL-4 und IL-13

Phototherapie:

• Wird bei Patient*innen mit diffusem Pruritus angewendet, der mit einer topischen Therapie allein nicht kontrolliert werden kann
• Reduzierte Produktion von Histamin aus Mastzellen Mastzellen Zellen des angeborenen Immunsystems und Basophilen
• UVB-Therapie bei moderaten Ekzemen
• PUVA (Psoralen + UVA) 
• Hochdosis-UVA-1-Therapie bei schweren Ekzemen

Differentialdiagnosen

• Kontaktdermatitis: eine erythematöse, papulöse Dermatitis, oft mit vesikulären Bereichen. Tritt auf, wenn die Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion einem reizenden Stoff mit direkter zytotoxischer Wirkung ausgesetzt ist. Die Diagnose wird durch Anamnese und körperliche Untersuchungsbefunde gestellt. Die Behandlung basiert auf der Vermeidung reizender Stoffe und Etablierung von Schutzmaßnahmen, sowie auf der Nutzung von Emmolentien und Feuchtigkeitscremes. Topische Steroide sind die Medikation der ersten Wahl.
• Seborrhoische Dermatitis Seborrhoische Dermatitis Seborrhoische Dermatitis: Eine chronische, rezidivierende und in der Regel leichte Form der Dermatitis mit biphasischer Inzidenz bei Säuglingen und Erwachsenen. Der Zustand ist durch gut abgegrenzte, erythematöse Plaques mit fettig erscheinenden, gelblichen Schuppen in talgdrüsenreichen Bereichen gekennzeichnet. Die Ursache ist unbekannt, aber Talgdrüsen scheinen für die Entwicklung der Erkrankung notwendig zu sein. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die Behandlung erfolgt mit topischen, antimykotischen, entzündungshemmenden und rezeptfreien Mitteln.
• Windeldermatitis: Eine Form der irritativen Dermatitis, die am häufigsten bei Säuglingen und Kindern vorkommt. Übermäßige Feuchtigkeit, Reibung, erhöhter pH-Wert und hohe enzymatische Aktivität tragen zur lokalen Störung der Hautbarriere bei. Der Zustand beschränkt sich auf die Leistengegend und verschont oft die Bereiche, in denen Urin/Kot nicht mit der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion in Kontakt kommt. Die Diagnose ist klinisch. Die Behandlung umfasst allgemeine Hautpflegemaßnahmen (häufiger Windelwechsel, Luftkontakt und Reinigung), topische Steroide und Antimykotika (in schweren Fällen einer Superinfektion durch Candida Candida Candida/Candidose).
• Mycosis fungoides: kutanes T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom. Die Krankheit manifestiert sich in der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion, kann aber auch Lymphknoten Lymphknoten Lymphsystem und Organe betreffen. Mycosis fungoides betrifft häufig Stellen am Körperstamm und ist bei Kindern selten. Die Krankheit präsentiert sich mit anhaltenden progressiven Hautläsionen unterschiedlicher Form und Größe und kann lokalisierte oder weit verbreitete Plaques oder Tumoren, sowie generalisierte Erythrodermie beinhalten. Pruritus ist häufig. Die Diagnose erfolgt klinisch zusammen mit einer Hautbiopsie mit routinemäßiger Histologie. Die Behandlung umfasst topische Wirkstoffe, einschließlich Steroide, Chemotherapie, Retinoide, Imiquimod, lokale Bestrahlung und Phototherapie.
• Psoriasis Psoriasis Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte): Eine häufige chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die durch erythematöse Papeln und Plaques mit silbriger Schuppung gekennzeichnet ist. Psoriasis Psoriasis Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) ist eine komplexe immunvermittelte Erkrankung, bei der T-Lymphozyten, Zytokine, dendritische Zellen und der Tumornekrosefaktor Tumornekrosefaktor Tumornekrosefaktor (TNF) eine vorherrschende Rolle spielen. Früher wurde es als eine Krankheit der Hyperproliferation angesehen. Die Diagnose wird durch körperliche Untersuchung gestellt. Die Behandlung erfolgt mit topischen Kortikosteroiden, Phototherapie, Retinoiden, Methotrexat, Cyclosporin oder biologischen immunmodifizierenden Mitteln.
• Scabies (Krätze): ein durch die Milbe Sarcoptes scabiei verursachter Hautbefall. Krätze ist ein stark juckender Ausschlag mit kleinen erythematösen Papeln an den Fingern, Handgelenken, Achseln, Warzenhöfen, Taille, Genitalien und Gesäßbereichen. Die Diagnose erfolgt durch Anamnese und körperliche Untersuchung zusammen mit dem Nachweis von Milben, Eiern oder Kotpellets unter mikroskopischer Auswertung. Die Behandlung richtet sich sowohl an die Patient*innen als auch an enge Kontaktpersonen. Topisches Permethrin und orales Ivermectin sind die tragenden Säulen der Therapie.