Kammerflimmern

Epidemiologie und Ätiologie

Epidemiologie

Kammerflimmern (VF) als Folge eines Myokardinfarkts (MI) ist die häufigste Ursache für den plötzlichen Herztod und zählt als häufigste Todesursache in Industrieländern.

• Nach einem akuten MI erfolgt aufgrund des VF-Risikos eine Überwachung auf der Intensivstation.
• Höchstes Risiko für VF nach akutem MI bei Herzinsuffizienz (reduzierte linksventrikuläre Ejektionsfraktion Ejektionsfraktion Herzzyklus)
• Die Hälfte aller Todesfälle im Rahmen der koronaren Herzkrankheit wird durch VF verursacht.
• Bei Männern häufiger als bei Frauen

Ätiologie

• Kardiovaskuläre Erkrankungen:
  • Koronare Herzkrankheit (am häufigsten)
  • Herzinsuffizienz
  • Myokardinfarkt Myokardinfarkt Myokardinfarkt
  • Kardiomyopathie Kardiomyopathie Kardiomyopathien: Übersicht & Vergleich
  • Myokarditis Myokarditis Myokarditis
  • Klappenstenose oder -insuffizienz
• Reizleitungsstörungen des Herzens:
  • Long-QT-Syndrom Long-QT-Syndrom Long-QT-Syndrom
  • Wolff-Parkinson-White-Syndrom Wolff-Parkinson-White-Syndrom Supraventrikuläre Tachykardien
  • Torsade-de-Pointes-Tachykardie
• Elektrolytstörungen (z. B. Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie)
• Dysfunktion des autonomen Nervensystems (z. B. erhöhte sympathische Aktivität durch Medikamente)
• Idiopathisch (selten)

Pathophysiologie

Ventrikuläre Tachyarrhythmien werden durch abnormale ektopische Erregungen und Kontraktionen im Ventrikel verursacht.

• Wenn das ektopische Signal regelmäßig und stationär ist und das Herzzeitvolumen Herzzeitvolumen Herzmechanik aufrechterhalten wird, hat die Tachyarrhythmie keine pathologische Konsequenz.
• Wenn das ektopische Signal in seiner Position oder Frequenz variiert und die mechanische Pumpfunktion zum Erliegen kommt, ist ein hämodynamischer Kollaps die Folge, der zum Tod führt.

Detaillierter Ablauf

• Myokardnarben (meist aufgrund früherer ischämischer Schäden) → Verlangsamung der Weiterleitung von elektrischen Herzimpulsen
• Das nicht erregbare Narbengewebe ist von verstärkt erregbaren Myokardzellen umgeben.
• Verlangsamung des elektrischen Impulses beim Durchgang durch die Narbe → Repolarisation und erneute Depolarisation des restlichen Ventrikelmykoards, wenn der Impuls die Narbe verlässt (Reentry-Mechanismen) → kreisende Erregung
• Hochfrequente ventrikuläre Kontraktionen → Dissoziation der Kontraktionen von Vorhöfen und Ventrikeln
• Abnahme des Herzzeitvolumens → hämodynamischer Kollaps → Abfall der zerebralen Sauerstoffversorgung → Bewusstlosigkeit → Herzstillstand → plötzlicher Tod
• Wird die schnelle ventrikuläre Kontraktionsrate toleriert, kann eine Arrhythmie über die Zeit eine Kardiomyopathie Kardiomyopathie Kardiomyopathien: Übersicht & Vergleich verursachen.
• Alle Medikamente und genetischen Störungen, die zu einer verlängerten oder verzögerten Repolarisation führen, können frühe Nachdepolarisationen und Torsade-de-Pointes-Tachykardien bedingen.

Klinik

• Brustschmerzen Brustschmerzen Brustschmerzen
• Hypotonie Hypotonie Hypotonie und entsprechende Anzeichen und Symptome (z. B. Synkope Synkope Synkope, Müdigkeit, Blässe, kalte Extremitäten, Hitzeintoleranz, verschwommenes Sehen)
• Verwirrung
• Palpitationen
• Schwindel
• Kurzatmigkeit
• Bewusstseinsverlust
• Plötzlicher Herztod Plötzlicher Herztod Plötzlicher Herzstillstand

Diagnostik

Die Diagnose erfolgt mittels Elektrokardiogramm Elektrokardiogramm Normales Elektrokardiogramm (EKG) ( EKG EKG Normales Elektrokardiogramm (EKG)).

• Desorganisierte / gestörte elektrische Aktivität, die von den Ventrikeln ausgeht
• Tachykardie (> 320 /min)
  • Kammerflattern: Herzfrequenz Herzfrequenz Herzphysiologie 240 – 300 /min; häufig Übergang zu VF (> 320 /min)
• Verlust von P-Wellen
• Keine abgrenzbaren QRS-Komplexe
  • Flimmerwellen

Bewertung der zugrundeliegenden Erkrankung:

• Herzenzyme (erhöht nach MI)
• Koronarangiographie zur Beurteilung einer myokardialen Ischämie
• Elektrolyte Elektrolyte Elektrolyte (ungewöhnlich hohe oder niedrige Kalium-, Kalzium- oder Magnesiumspiegel)
• Urin-Drogenscreening auf Medikamente oder Stimulanzien Stimulanzien Stimulanzien, die die Herzfrequenz Herzfrequenz Herzphysiologie beeinflussen können
• Echokardiogramm bei Verdacht auf strukturelle Ursachen

Therapie

• Algorithmus der erweiterten Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation (Advanced Life Support, ALS) bei Kammerflimmern:
  • 1. Defibrillation: Abgabe eines Elektroschocks an das Herz (vorübergehend Unterbrechung der elektrischen Aktivität);
    • 150 Joule biphasisch oder 360 Joule monophasisch
  • 2. Kardiopulmonale Reanimation Kardiopulmonale Reanimation Plötzlicher Herzstillstand (Englisches Akronym: CRP) zur Aufrechterhaltung des Blutflusses durch den Körper (2 Minuten 30 : 2)
  • Adrenalin nach 3. Defibrillation (erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit des nächsten Defibrillationsversuch) → 1 mg alle 3 – 5 Minuten
  • Amiodaron Amiodaron Amiodaron und weitere Antiarrhythmika der Klasse III (300 mg nach 3. Defibrillation → 150 mg nach 5. Defibrillation)
  • Intravenös (i. v.) oder intraossär (i. o.)
  • Erweiterung der Atemwege
• Behandlung der Ursache (z. B. metabolische Azidose Metabolische Azidose Metabolische Azidose, Elektrolytstörungen)
• Implantation eines ICD (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator), wenn keine reversible Ursache gefunden wird und/oder zu einem späteren Zeitpunkt ein hämodynamisch instabiles Kammerflimmern erneut auftritt

Klinische Relevanz

• Ventrikuläre Tachykardie Ventrikuläre Tachykardie Ventrikuläre Tachykardie: Gruppe von Arrhythmien, die vom Ventrikel ausgehen und zu einer erhöhten Herzfrequenz Herzfrequenz Herzphysiologie (> 100 / min) führen. Es werden drei Haupttypen ventrikulärer Tachyarrhythmien unterschieden: Kammerflimmern, repetitive monomorphe ventrikuläre Tachykardie Ventrikuläre Tachykardie Ventrikuläre Tachykardie und katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie Ventrikuläre Tachykardie Ventrikuläre Tachykardie (auch bekannt als Torsades-de-Pointes-Tachykardie).
• Koronare Herzkrankheit: Häufigste Todesursache weltweit. Die KHK ist Folge atherosklerotischer Veränderungen der Koronararterien mit anschließender Verengung der Gefäße, die zur Durchblutungsstörung des Myokards führt.
• Herzinsuffizienz: Unfähigkeit des Herzens, den Körper unter normalen enddiastolischen Druckbedingungen mit einem normalen Herzminutenvolumen zu versorgen.
• Myokardinfarkt Myokardinfarkt Myokardinfarkt: Ischämie des Myokardgewebes aufgrund einer vollständigen Obstruktion oder drastischen Verengung der Koronararterie. Dies geht in der Regel mit einem Anstieg der Herzenzyme, typischen EKG-Veränderungen (ST-Hebungen) und Schmerzen einher.
• Kardiomyopathie Kardiomyopathie Kardiomyopathien: Übersicht & Vergleich: Gruppe von Myokarderkrankungen, die mit einer beeinträchtigten systolischen und diastolischen Funktion verbunden sind. Nach der WHO erfolgt eine Klassifizierung in fünf Gruppen, basierend auf der Art der kardialen Veränderungen:
  • Dilatative Kardiomyopathie Dilatative Kardiomyopathie Dilatative Kardiomyopathie
  • Hypertrophe Kardiomyopathie Hypertrophe Kardiomyopathie Hypertrophe Kardiomyopathie
  • Restriktive Kardiomyopathie Kardiomyopathie Kardiomyopathien: Übersicht & Vergleich
  • Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie Arrhythmogene Rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
  • Nicht klassifizierte Kardiomyopathie Kardiomyopathie Kardiomyopathien: Übersicht & Vergleich
• Myokarditis Myokarditis Myokarditis: Entzündliche Erkrankung des Herzmuskels, die meist durch Infektionen mit kardiotropen Viren entsteht, insbesondere Infektionen mit dem Coxsackievirus Coxsackievirus Coxsackievirus.
• Long-QT-Syndrom Long-QT-Syndrom Long-QT-Syndrom: Erkrankung, die durch ein pathologisch verlängertes QT-Intervall (Repolarisation) des Herzenmuskels aufgrund einer Ionenkanalfunktionsstörung gekennzeichnet ist. Dies führt zu einem erhöhten Risiko für Arrhythmien und ventrikuläre Tachyarrhythmien, die zum plötzlichen Tod führen können.