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Prof Marina Furhmann VOD


Interview mit Frau Prof. Marina Fuhrmann M.Sc. (USA) vom Verband der Osteopathen Deutschland e.V.

Wie im ersten Teil unseres Beitrages deutlich geworden ist, ist die Osteopathie trotz ihres rasanten Aufschwungs nicht frei von Kritik. Meinungen, Halbwissen und fundierte wissenschaftliche Studien prallen im Diskurs aufeinander. Umso wichtiger ist es, die Einschätzung von Experten zum Thema zu hören. Daher haben wir Frau Prof. Marina Fuhrmann M.Sc. vom Verband der Osteopathen Deutschland e.V. interviewt, um ihre Expertenmeinung zu den Themen Osteopathie-Boom, Wirksamkeit der Osteopathie, Osteopathie-Ausbildung und zur Komplementärmedizin im Allgemeinen befragt. Lesen Sie hier die Antworten von Frau Prof. Marina Fuhrmann und bilden Sie sich selbst eine Meinung zur Osteopathie.

Spüren Sie ein wachsendes Interesse an der Osteopathie und wenn ja, wie erklären Sie sich den Boom?

Prof Marina Furhmann

Prof. Marina Fuhrmann M.Sc. (USA); Foto: Verband der Osteopathen Deutschland e.V.

Die Osteopathie verzeichnet tatsächlich eine stetig wachsende Akzeptanz und erfreut sich immer größerer Nachfrage. Gerade Patienten mit chronischen Beschwerden suchen nach einer sanften Alternative oder Ergänzung zur klassischen Schulmedizin. So ist die Zahl der Patienten, die sich jährlich osteopathisch behandeln lassen, auf über fünf Millionen angestiegen. Bei einer Umfrage der Stiftung Warentest mit 3.500 Teilnehmern waren mehr als 80 Prozent der Befragten „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ mit der Therapie.

 Ein Osteopath kommt ohne Spritzen, Apparate und Medikamente aus.

Da der Körper eine Funktionseinheit darstellt, können Beschwerden ihren Ursprung an einer ganz anderen Stelle haben. Eine der Besonderheiten der Osteopathie ist deshalb die gründliche Untersuchung und Befunderhebung. Dabei nimmt sich der Osteopath viel Zeit für das Gespräch mit seinem Patienten und die Diagnose. Ein Osteopath kommt ohne Spritzen, Apparate und Medikamente aus. Die Untersuchung und Behandlung erfolgen ausschließlich mit den Händen.

Die Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin gibt in einem Positionspapier offen zu, dass sich die Wirkung einiger osteopathischer Behandlungsmethoden nicht nachweisen lässt. Wie sieht Ihr Urteil zur Wirksamkeit der Osteopathie aus?

Bei der Akademie für Osteopathie sind 160 deutsche Studien verzeichnet, eine Meta-Analyse zu unspezifischen Rückenschmerzen kommt zu eindeutig positiven Ergebnissen.
Eine jüngst publizierte systematische Zusammenfassung aller bislang veröffentlichten Studien zur osteopathischen Behandlung bei Infektionen des Harntrakts berichtet, dass alle identifizierten fünf Studien übereinstimmend eine deutlich positive Beeinflussung der Symptomatik feststellten.

Neuere ausländische Studien zeigen zudem, dass Frühgeborene bei osteopathischer Behandlung die Frühgeborenenstation im Schnitt sechs Tage früher verlassen können als unbehandelte Babys. Außerdem zeigen Patienten „signifikante Verbesserungen bei allen untersuchten biomechanischen Dysfunktionen“ im Rückenbereich. In den USA gibt es nicht weniger als 36 Universitäten, an denen Osteopathie gelehrt wird, deren Absolventen seit über 50 Jahren dem „medical doctor” in allen Belangen gleichgestellt sind.

Worauf sollten Menschen, die mit dem Gedanken spielen, Osteopath zu werden, besonders achten? Insbesondere stellt sich uns die Frage, wie viel schulmedizinisches Know-How angehende Osteopathen besitzen sollten.

Grundsätzlich ist es eine positive Entscheidung, eine Osteopathie-Ausbildung absolvieren zu wollen. In Deutschland erfolgt die Ausbildung zum Osteopathen vorrangig an privaten Osteopathie-Schulen. Die meisten dieser Schulen bieten ihre Weiterbildung berufsbegleitend für Ärzte, Heilpraktiker und Physiotherapeuten, andere als grundständige Ausbildung oder Studium für Personen mit Hochschulreife an. Die grundständige Qualifikation dauert i.d.R. fünf Jahre mit mehr als 5000 Unterrichtseinheiten. Die Weiterbildung hingegen umfasst 1350 Unterrichtseinheiten. Diese umfassende Qualifikation ist notwendig, um einerseits die vielen Bereiche der Osteopathie als eigenständige und wirksame Form der Medizin zu erlernen und andererseits die eigenen Hände zu feinfühligen Instrumenten zu schulen.

Osteopathen sind oft für Patienten die ersten Ansprechpartner. Die überwiegende Tätigkeit im ambulanten Bereich erfordert die eigenständige Diagnostik und Therapie, aber auch ein kooperierendes, interdisziplinäres Arbeiten mit angrenzenden Fachdisziplinen. Osteopathen mit der Zulassung des Primärkontaktes könnten durch ihre fundierten Kenntnisse in der Differenzialdiagnostik Hausärzte entlasten. Gut ausgebildete Osteopathen sind Experten der Diagnostik, Therapie und Rehabilitation. Die Ausbildung beinhaltet eine umfassende Schulung in manueller Diagnostik und Therapie sowie fachübergreifendes Wissen aus allen medizinischen Bereichen.

In jedem Fall müssen sich angehende Osteopathen darüber im Klaren sein, dass nur Ärzte oder Heilpraktiker eigenständig und uneingeschränkt osteopathisch tätig sein dürfen. In vielen Fällen muss daher neben der Aus- bzw. Weiterbildung zum Osteopathen auch die Heilpraktikerprüfung abgelegt werden und auf diese sollte sich ein angehender Osteopath gut vorbereiten.

Wie bewerten Sie inländische und ausländische Studiengänge, die zur Osteopathie befähigen sollen?

Die Akademisierung der Osteopathie ist nicht mehr aufzuhalten. Zum Wintersemester 2011/2012 wurde auf Initiative des Verbandes der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V. der erste Osteopathie-Bachelor-Studiengang Deutschlands eingerichtet. An der Hochschule Fresenius in Idstein bei Wiesbaden und München kann man in einem achtsemestrigen Vollzeit-Studiengang einen nach den Bologna-Kriterien anerkannten Abschluss in Osteopathie erlangen. Ab dem kommenden Wintersemester kann an der Hochschule Fresenius Idstein zusätzlich der Master of Science in Osteopathie erworben werden. In einem zweisemestrigen Voll- und einem dreisemestrigen Teilzeitstudium bietet sie Interessierten ab September die Möglichkeit, die anwendungsorientierten Fähigkeiten zu vertiefen. Darüber hinaus bieten auch andere Hochschulen Studienmöglichkeiten im Bereich Osteopathie.

Wie viele praktizierende Osteopathen gibt es derzeit in Deutschland, wie hoch sind Therapie-Kosten und wie steht es um die Gehaltsaussichten von Osteopathen?

Da es den Beruf Osteopath noch nicht gibt und Osteopathen nicht zentral registriert sind, kann man die Zahlen nur schätzen: Wir gehen davon aus, dass es in Deutschland rund 10 000 praktizierende Osteopathen mit rund 20 Millionen Patientenkontakten jährlich gibt. Für eine Behandlung mit ausführlicher Anamnese, Untersuchung und Behandlung mit unterschiedlichen osteopathischen Techniken liegen die Kosten zwischen 60 und 150 Euro. Derzeit besteht noch ein hoher Bedarf an Osteopathen in Deutschland und die Gehaltsaussichten können mit „gut“ bewertet werden.

Wie steht der Verband der Osteopathen zum Streit um die Rechtmäßigkeit der Berufsbezeichnung Osteopath?

Die staatliche Anerkennung des Berufsbildes Osteopath mit primärem Patientenkontakt ist längst überfällig. Da es den Beruf Osteopath hierzulande noch nicht gibt, kann sich auf Grund fehlender gesetzlicher Vorgaben nahezu jeder Osteopath nennen. Bis heute praktizieren unsere Kollegen ohne Vorgaben über ein qualitatives Mindestmaß an Ausbildungsinhalten und -stunden. Gleichzeitig erstatten mehr als 100 Krankenkassen ihren Versicherten anteilig die Kosten für Osteopathie-Behandlungen – viele beziehen dabei Therapeuten mit in die Erstattung ein, die nur wenige hundert Stunden Ausbildung genossen haben.

Andere Therapeuten wie Physiotherapeuten dürften Osteopathie nicht ohne Rezept ausüben, werden aber durch teilweise laxe Kassen-Praktiken zum Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz gedrängt.

Osteopathie wird in Deutschland der Heilkunde zugerechnet und darf nur von Ärzten und Heilpraktikern vollumfänglich ausgeübt werden. Paradox: Obwohl Osteopathie als Heilkunde nicht delegierbar ist, verlangen Krankenkassen eine ärztliche Verordnung/Empfehlung zur Kostenerstattung. Andere Therapeuten wie Physiotherapeuten dürften Osteopathie nicht ohne Rezept ausüben, werden aber durch teilweise laxe Kassen-Praktiken zum Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz gedrängt. Die Folge: Patienten wissen nicht, welche Ausbildung sich hinter dem „Osteopathen“ verbirgt, den sie aufsuchen. Hier ist die Politik gefragt, eine bundesgesetzliche Regelung zu schaffen, die die Ausbildung des Osteopathen festschreibt und damit Qualität sichert.

Welche Position bezieht der VOD zur Alternativmedizin im Allgemeinen und zu bestimmten Therapiekonzepten, wie der Kinesiologie, im Speziellen?

Der VOD ist die Berufsvertretung für Osteopathen. Osteopathie ist aus unserer Perspektive keine „Alternativmedizin“, sondern ein komplementärmedizinisches Diagnose- und Therapiekonzept. Die Kinesiologie als alternativmedizinisches Verfahren findet mittlerweile sowohl in der Medizin als auch in der Komplementärmedizin Beachtung.

 

Hier lesen Sie den ersten Teil: Osteopathie – Definition, Techniken & Ausbildung.



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