Darmbakterien übernehmen im menschlichen Körper Verdauungsfunktionen, synthetisieren Vitamine, modifizieren Gallensäuren und spielen eine wichtige Rolle in der Modulation des Immunsystems. Kürzlich publizierten US- amerikanische Forscher der San- Francisco- University in einem Artikel der Zeitschrift „Bioessays“, dass Darmbakterien darüber hinaus einen manipulativen Einfluss auf menschliche Essgewohnheiten haben können.
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Photo by Markus Spiske on Unsplash


Die These

Grundlage ihrer Theorie ist die Substratspezifität der unterschiedlichen Bakterienspezies, die untereinander um das „knappe“ Nährstoffangebot des Darmes konkurrieren. So benötigen einige eher Kohlenhydrate, andere wiederum Fette.

Um ein für ihr Überleben günstiges Milieu zu schaffen, könnten sie auf unterschiedliche Art und Weise die Essgewohnheiten ihrer Wirte manipulieren, so die Forscher. Dabei sind insbesondere diejenigen Mikroorganismen im Vorteil, die eine hohe Populationsstärke besitzen.

Fakten über die menschliche Darmflora:

  • Insgesamt sind über 1000 Bakterienspezies bekannt, doch es sind längst nicht alle Mikroorganismen identifiziert.
  • Die Masse der Bakterien beträgt zwischen 1,5 und 2kg.
  • Ihre Zahl beläuft sich etwa auf 100 Billionen.

Manipulationsstrategien

Die Möglichkeiten der bakteriellen Einflussnahme auf das Essverhalten ihrer Wirtsorganismen sind vielfältig. Tierexperimente belegen, dass die Anwesenheit bestimmter Bakterienstämme die Stimmungslage der Versuchstiere günstig beeinflussen kann.

Die Effekte beruhen dabei unter anderem auf den Fermentationsprodukten der Mikroorganismen. So führt Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure, die in Anwesenheit von Lactobacillus casei gebildet wird, zu einer Stimmungsaufhellung bei ängstlich gestimmten Mäusen.

Stimmungskiller sind hingegen verschiedene Toxine und Virulenzfaktoren, die bei Substratmangel vermehrt gebildet werden und neben Läsionen des Darmepithels zu einer direkten oder indirekten Stimulation intestinaler Schmerzrezeptoren führen können.

Weiterhin beeinflussen Darmbakterien die Expression spezifischer Geschmacksrezeptoren innerhalb des Gastrointestinaltraktes und üben einen Einfluss auf das enterische Nervensystem aus. Letzteres kommuniziert über vagale Afferenzen  mit dem zentralen Nervensystem. Ein gesteigerter Vagotonus könnte in diesem Zusammenhang zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme führen.

Diskutiert wird auch eine hormonelle Einflussnahme der Darmflora auf die Stimmungslage und das Sättigungsgefühl des Wirtsorganismus. Manche Darmbakterien produzieren in etwa Dopamin, Histamin oder Gammaamninobuttersäure (GABA) mit direkter oder indirekter Einflussnahme auf das zentrale Nervensystem.

Tierexperimentell konnte auch ein Einfluss bestimmter Darmbakterien auf die im Hypothalamus gebildeten hungerinduzierenden (orexigenen) Hormone AgRP (Agoutie related peptide) und Neurokinin Y beobachtet werden. So zeigten Mäuse, die mit verschiedenen Lactobacillus- Arten supplementiert wurden, geringere Spiegel der Hungerhormone als ihre unbehandelten Artgenossen.

Folgen

Durch die Einflussnahme auf  unsere Essgewohnheiten könnten sich eben die Bakterien einen Überlebensvorteil verschaffen, denen krankmachende Eigenschaften zugesprochen werden.

Neueren Studien zufolge existieren zahlreiche Hinweise, dass verschiedene Erkrankungen in direktem Zusammenhang mit der bakteriellen Besiedelung des Darmes stehen könnten. Insbesondere scheint dabei die Art der Zusammensetzung des Mikrobioms (Gesamtheit aller Darmbakterien) eine Rolle zu spielen.

So konnten bestimmte Bakterienspezies vermehrt bei  fettleibigen Patienten gefunden werden. Andere werden im Zusammenhang mit der Entstehung der Insulinresistenz bei Diabetes mellitus und der Genese der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen diskutiert.

Therapeutische Chancen

Das Wissen um den pathogenen Einfluss verschiedener Bakterienstämme und deren kulinarische Vorlieben könnte helfen, krankmachende Bakterien durch Medikamente und spezielle Diäten gezielt zu eliminieren.

Darüber hinaus könnte die Substitution bestimmter Bakterienstämme helfen, die Diversität der Darmflora zu vergrößern und die Population der schädlichen Kommensalen zu verringern. Bis dem soweit ist, ist es jedoch noch ein langer Weg. Denn die Erforschung des intestinalen Mikrobioms ist ein vergleichbar junger Forschungszweig.

Unbeantwortete Fragen

Fraglich sind in etwa die genauen pathogenetischen Mechanismen, die zur Entstehung der Erkrankungen beitragen. Ebenso verhält es sich mit der Frage, von welcher Bedeutung die manipulativen Einflüsse der Darmbakterien auf unsere Nahrungsgewohnheiten letztendlich sind.

Schließlich bedingen sich Ernährung und die Art der bakteriellen Besiedelung des Darmes gegenseitig. Erwiesen scheint hingegen, dass enge Wechselbeziehungen zwischen Wirtsorganismus und Bakterien bestehen, deren Einfluss auf Gesundheit und Krankheit genauer untersucht werden muss.

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