Da das Herz den gesamten Körper mit Blut versorgt, muss die Herzaktion optimal kontrolliert und immer an die Bedürfnisse des Körpers angepasst werden. Aus diesem Grund gibt es einige vegetative Reflexe, die Einfluss auf Sympathikus, Parasympathikus, intravasales Volumen, Durstgefühl und viele weitere Bereiche nehmen. Wichtig dafür sind Messglieder im Herzen, die sich vor allem in den Vorhöfen befinden und dort den Füllungsdruck registrieren. A-Sensoren registrieren den aktiv entwickelten Druck im Vorhof und stimulieren den Sympathikus, während die B-Sensoren passive Dehnung der Vorhofwand messen. Neben diesen beiden Typen gibt es noch unmyelinisierte C-Fasern, die ebenfalls eine Funktion bei den kardialen Reflexen spielen.

 

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Während Vorhofdehnungsreflex und Gauer-Henry-Reflex vor allem Einfluss auf des intravasale Volumen nehmen, vermittelt der Bainbridge-Reflex eine Stimulation des sympathischen Nervensystems. Der Bezold-Jarisch-Reflex vermittelt Bradykardie und Hypotension als Schutz vor myokardialer Schädigung. Er liefert auch eine mögliche Erklärung für Phänomene, die bei kardiovaskulären Erkrankungen beobachtet werden.

Vorhofdehnungsreflex

Innerhalb der Wand des Vorhofs, besonders der des rechten, liegen Rezeptoren, die die Wandspannung messen. Über Reflexbögen wird dann die Pumpleistung des Herzen moduliert, wobei vor allem die Füllung der Vorhöfe und die daraus resultierende Wandspannung entscheidend ist.

Beim Vorhofdehnungsreflex spielen die B-Sensoren eine wichtige Rolle. Sie sitzen in der Wand der kardialen Atria und messen die passiv entstehende Spannung. Ihre Aktionspotentialfrequenz wird durch erhöhte Spannung (also erhöhe Vorhoffüllung) gesteigert, wobei die Afferenzen zum parasympathischen System gehören und daher im N. vagus verlaufen. Im zentralen Nervensystem wird nach Umschaltung der sympathische Einfluss auf das Herz stimuliert, wodurch es zu einer positiven Inotropie, positiven Chronotropie und positiven Dromotropie kommt.

Außerdem wird beim Vorhofdehnungsreflex das atriale natriuretische Peptid (ANP) aus myoendokrinen Zellen der Herzohren ausgeschüttet. Dieses Hormon ist hat eine diuretischen Effekt, sodass das intravasale Volumen letztlich sinkt und die Füllung der Vorhöfen wieder sinkt.

Die Diurese ist dadurch zu erklären, dass ANP relaxierend auf glatte Muskulatur wirkt. Im Vas afferens des renalen Glomerulums ist dieser Effekt stark ausgeprägt, sodass es zu einem erhöhten hydrostatischen Druck in der Kapillare des Glomerulums kommt. Dadurch steigt folglich die glomeruläre Filtrationsrate und mehr Primärurin gelangt in das Tubulussystem. Durch die Vasodilatation sinken auch der venöse Rückstrom zum rechten Herzen (und damit der Füllungsdruck) und auch der periphere Widerstand.

Außerdem vermittelt ANP eine Hemmung der Aldosteron-Synthese in der Nebennierenrinde. Auch die ADH-Produktion wird gedrosselt, sodass die Reabsorption von Wasser im Sammelrohr deutlich unterdrückt wird. Außerdem senkt ANP im Hypothalamus das Durstgefühl, sodass auch weniger Wasser aufgenommen wird.

Gauer-Henry-Reflex

Das Ziel des Gauer-Henry-Reflexes ist es, die Vorhoffüllung konstant zu halten. Wie beim Vorhofdehnungsreflex sind auch hier die B-Sensoren die Messglieder, die die Wandspannung im Vorhof messen. Bei erhöhter Aktionspotential-Frequenz wird dem Körper signalisiert, intravasales Volumen zu entfernen, um den Blutdruck  und den Füllungsdruck des rechten Herzens zu senken. Daher wird auch beim Gauer-Henry-Reflex die Diurese gesteigert.

Das geschieht über eine Hemmung von sympathisch innervierte Bereichen des Hypophysenhinterlappens, die antidiuretisches Hormon (ADH) freisetzen. Gebildet wird das Hormon interessanterweise in den Nuclei paraventricularis und supraopticus und dann entlang axonalem Transport in der Neurohypophyse ins Blut gegeben. Die Freisetzung unterliegt dabei sympathischer Kontrolle.

Die ADH-Konzentration im Blut sinkt also bei Vorhofdehnung und es werden weniger Aquaporine im Sammelrohr der Niere eingebaut. Dadurch wird weniger Wasser reabsorbiert und die Diurese steigt. Daher sinkt das intravasale Volumen und der Füllungsdruck in den Vorhöfen sinkt ab, wodurch auch die Aktionspotentialfrequenz der B-Sensoren wieder absinkt.

Bainbridge-Reflex

Der Bainbridge-Reflex führt bei erhöhter Füllung der herznahen großen Venen und des rechten Vorhofs zu Tachykardie. Auch hier registrieren Sensoren im rechten Vorhof den Druck und leiten die Signale über den N. vagus ins zentrale Nervensystem. Hier kommt es zu einer Stimulation des Sympathikus, der daraufhin positiv chronotrop auf das Herz wirkt, um der vermehrten Füllung des Herzens entgegenzuwirken. Der Reflex wirkt damit genau andersherum als der Pressorezeptorenreflex im Sinus caroticum, der bei einer verminderten Dehnung den Sympathikus enthemmt.

Der Bainbridge-Reflex liefert damit auch ein mögliche Erklärung für die respiratorische Sinusarrhythmie: Bei der Inspiration sinkt der intrathorakale Druck und dadurch steigt der venöse Rückstrom zum rechten Vorhof. Der Füllungsdruck steigt und damit auch die Aktionspotential-Frequenz der Spannungssensoren. Über die oben genannte Verschaltung kommt es sympathisch gesteuert zu einer Erhöhung der Herzfrequenz. Bei der Exspiration sinkt die Herzfrequenz durch die gegenteiligen Effekte.

Bezold-Jarisch-Reflex

Neben den A- und B-Sensoren in den Vorhöfen gibt es auch nicht myelinisierte C-Fasern, vor allem im linken Vorhof. Auch sie reagieren auf Dehnung und stimulieren den Parasympathikus, während sie den Sympathikus hemmen. Anders als beim Bainbridge-Reflex gibt es jedoch keine Umschaltung auf eine Aktivierung des Sympathikus im ZNS. Der parasympathische Einfluss auf das Herz und die Gefäßmuskulatur führt zu einer Absenkung der Herzfrequenz (Bradykardie) und einer Relaxation der glatten Muskeln (Hypotonie), auch der Koronargefäße.

Neben Dehnung können chemische bzw. toxische Substanzen die Fasern, die auch als Chemorezeptoren agieren können, aktivieren. Auch Hypoxie kann den Bezold-Jarisch-Reflex auslösen. Würde das Herz bei Hypoxie weiterhin schnell schlagen und daher mehr Sauerstoff verbrauchen, würde es zu Schäden am Herzen kommen. Der Reflex ist also ein Schutzreflex des Herzen.

Früher wurden diese Beobachtungen für Effekte von pharmakologischen Substanzen gehalten. Mittlerweile gibt der Bezold-Jarisch-Reflex auch Erklärungsansätze für einige Beobachtungen, die bei Pathologien des kardiovaskulären Systems gemacht werden. So wird der Bezold-Jarisch-Reflex Erklärung für Bradykardie nach myokardialem Infarkt herangezogen.

Viszerokutaner Reflex

Die Afferenzen der inneren Organe werden im Rückenmark umgeschaltet und anschließend zu höheren Zentren des zentralen Nervensystems weitergeleitet. Auf den jeweiligen Rückenmarkssegmenten werden allerdings auch die Nerven, die Hautbereiche innervieren verschaltet und konvergieren teilweise auf die gleichen Neurone wie die vegetativen Afferenzen.

Es handelt sich dabei um Internerurone des Tractus spinothalamicus, der Schmerzafferenzen leitet. Sowohl die Schmerzen der inneren Organe als auch die der Haut projizieren auf diese Fasern. Dabei kann nicht unterschieden werden, ob das Signal von dem Organ oder dem Hautbereich des Rückenmarkssegments stammt. Aus diesem Grund kann es zu Schmerzen oder Empfindungsstörungen des Hautbereichs kommen, wenn die ursächliche Pathologie eigentlich im Organ liegt.

Die Hautareale sind den Segmenten sehr genau zuzuordnen, sodass die einzelne Organe immer mit den gleichen Hautbereichen in Zusammenhang steht. Pathologien der Haut in diesen so genannten Head-Zonen können also Auskunft über Pathologien der inneren Organe geben. Die betroffenen Hautbereiche können jedoch weit vom Organ selbst entfernt liegen. Das ist auf die Embryogenese zurückzuführen, in denen die Strukturen einzelner Segmente unterschiedlich weit wandern.

Beispielsweise verursachen pathologische Veränderungen am Zwerchfell Schmerzen in der Schulter, da die Afferenzen des Zwerchfells und die der Haut im Segment C4 auf den Tractus spinothalamicus konvergieren.

Dieses Phänomen wird auch übertragener Schmerz genannt. Nicht zu verwechseln ist dieser Begriff mit dem projiziertem Schmerz. Hier kommt es beispielsweise bei einem Bandscheibenvorfall zu einer inadäquaten Reizung von Neuronen im Rückenmark, die Hautareale innervieren. Die Folge sind auch hier Schmerzen und Gefühlsstörungen.

Beliebte Fragen

Die richtigen Antworten befinden sich unterhalb der Quellenangaben.

1. Was ist keine Folge des Gauer-Henry-Reflexes?

  1. Abfall der ADH-Konzentration im Blut
  2. Diurese
  3. Eine sympathische Stimulation der Neurohypophyse
  4. Eine Absenkung der Aktionspotential-Frequenz der B-Sensoren im Atrium (weil nach Folgen, nicht Ursachen gefragt ist!)
  5. Verminderter Einbau von Aquaporinen in Zellen des Sammelrohrs

2. Was trifft auf den viszerokutanen Reflex zu?

  1. Er tritt beim Bandscheibenvorfall auf
  2. Er kommt dadurch zustande, dass Hautnerven mit viszeralen Afferenzen auf Neurone des Tractus spinothalamicus konvergieren
  3. Schmerzen in Organen äußern sich immer auch in Schmerzen der darüber liegenden Haut
  4. Er macht keinerlei Aussagen über den Zustand innerer Organe
  5. Die Pyramidenbahn ist bei der Reflexverschaltung involviert

3. Was trifft auf das atriale natriuretische Peptid (ANP) zu?

  1. Es wirkt gefäßverengend auf das glomeruläre Vas afferens
  2. Die glomeruläre Filtrationsrtate sinkt durch seinen Einfluss
  3. Es wird von myoendokrinen Zellen im Herzohr gebildet
  4. Es steigert die Synthese von Aldosteron
  5. Das Durstgefühl wird unabhängig von ANP reguliert


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