Es gibt Krankheitsbilder in der Medizin, die sind sehr selten und trotzdem so eindrücklich, dass man sie nie wieder vergisst. Sie klingen so absurd, dass es schwer fällt, sie sich vorzustellen. Ein solches Krankheitsbild ist das Anton-Syndrom, bei dem die Patienten trotz kortikaler Blindheit überzeugt sind, zu sehen. Erfahren Sie hier mehr über das unglaubliche Syndrom und seine anatomischen Grundlagen.
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Bild von Jordan Whitfield auf Unsplash


Fehlende Krankheitseinsicht

Blind zu sein und sich dessen nicht bewusst zu sein, das klingt unmöglich. Dennoch ist genau dies beim Anton-Syndrom der Fall. Die Patienten glauben, zu sehen, und geben auf Nachfrage an, dass sich ihre Sehleistung nicht verschlechtert hat. Und das, obwohl sie unter kompletter Rindenblindheit leiden, ihre primäre Sehrinde im Gehirn also geschädigt ist.

Diese fehlende Krankheitseinsicht nennt man Anosognosie, ein Phänomen, das vor allem im Zusammenhang mit neurologischen Schädigungen auftritt, so z. B. auch das Leugnen der Zugehörigkeit eines Armes oder Beins.

Ein Erklärungsansatz für das Phänomen ist, dass vor allem bei einer Schädigung der rechten Gehirnhälfte die linke einspringt, um die fehlenden Informationen der rechten zu ersetzen, und dabei an ihrem bisherigen Körperschema festhält. Dabei haben die Betroffenen eine normale Intelligenz.

Herr Antons erster Fall – Geschichtliches

Das Syndrom hat seinen Namen von Gabriel Anton, einem österreichischen Neurologen und Psychiater, der es erstmals als Krankheit beschrieb. Seine Patientin Ursula M. kam zu ihm nicht etwa wegen ihrer Rindenblindheit, die sie gar nicht erkannte, sondern weil sie eine Wortfindungsstörung plagte.

Allerdings schien es das Syndrom schon lange vor Antons Zeit gegeben zu haben. So schrieb der römische Philosoph Seneca, der im Jahre 1 n.Chr. geboren wurde, über die Gefährtin seiner Frau: „Sie weiß nicht, dass sie blind ist. Deshalb sagt sie ihrem Wächter immer und immer wieder, dass er sie woanders hinbringen soll. Sie behauptet, dass mein Heim dunkel sei.“ Eine passende Beschreibung der Anosognosie.

Anatomische Grundlagen

Es liegt meist eine beidseitige Schädigung der Sehrinde in der Okziptalregion vor, wobei als Ursache alle Arten von neurologischen Läsionen denkbar sind, also sowohl ein Schlaganfall, als auch Entzündungen des Gehirns, Sauerstoffmangel, Enzephalopathien u. a.. Auch werden in der Literatur Fälle berichtet, bei denen ein epileptisches Geschehen als Ursache diskutiert wird.

Es ist dabei auch möglich, dass nur einzelne ausgefallene Gesichtsfelder von der Anosognosie betroffen sind und diese Ausfälle vom Betroffenen unbewusst „überspielt“ werden, die Personen aber im Alltag auffallen, indem sie beispielsweise immer gegen den rechten Türrahmen laufen oder von rechts ankommende Autos weniger gut wahrnehmen.

Abzugrenzen ist dieser Fall vom Neglect, bei dem die Betroffenen aufgrund einer halbseitigen Läsion eine Seite der Umwelt in ihrer Wahrnehmung vernachlässigen, obwohl ihr Sehen völlig intakt ist. Neglect-Patienten haben Defizite in der gerichteten Aufmerksamkeit.

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