
Bild: “Woman Laborer, Tengahtani Cirebon” von Danumurthi Mahendra. Lizenz: CC BY 2.0
Bisher galten Mindestlöhne in unterschiedlicher Höhe für unterschiedliche Branchen und Regionen. Mit der Gesetzesnovelle des Mindestlohngesetzes – kurz MiLoG – weht ab 2015 für alle Unternehmen ein neuer Wind. Die Unternehmen, die bereits vom Mindestlohn betroffen sind – so zum Beispiel das Baugewerbe, wo Facharbeiter mindestens 13,95 € / h in Westdeutschland verdienen, oder die Gebäudereinigungsbranche, wo Reinigungskräfte in Ostdeutschland 7,96 € / h verdienen – kennen die Ordnungshüter bereits. Die Tarife (siehe Tabelle mit Stand Dezember 2014 anhand ausgewählter Branchen, zum Vergrößern klicken) bleiben auch in 2015 gültig, wenn der Mindestlohn garantiert ist oder wenn eine gesonderte Übergangsregelung vereinbart ist.
Der neue Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde greift grundsätzlich auf alle Arbeitnehmer mit nur wenigen Ausnahmen, die wichtigsten davon (§22 MiLoG):
- Berufsorientierende Praktika bis zu 3 Monaten zur Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums
- Praktika auf Grundlage einer Ausbildung oder eines Studiums, zu der die Praktikanten verpflichtet sind
- Einmalig ausbildungsbegleitende Praktika bis zu 3 Monaten
- Jugendliche unter 18 Jahren
- Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten der Wiederbeschäftigung
Wann und wie Sie Praktikanten ohne Zahlung des Mindestlohns beschäftigen können, erfahren Sie übrigens in diesem Beitrag.
Neben diesen Ausnahmen bestehen Übergangsregelungen für Beschäftigtenverhältnisse auf Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Demnach können für eine Dauer von zwei Jahren auch Löhne unterhalb von 8,50 € pro Stunde bezahlt werden. Zeitungszusteller, die weder vom AEntG noch vom AÜG erfasst sind, werden in §18 MiLoG gesondert behandelt und erhalten stufenweise bis 2017 Anspruch auf den vollen Mindestlohn.
Ob es bei 8,50 € auch zukünftig bleibt, das bestimmt zukünftig eine Kommission aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern, die alle zwei Jahre den Mindestlohn in Form einer im Bundestag zu verhandelnden Empfehlung anpasst.
Die 5 typischen Stolperfallen beim Mindestlohn
In Anbetracht des unklaren Mindestlohnbegriffs, den wir noch genauer betrachten werden, können Unternehmen den Mindestlohn bewusst oder unbewusst unterlaufen. Kontrollbehörden sprechen pikanterweise von „Umgehungstaktiken“, was insofern problematisch ist als das mit dem Begriff Vorsatz unterstellt wird. Auch wenn das nicht ganz ausgeschlossen werden kann, sprechen wir im Folgenden von den 5 typischen Stolperfallen des Mindestlohns – ein Überblick:
1. Die offene und illegale Zahlung zu niedriger Löhne
Mit der Einführung des Mindestlohns in allen Branchen ist gerade in der Anfangszeit genau das zu befürchten: Viele Unternehmen werden erstmalig mit dem Thema Mindestlohn in Berührung kommen und es ist zu erwarten, dass die Kontrollen anfänglich in allen Branchen stattfinden werden.
Andererseits zeigt die Studie, dass in regelmäßig kontrollierten Branchen kein Unternehmen die Kontrollen unterschätzte. Folglich nehmen Unternehmen den Mindestlohn ernst, wenn die Relevanz des Themas zunimmt. Deshalb: führen Sie sich vor Augen, dass Kontrollen gerade zu Beginn in allen Unternehmen und ohne Vorankündigung stattfinden können. Zudem erhöht der Staat in den nächsten Jahren sein Personal und Fehler der Anfangszeit verjähren frühestens zu Beginn 2019. Das Risiko erwischt zu werden, ist deshalb nicht von der Hand zu weisen. Unternehmen stehen daher in der Pflicht ihre Mitarbeiter über ihren Mindestlohnanspruch aufzuklären und im Falle einer Kontrolle zur Kooperation mit den Beamten aufzufordern.
Auftraggeber, die Aufträge an Firmen vergeben, wie z.B. das im Baugewerbe oft der Fall ist, müssen besonders aufpassen. Denn wenn ihre Subunternehmer keinen Mindestlohn zahlen, haftet der Auftraggeber. Diese sehr weitreichende Regelung des §13 MiLoG nimmt den so genannten Generalunternehmer, der Subunternehmer mit jeweils eigenen Angestellten beauftragt, bezüglich der Mindestlohnansprüche in die Pflicht und behandelt ihn wie einen Bürgen. Das bedeutet, dass der benachteiligte Arbeitnehmer wählen kann, ob er seinen Arbeitgeber (Subunternehmer) oder den Auftraggeber (Generalunternehmer) in Anspruch nimmt.
Bei zusätzlichen Verdacht auf Fahrlässigkeit der Unkenntnis des Auftraggebers droht sogar eine Geldbuße bis zu 500.000 €. Je länger die Auftragskette ist, umso problematischer, weil umso teurer kann die Nichtzahlung des Mindestlohns für den Generalunternehmer werden. Ein besonders großes Risiko trägt der Auftraggeber auch deshalb, weil er im Falle einer Insolvenz des Auftragnehmers zur Zahlung des Mindestlohns verpflichtet ist.
Das Problem besteht allerdings darin, dass ein Subunternehmer nicht zugeben wird, den Lohnstandard nicht eingehalten zu haben. Eine Möglichkeit sich auch im Insolvenzfall des Subunternehmers abzusichern besteht darin, Sicherheiten wie Einbehalte oder Bankbürgschaften zu vereinbaren.
2. Die falsche Berechnung des Mindestlohns
Der Begriff des Mindestlohns ist schwierig und wird regelmäßig von Experten kritisiert. Eine der wichtigsten politischen Forderungen ist daher, den Mindestlohnbegriff eindeutig zu konkretisieren. Dies ist aufgrund der inhaltlichen Definition von §1 Abs. 3 Mindestlohngesetz (MiLoG) erschwert, weil darin auf den Mindestlohnbegriff des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG), des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und auf deren Grundlage weitere erlassene Rechtsordnungen verwiesen werden. Schließlich ist der Mangel einer eindeutigen Definition der Ausgang für Unsicherheit und Fehlverhalten der Unternehmen.
Bei der Kalkulation des gesetzlichen Mindestlohns sind aktuell drei Kategorien von Entgeltbestandteilen zu unterscheiden:
- Mindestlohnentgeltbestandteile
- Nicht-Mindestlohnentgeltbestandteile
- Ungeklärte Mindestlohnentgeltbestandteile
Mindestlohnentgeltbestandteile
Das Grundgehalt wird verstanden als ein Entgelt auf die übliche durch das Arbeitsverhältnis definierte Normalleistung des Arbeitnehmers. An dem Grundbegriff des Grundgehalts setzt auch der Mindestlohnbegriff an. Lediglich Einmalzahlungen, die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung nicht verändern, und Zulagen, die für keine gesonderte Leistung erbracht werden, ergänzen das Grundgehalt im Sinne des Mindestlohns.
Nicht-Mindestlohnentgeltbestandteile
Grundsätzlich dürfen Unternehmen alle Zuschläge, die für Leistungen außerhalb des gewöhnlichen Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, nicht als Mindestlohnbestandteil geltend machen. Arbeitgeber dürfen auch keine Leistungen als Lohn anrechnen, die nicht den Zweck verfolgen, die vertraglich vereinbarte Leistung zu vergüten. In diesem Sinne zählen vermögenswirksame Leistungen und Aufwandsentschädigungen nicht zu den Bestandteilen des Mindestlohns.
Andererseits dürfen auch nicht Einnahmen des Arbeitnehmers, die in der Arbeit selbst ihren Ursprung haben (z.B. Trinkgelder), aber nicht Bestandteil des Entgelts sind, in den Mindestlohn einkalkuliert werden.
Ungeklärte Mindestlohnentgeltbestandteile
Gesetzlich nicht eindeutig geklärt sind Zahlungen für Überstunden, jährliche Sonderzahlungen, wie Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt oder Urlaubsgeld, die Kosten für Verpflegung und Unterkunft für Entsendearbeitnehmer und Sachleistungen.
Bei jährlichen Sonderzahlungen stehen sich Bundesregierung und Bundesrat im Widerspruch. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass diese Leistungen den auf die Entsendezeit entfallenden anteiligen Betrag als Mindestlohnbestandteil geltend gemacht werden kann, wenn die Zahlung zum maßgeblichen Fälligkeitstermin, d.h. nicht rückwirkend, tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt wird. Der Bundesrat lehnt hingegen jede nicht monatlich verstetigte zusätzlich gezahlte Vergütung zur Kalkulation eines Mindestlohns ab.
Überstundenzuschläge sind grundsätzlich keine Bestandteile des Mindestlohns, jedoch berücksichtigt der FKS die Überstundenzuschläge, wenn es tarifvertraglich von den Arbeitnehmern verlangt wird.
Die Kosten für Verpflegung und Unterkunft von Entsendearbeitnehmern (z.B. Saisonkräfte) können derzeit noch nicht als Mindestlohn berechnet werden. Die Bundesregierung plant hier aber eine gesetzliche Änderung der Gewerbeordnung, um vor allem in der Landwirtschaft die Lohnkosten durch den Mindestlohn nicht in die Höhe zu treiben.
Sachleistungen sind sehr schwierig in Form des Mindestlohns geltend zu machen. Nach §107 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) ist das aber möglich, insoweit die Sachleistung im Interesse des Arbeitnehmers oder in der Eigenart des Arbeitsverhältnisses begründet liegt. In dem Zusammenhang können auch Waren als Lohn gelten, jedoch müssen eine Reihe von weiteren Bedingungen erfüllt sein (z.B. muss die Ware im Eigentum des Arbeitgebers stehen).
Ein Beispiel aus dem Fast-Food-Gewerbe zeigt, welche Auswirkungen der Mindestlohn haben kann: Ob McDonalds, Burger Kind oder Pizza Hut – alle Unternehmen haben angekündigt, den Mindestlohn einzuhalten, doch sparen sie dafür an anderer Gehaltsstelle. Überstundenzuschläge, Weihnachts- und Urlaubsgeld oder vermögenswirksame Leistungen – kurz, die Bestandteile, die nicht zum Mindestlohn gehören – werden entsprechend gekürzt. Wir raten Ihnen nicht dazu, die besser verdienenden Kollegen den Mindestlohn bezahlen zu lassen…
3. Die falsche Erfassung der Arbeitszeit
Der Mindestlohnbegriff basiert auf einem Arbeitszeit-Entgeltverhältnis. Das MiLoG sieht für bestimmte Branchen und Berufsgruppen eine Dokumentationspflicht der tatsächlichen, täglichen Arbeitszeiten auf Seiten der Arbeitgeber mit einer Aufbewahrungspflicht von 2 Jahren vor. Die Dokumentationspflicht gilt für geringfügig Beschäftigte und für alle Branchen, die nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz als besonders anfällig gelten. Damit entsteht ein enormer Dokumentationsaufwand für etwa 7,2 Millionen Beschäftigte, der von den Unternehmen getragen werden muss.
Firmen, die mit Teilzeit und flexiblen Arbeitszeiten werben, können sehr schnell in das Visier der Ordnungshüter geraten, wenn sich dahinter eine große Zahl an geringfügig Beschäftigten verbirgt. In der Praxis werden die Arbeitszeiten in der Regel von den Angestellten in Form eines Arbeitszeitbogens erfasst. Unternehmen, die über ein elektronisches Arbeitszeiterfassungssystem verfügen, haben den Vorteil mit geringem Aufwand die Arbeitszeiten zu dokumentieren.
Der Arbeitgeber steht in der Pflicht, den Lohn „pünktlich“ auszuzahlen. Liegt der Stundenbogen aufgrund eines Versäumnisses des Arbeitnehmers nicht vor und es kommt deshalb zu einer verzögerten Auszahlung, so droht dem Arbeitgeber ein Bußgeld.
Im MiLoG sind besondere Arbeitszeiten, wie Bereitschaftsdienste, Anfahrtswege- und Wartezeiten nicht erwähnt. Der Mindestlohn erstreckt sich daher auch auf diese Gruppen. Allerdings zeigen die Erfahrungen aus dem Ausland, dass es in diesem Bereich häufig zu Mindestlohnverstößen kommt. Unternehmen sollten daher die Dokumentationspflicht des MiLoG konsequent anwenden.
Arbeitszeitkonten, wie sie in großen Unternehmen oft zum Einsatz kommen, benötigen ab 2015 eine schriftliche Vereinbarung. Arbeitgeber sind durch das MiLoG verpflichtet, das Arbeitszeitguthaben innerhalb von 12 Monaten nach ihrer monatlichen Erfassung entweder durch Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns abzubauen. Außerdem darf die monatlich eingestellte Arbeitszeit nicht die Hälfte der der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit übersteigen. So darf bei einer 40 Stundenwoche das Arbeitszeitkonto nicht mehr als 240 Stunden aufweisen.
4. Die unrealistische Kalkulation des Stücklohns
Bei Werkverträgen, in denen Arbeitnehmer sich auf eine konkrete Leistung verpflichten, die nicht in Zeiteinheiten korrekt erfasst wird, besteht die Gefahr, dass Unternehmen die kalkulierten Zeitvorgaben unrealistisch oder falsch berechnen.
Vor diesem Hintergrund sind Vergütungsmodelle, die nicht die Arbeitszeit vergüten, schwer zu handhaben und sind gewissermaßen eine legale Hintertür für Unternehmen, den Mindestlohn zu unterwandern. Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen die Anforderungen so festlegen, dass faktisch das Mindestlohnniveau nicht erreicht wird.
Beispielsweise werden Putzkräfte für Innenräume nach zu reinigenden Zimmern entlohnt. Durch den Mindestlohn müssen Arbeitgeber den Stücklohn ist Zeitarbeitslohn umrechnen. Der Gesetzgeber hat zwar kein Problem damit, Stücklohn zuzulassen, jedoch verpufft der leistungssteigernde Effekt des Stücklohns, weil durch die Umrechnung in Arbeitszeit der weniger leistungskräftige bevorteilt wird:
Bei einem 8-Stundentag beträgt der Mindestlohn 68 € (=8*8,50 €). Nehmen wir an, ein Zimmer würde 5 € Lohn bringen. Die Reinigungskraft 1 schafft nun 18 Zimmer pro Tag, Reinigungskraft 2 aufgrund des Alters nur 10 Zimmer. Bei Stücklohn würde Reinigungskraft 1 90 € verdienen, Reinigungskraft 2 hingegen 50 €. Durch den Mindestlohn muss Reinigungskraft 2 jedoch 68 € bekommen. Der Stücklohn würde damit auf 6,80 € je Zimmer faktisch steigen.
5. Das Phänomen der Ausdehnung von Scheinselbständigkeit
In Branchen, in denen es zu einer Blüte von freien Gewerben gekommen ist, wie im Bausektor, wird auch zukünftig verstärkt kontrolliert werden. Selbständige unterliegen nicht dem Mindestlohn, weshalb es unter den „schwarzen Schafen“ Versuche gibt, klassische Arbeitsverträge in freie Werkverträge umzuwandeln – faktisch bleibt die Beschäftigung jedoch abhängig.
Nicht nur, dass die Werkvertragsnehmer gegenüber den abhängig Beschäftigten benachteiligt sind, es werden auch keine Beiträge in die Sozial- und Rentenversicherung eingezahlt. Wird nun nachträglich festgestellt, dass es sich um eine Scheinselbständigkeit handelt, so drohen dem Arbeitgeber Nachzahlungen zur Sozial- und Rentenversicherung, die Zahlung des Mindestlohns, das Einholen einer Arbeitsgenehmigung, wenn es sich um einen Ausländer handelt, und strafrechtliche Folgen aufgrund einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung, was zu hohen Geldstrafen und Freiheitsentzug, wie dieses kurze Beispiel zeigt, führen kann.
Nicht jedes Unternehmen ist so frech, wie der Unternehmer in diesem Beispiel. Hätte er diesen Artikel über die Wächter des Mindestlohns weitergelesen, so wäre er das Risiko vielleicht nicht eingegangen…
Die Wächter des Mindestlohns
Die Einhaltung des Mindestlohns wird in Deutschland durch eine zentrale Institution fortlaufend überprüft: die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls, kurz: FKS.

Die FKS ist nach §3 Schwarzarbeitsgesetz berechtigt, „Geschäftsräume und Grundstücke des Arbeitgebers und des Auftraggebers von selbständig tätigen Personen … während der Arbeitszeit der dort tätigen Personen zu betreten und dabei
- Von diesem Auskünfte hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse oder ihrer Tätigkeiten einzuholen und
- Einsicht in von ihnen mitgeführte Unterlagen zu nehmen, von denen [lediglich] anzunehmen ist, dass aus ihnen Umfang, Art oder Dauer ihrer Beschäftigungsverhältnisse oder Tätigkeiten hervorgehen oder abgeleitet werden können.“
Daneben dürfen die Kontrolleure die Personalien und persönlichen Ausweise überprüfen, Einsicht in die Lohn- und Meldeunterlagen nehmen sowie die Bücher und Geschäftsunterlagen prüfen, um die Beschäftigungsverhältnisse umfassend aufzuklären. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer müssen den Kontrolleuren Zugang zu den gewünschten Information geben, andernfalls drohen entsprechende Bußgelder bis zu 30.000 € sowie ein automatisches Ermittlungsverfahren.
Sollte sogar ein schwerwiegender Verdacht vorliegen – beispielsweise eine illegale Beschäftigung – dann darf die FKS auch ein Strafverfahren einleiten, womit die FKS faktisch die gleichen Befugnisse wie Polizeivollzugsbehörden hat. Sie leitete in 2013 135.016 Ermittlungsverfahren und verhängte Bußgelder in Höhe von insgesamt 70,8 Millionen €.
Bei der Auswahl der zu kontrollierenden Unternehmen reagiert die FKS auf Hinweise von außen (Arbeitnehmer, Gewerkschaften, anonyme Nachrichten), aus der Berichterstattung der Medien und auf Hinweise von anderen Behörden. Die FKS führt die Kontrollen grundsätzlich unangekündigt und spontan durch. Branchen, die prinzipiell anfällig für die Unterwanderung von Mindestlöhnen sind, werden schwerpunktmäßig kontrolliert. Mehrmals im Jahr zieht die FKS ihr Personal zusammen, um in einzelnen Regionen oder bundesweit eine Branche zu kontrollieren.
Hintergrund dieser angekündigten Kontrollen ist das psychologische Moment der Präsenz von Kontrollen mit dem Effekt einer präventiv-abschreckenden Wirkung. Diese Kontrollen wurden bisher vor allem im Baugewerbe und in der Gebäudereinigungsbranche durchgeführt, aber auch bei der Leiharbeit, in der Speditionsbranche und im Gaststättengewerbe. Mit dem erweiterten Aufgabenspektrum in 2015 ist zu erwarten, dass die FKS die Schwerpunkte verschieben wird.
Weitere Kontrolleure des Mindestlohns
Neben der FKS als dem größten Kontrolleur übernehmen verschiedene Behörden routinemäßige Aufgaben der Kontrolle des Mindestlohns.
Die Deutsche Rentenversicherung kontrolliert im Zuge der regelmäßigen Betriebsprüfungen, ob die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß bezahlt werden. Bestandteil dieser formalen Prüfung ist auch die Einhaltung der Tarif- und Mindestlöhne. Wird festgestellt, dass Sozialversicherungsbeiträge in zu geringem Umfang bezahlt werden, werden nicht nur die Sozialversicherungsträger benachrichtigt, sondern sie kooperiert auch mit der FKS. So werden einerseits festgestellte Verstöße direkt an die FKS weitergegeben, andererseits kann die FKS auf die Datenbank der Rentenversicherung zugreifen.
Auch die Länder, die Großprojekte wie Autobahnbau, Stadionneubauten oder Brückenprojekte ausschreiben, fordern von den Bewerbern die Einhaltung der Mindestlöhne. Ist dieser nicht durch das sich bewerbende Unternehmen gesichert, so kann das Land den Bewerber von der Auswahl ausschließen. Je nach Landesstruktur, übernimmt entweder die Verwaltung oder eine eigens eingerichtete Sonderkommission die Kontrolle des Mindestlohns. Mächtigstes Sanktionsmittel abseits der Geldbußen ist ein möglicher Ausschluss aus allen Vergabeverfahren für einen bestimmten Zeitraum. Ebenso wie die Deutsche Rentenversicherung melden auch die Landesbehörden Verstöße bei der FKS.
Auch die Ämter des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, der Gewerbeaufsicht, der Sozialkassen sowie die Arbeitsagenturen können Auffälligkeiten und Verstöße direkt an die FKS melden. Insgesamt bleibt die FKS der zentrale Kontrollakteur. Die Politik ist darauf bedacht, die Zusammenarbeit von Gesellschaft und Staat bis hin auf die lokale Ebene mit der FKS auszubauen. Das ist nötig, um auch dort, wo keine Betriebsräte und Gewerkschaften existieren, die Einhaltung von Lohnstandards zu gewährleisten.
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Ein Gedanke zu „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Diese Stolperfallen stecken im Mindestlohn“
Sehr geehrte Redaktion,
aus Unwissenheit habe ich Ihren Artikel mit nur einem Stern bewertet.
Das tut dem Artikel grob Unrecht. Er ist mit exzellenter Sachkenntnis und sehr übersichtlich geschrieben.
Von mir also 5 Sterne.
mfg
Martin Hannemann