
Eine neue Arbeitskultur
Es stellt sich die Frage, welche Funktion das Büro zukünftig übernehmen wird – und übernehmen kann? Wie können gesellschaftliche Forderungen nach Unabhängigkeit verwirklicht, wie digitale Vernetzung und ein fester Arbeitsort integriert werden und wie umweltschonende und verantwortungsbewusste Zukunftsplanung gestaltet werden? Eine besondere Rolle kommt in dieser Hinsicht natürlich dem leitenden Organ der Arbeitskultur zu: dem Unternehmen selbst. Wie also können Sie als Vorgesetzte innovativ den Wandel begleiten und den richtigen Schritt in die unternehmerische Zukunft setzen?
Die Unterstützung einer effizienten Kommunikation, die Steigerung der Attraktivität für potenzielle neue Mitarbeiter und die Sicherung von Flexibilität für künftige Veränderungen sind derzeit die meistgenannten Wünsche bei der Neugestaltung des Arbeitsumfeldes.
Mit diesen vielseitig geäußerten Hoffnungen gehen gleichzeitig auch konkrete Vorstellungen über Homeoffice und Wissensarbeit ohne lokale Begrenzungen und über innovative Arbeitsplätze einher. Auch einige ausgeklügelte Konzepte zu möglichen Projektbeispielen wurden bereits initiiert und durchgeführt.
Der Stellenwert von Homeoffice und Mobilität
1. Freie Wahl des Arbeitsortes
Die neuen Technologien machen es möglich: In Zukunft werden wir vor allem mobil, flexibel und digital leben! Bereits heute „bevorzugen 66% der 25 – 34 Jährigen ein flexibles Arbeitsmodell und nur noch 30 % der Arbeitnehmer wollen jeden Tag an einem fest definierten Büroarbeitsplatz arbeiten“.
Besondere Vorteile bietet das Konzept des Homeoffice vor allem auch für eine einfachere Kombination von Arbeit und Privatleben. Autonomie, Diversität und Unabhängigkeit sind in zukunftsorientierten Projekten die Schlagwörter: Arbeitszeiten werden freier gestaltet, durch das Homeoffice kommt dem Mitarbeiter mehr Eigenständigkeit zu und gleichzeitig können über virtuelle Kommunikation auch Prinzipien der Kollaboration und Transparenz aufrecht gehalten werden.
Gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel der Gesellschaft, auf die intergenerationale Führung und das Anwerben neuer Fachkräfte ist es essentiell als Unternehmer auch mit nichtmonetären Größen zu überzeugen. Arbeitnehmer erwarten nicht nur ein gutes Gehalt, weit mehr Gewicht in der Beurteilung eines Arbeitsplatzes kommt der Identifikation mit einem Unternehmen zu.
Nur wenn Arbeitgeber die gleichen Werte wie Arbeitnehmer vertreten, sich für demokratische und transparente Arbeitsprozesse einsetzen und den Mitarbeitern den Arbeitsplatz schaffen, den sie erwarten, kann effizient und profitabel gearbeitet werden. Die Option auf freie Arbeitsplatzwahl und Zeiteinteilung kann in dieser Hinsicht zu einer gesteigerten Repräsentativität der eigenen Firma beitragen.
2. Arbeitsmotivation
Ein besonderes Ziele sollte bei neuen Büroformen vor allem auch die intrinsische Motivation der Mitarbeiter darstellen. Mehr Eigenständigkeit, mehr Freiheit können auch gleichzeitig eine höhere Motivation der Mitarbeiter mit sich führen – das Home Office könnte also für Motivationsschübe sorgen.
Einer Studie zufolge „steigen Zufriedenheit und Motivation bei ca. 2,5 Tagen Arbeit am Homeoffice pro Woche“ – bereits heute bieten deshalb „42,5 % aller Unternehmer mit mindestens zehn Mitarbeitern zumindest einzelnen Mitarbeitern die Gelegenheit, zu Hause zu arbeiten. In Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern im Bürobereich beschäftigen sogar 57,3 % Homeworker (bso 2012)“.
Dennoch bleibt anzumerken, dass das Homeoffice bezüglich einer intrinsischen Motivationssteigerung auch in vielerlei Hinsicht überschätzt werden kann. Eigenständiges Arbeiten ohne festen Rhythmus und sozialem Umfeld kann Arbeitnehmer schnell vor große Hürden stellen und gar demotiverend sein. So nimmt die Motivation der Mitarbeiter im Durchschnitt ab 3 Tagen Homeoffice wieder ab.
Ein neues Arbeitsplatz-Konzept muss sich also dem kulturellen Wandel anpassen – und das Büro von morgen muss schon heute dem Wandel der Gesellschaft folgen, sich integrativ mit dem Homeoffice vereinbaren lassen und auf die Wertevorstellungen von Mitarbeitern eingehen. Das Büro als Arbeitsplatz behält aber weiterhin eine wichtige Rolle im Arbeitsleben; das Homeoffice und mobile Arbeit können den Ansprüchen der Arbeitswelt nicht vollkommen entsprechen: „Der Medienhype um Home-Office-Lösungen, Videokonferenzen und den mobilen Arbeitsplatz an sich – der überhaupt keine fixen Büroräumlichkeiten mehr benötigt – scheint abgeflaut.“
Der Stellenwert des Büros
1. Soziale Aufgabe
Viele Studien ergaben, dass alternierende Formen zwischen reiner Bürozeit beziehungsweise Vollzeit-Homework als am effizientesten eingeschätzt werden und auf große Unterstützung treffen. Bei einer Befragung zeigte sich, dass das Home-Office am häufigsten auf flexible Weise mit Arbeitszeiten im Unternehmen geteilt wird. Denn dem Büro kommt insbesondere in der Zukunft die wichtige Funktion als sozialer, arbeitsweltlicher Mittelpunkt zu, der für eine gemeinschaftliche Unternehmenskultur essentiell ist.
Für Frank Kohl-Boas, Lead HR-Business Partner von Google Deutschland, ist das Büro zukünftig ein „Ort der Begegnung, des Austausches von Ideen und integraler Bestandteil der physischen und virtuellen Arbeitswelt. Und ganz wichtig: Ein Ort der Identifikation mit dem Unternehmen“.
Mitarbeiter sollen sich formell und informell austauschen können sowie auch eine gemeinsame Werteorientierung gestalten. Der Arbeitsplatz und die Büros an sich verlieren ihren hierarchisch konnotierten Stellenwert – es geht nicht um ein Zuweisen von Plätzen, Rangordnungen und Chefsesseln; sondern darum, sich gemeinsam als Unternehmen weiterzuentwickeln, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu inspirieren.
2. Funktionale Aufgabe
Dieser Aspekt lässt sich mit dem Ausdruck eines „emotionalen Switch in den Arbeitsmodus“ beschreiben. Mit dem Wandel der Arbeitskultur soll das Büro als lokaler und temporärer Treffpunkt vor allem zu mehr Arbeitsmotivation und Effektivität führen, und ein ansprechendes Ambiente für Gruppenarbeit und Dynamik, Arbeitsdisziplin und Selbstverantwortung bieten.
Besonders sollte bei dem Stellenwert des Büros insofern berücksichtigt werden, dass seine Ausgestaltung maßgeblich zu einer produktiveren Arbeitsatmosphäre als beim Homeoffice beitragen kann – Leistungsfähigkeit und Motivation können mit der richtigen Gestaltung des Arbeitsplatzes gesteigert werden.
Dieser Unterscheid bildete sich vor allem auf einer emotionalen Ebene ab. Denn technologische und infrastrukturelle Qualitäten bietet das Homeoffice heute genauso wie der Arbeitsplatz im Unternehmen. Software-Zugang findet man über die Cloud und Kommunikation ist online möglich. Doch der Arbeitsplatz kann durch eine stimulierende Atmosphäre und vor allem architektonisch ausgeklügelte Räume einen Effekt erzielen, der nicht unterschätzt werden darf.
„Die Koppelung funktionaler Tätigkeiten mit einem assoziativ damit verbundenen oder archetypischen Ambiente könnte das Büro in einen idealen Arbeitsort verwandeln.“ Mit dem Betreten des Arbeitsplatzes werden Mitarbeiter in einen Arbeitsmodus versetzt, sind offener für Wissensaufnahme und orientieren sich in ihrer Arbeitshaltung an den gebotenen Gelegenheitsstrukturen des Arbeitsplatzes. Das Design und die Raumgestaltung werden also im Büro der Zukunft zu inspirationsfördernden Faktoren.
Beispielsweise kann eine außergewöhnliche und kontrastreiche Gestaltung der Arbeitsplätze zum Querdenken anregen. Grüner Rasenteppich oder von der Wand hängende Bierkrüge – darauf setzt beispielsweise die Unternehmensberatung Detecon in ihrem Hauptquartier in Köln. Kunst dient hier nicht zur Verschönerung der Räume oder wird gar aus ästhetischen Gründen eingesetzt – Deko und Design arbeiten funktionell als kommunikationsstiftende und stimulierende Mechanismen.
Konzepte für ein mögliches Büro der Zukunft
Als Unternehmer stehen Sie vor einer großen Auswahl von Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitsplätze und Arbeitsräume und eines innovativen Weges in die Zukunft. Einige mögliche Konzeptideen und Anreize für kreative Ideen werden durch bereits bestehende Projekte, Initiativen und Studien repräsentiert:
Das Open Space Office
Am Arbeitsplatz der Zukunft stehen Flexibilität, freiere Kommunikation und Austausch im Mittelpunkt. Das „Open Space Office“ beispielsweise – als non-territoriales Arbeitsmodell – kann sich direkt an die Bedürfnisse der Mitarbeiter wenden und sich an der Verhaltenslogik des Personals orientieren.
Einzelraumbüros werden durch großzügigere, offene Arbeitsräume ersetzt und bieten mehr Anreiz und auch Möglichkeiten für Transparenz und direkte Zusammenarbeit. Daneben entstehen beispielsweise kleinere Räume, in denen konzentriertes Arbeiten möglich ist, während Gemeinschaftsräume das aktive Miteinander fördern.
Das Besondere: Die Räume und Arbeitsplätze sind dem Personal nicht direkt zugeteilt und dürfen nach dem jeweiligen Bedürfnis frei gewählt werden. Dieses neue Konzept wurde bereits unter dem Stichwort „Desk-Sharing“ bekannt.
Das Arbeitsmodell im Credit-Suisse-Neubau stellt im Spezifischen verschiedene Funktionszonen vor, die sich nach dem Konzept des Smart Working orientieren und entsprechend dieser Initiative die Unabhängigkeit des Personals fördern.
Auch das Frauenhofer Institut IAO stellt in ihrem Jahresbericht 2012 eines ihrer erfolgreichen Projekte vor, das „inet Future Office“ in Dornbirn.
Dieses zeichnet sich durch ein höchst flexibles Raum- und Arbeitsplatzkonzept aus. Es erlaubt insbesondere einen schnellen Wechsel zwischen kommunikationsintensiver Teamarbeit und dem Rückzug für konzentriertes Arbeiten.
Auf Grundlage einer Analyse von Arbeitsverhalten, Motivation und Anforderungen unterschiedlicher Abteilungen und einer Projektion dieser in die Zukunft wurde ein komplexes Konzept erarbeitet, das sich spezifisch an die Bedürfnisse des Unternehmens und seiner Mitarbeiter wendet. Auch hier stehen Flexibilität, Dynamik und die Teamarbeit im Vordergrund.
Das Büro dient außerdem zur selben Zeit nicht nur als Vorzeigeprojekt, sondern ist auch gleichzeitig eine Art Versuchslabor: Die Mitarbeiter analysieren ihr eigenes Verhalten während ihrer Arbeitszeiten in den neuen Arbeitsräumen, um studienrelevante Ergebnisse für Verbesserungsvorschläge an dem Konzept des „Future Office“ zu erarbeiten.
Green Office
Eine weitere Initiative des Frauenhofer Instituts (IAO) beschäftigt sich mit der ressourcenschonenden Arbeitsweise in den neuen Büros der Zukunft. Es geht vor allem um eine umweltgerechtere Gestaltung der Büroarbeit, der Arbeitsplätze sowie der Büroinfrastruktur. Nach der Studie des IAO mit Kyocera Document Solutions zeigt sich der Trend bis 2017, der eine 90 % Übereinstimmung im Wunsch der Nachhaltigkeit voraussagt.
Laut IAO stehen dabei folgende Schwerpunkte im Vordergrund:
- Green IT – Einsatz energieeffizienter und umweltfreundlicher Informations- und Kommunikationstechnologien
- Green Building – Umweltgerechte Gebäude, Möblierung und Innenausstattung
- Green Behaviour – Umweltfreundliches Nutzerverhalten
Wie ein erfolgreiches, ressourcenschonendes Projekt auch umgesetzt werden kann, präsentierte Dr. Reinhard Höhn von der IBM im Jahre 2010 auf der Cebit im Rahmen der „Energieeffizienz durch moderne Büroumgebung“. In den Jahren 2002 bis 2006 konnten demnach in den IBM Standorten Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht nur CO2 Emissionen, sondern auch der Energieverbrauch bei gestiegener Mitarbeiterzahl um 42 % gesenkt werden.
Coworking-Prinzip
Dieses alternative Konzept wendet sich insbesondere an junge Start-Up Unternehmer oder Existenzgründer, Freiberufler und Selbstständige, die ihr eigenes Unternehmen mit niedrigem Budget auf die Beine stellen wollen – und natürlich an all diejenigen, die auf den täglichen Motivationsschub, auf Inspiration und Profit durch einen Arbeitsplatz im sozialen Umfeld setzen. Um den emotionalen Switch ins Arbeitsleben täglich aufs Neue aktivieren zu können, besteht die Möglichkeit, sich in geteilte Büros frei einzumieten – für Tage, Wochen, Monate.
Die Coworking Spaces warten mit allen technologischen und infrastrukturellen Grundlagen auf, die ein Büro benötigt. Manche Arbeitsplätze können in diesen Projekten fest vergeben sein, andere werden immer wieder durchgemischt, um verschiedene Kontakte zu ermöglichen.
Vor allem dieser auf Austausch, Flexibilität und sozialen Kontakten basierende Ansatz kann es ermöglichen, kreativen und innovativen Neuzugang für das eigene Projekt zu gewinnen oder einfach von inspirierenden Ideen anderer zu profitieren. Hierfür werden in den Coworking-Spaces beispielsweise regelmäßig Workshops oder Vorträge von Coworkern für Coworker angeboten. Gerade wer als Unternehmer innovative Fachkräfte sucht, kann auch explizit auf die Rekrutierung von neuen Mitarbeitern in diesen Coworking-Spaces setzen und einige Angestellte zwecks Talentsuche in diese offenen Büros einmieten.
Am meisten durchgesetzt hat sich dieses Konzept bisher in den USA und insbesondere auch in Europa. Von 2012 bis 2013 wuchs weltweit die Anzahl der Coworking-Spaces um unglaubliche 100 %, so der Global Coworking Census 2013. Mehr als 1.000 Plätze beziehen sich auf Europa.
Adaptive Rolle des Büros für die Zukunft
„Büros werden bleiben, doch sie werden sich radikal verändern“, so Michael Barth, Manager bei Regus GmbH & Co. KG. Trotz Homeoffice-Hype und Technologisierung setzt es sich durch; wird zum sozialen Raum des Austausches und gleichzeitig instrumentalisiert zur Stimulierung von Arbeitsmotivation, Dynamik und Disziplin: Das Büro der Zukunft als Multitalent und Zeuge von Gestaltungsfreiheit und Innovation.
Jedes Unternehmen wird in diesem neuen Work Order, dieser neuen Unternehmenskultur, wohl seinen eignen Weg gehen. Zukunftsweisende Projekte mit außerordentlichem Innovationscharakter bieten jedenfalls bereits heute Orientierungschancen, generieren Inspiration und können Vorbilderfunktionen übernehmen.
Quellen
Das Büro im Wandel via work.eetiquette.de
Kreatives Arbeiten: Kreative Bürokonzepte via konstruktion.de
Das Kollegen-Kaleidoskop: Coworking als alternatives Arbeitskonzept via social-startups.de
IAO: Das Büro von morgen wird umweltgerechter via iao.frauenhofer.de
IAO: Jahresbericht 2012 via iao.frauenhofer.der
Hightech-Strategie: Das Büro von morgen via bundesregierung.de
Ibso, Trendbüro, orgatec: New Work Order via buero-forum.de
Studie: Wandel von Arbeit und Büro via report.at
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