
Raus aus den Federn. Nicht ganz einfach mit einem sozialen Jetlag. Foto: Whoever.she.is/jugendfotos.de
Den Begriff Jetlag kennt man eigentlich von Langstreckenflügen. Hier wird die innere Uhr durch die Zeitverschiebung ordentlich durcheinander gebracht. Doch auch im normalen Leben tritt dieses Phänomen immer häufiger auf. Das Problem ist klar: Der Tag hat nur 24 Stunden. Da bleibt manchmal zu wenig Zeit, um all seinen Verpflichtungen nachzukommen. Wer das trotzdem möchte, muss irgendwo sparen. Am einfachsten geht das bei Schlaf.
Schlafmangel – ein Massenphänomen
Die Folgen können jedoch die gleichen wie bei einem normalen Jetlag sein: Müdigkeit, Niedergeschlagenheit und Unwohlsein – und das, ohne jemals die Zeitzone verlassen zu haben. Die biologische Uhr befindet sich im Kampf mit der sozialen Uhr. Während der Körper eigentlich schlafen will, ist auf der sozialen Uhr noch Zeit, um etwas zu unternehmen. Durch Facebook und diverse andere Ablenkungsmöglichkeiten im Internet wird das Phänomen noch verstärkt.
Dass dieser soziale Jetlag zu einem echten Problem werden kann, hat Till Roenneberg, Professor am Zentrum für Chronobiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, schon 2006 in einer Studie herausgefunden. „Wir schätzen, dass bis zu 80 Prozent der Populationen in den westlichen Ländern unter einer Diskrepanz zwischen der inneren Uhr und den Anforderungen aus frühem Schulbeginn, Arbeit und auch Freizeitstress leiden“, so Roenneberg.
Schlaf ist die bessere Zigarette
Doch nicht nur mit Müdigkeit und Unausgeglichenheit macht sich das Schlafdefizit bemerkbar. Es kann auch konkrete körperliche Folgen haben: Übergewicht und Fettleibigkeit. Denn wessen innere Uhr gestört ist, der isst zu viel, hat ständig Heißhunger.
Außerdem ist der Versuch naheliegend, sich bei Schlafmangel künstlich wachzuhalten. „Je stärker der soziale Jetlag, desto mehr greifen Individuen nach Stimulanzien“, sagt Roenneberg. Konkret sind das meist Zigaretten, Kaffee oder Alkohol. „Nikotin-, aber auch Alkoholgenuss deuten oft auf Schwierigkeiten hin, mit sozialen Anforderungen fertig zu werden“, so der Forscher. „Das hat uns zu der Hypothese geführt, dass Schlafprobleme und Nikotinkonsum vor allem dann auftreten, wenn der innere Schlaf-Wach-Rhythmus nicht mit den gesellschaftlichen Zeitplänen übereinstimmt.“ Betroffen sind alle Berufsgruppen – von Schülern bis hin zu Managern.
„Die Gesellschaft muss sich ändern“
Die Frage ist also: Wie kann man dem entgehen? Roenneberg schlägt unter anderem vor, die Schulzeiten anzupassen. „Aber auch flexible Arbeitszeiten für Erwachsene wären nötig, damit diese eher ihrer inneren Uhr folgen können. Wahrscheinlich ließen sich der soziale Jetlag und seine gesundheitsschädlichen Folgen aber nur durch weitgreifende Änderungen in der gesellschaftlichen Organisation vermeiden.“
Seinen eigenen sozialen Jetlag kann man ganz einfach berechnen. Man nimmt die Zahl der Schlafstunden an einem Uni-Tag und zieht die Zahl der Schlafstunden an einem freien Tag ab. Wer unter der Woche sechs Stunden schläft und am Wochenende zehn, der hat also einen Social Jetlag von vier Stunden.
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