Für jedes Kind gilt die Devise: Aus Schaden klug werden! Dass Anspruch und Wirklichkeit mitunter sehr weit auseinanderliegen, zeigen diese 3 lehrreichen und unterhaltsamen Fälle des Schadensersatzrechts. Wie würden Sie als Richter/in entscheiden?
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Fall 1: Wenn zu viel Chlor im Pool das Fass zum Überlaufen bringt

Sommer, Sonne und ein erfrischender Pool im Hotel. Diesen Traumurlaub erlebte in den 90’er Jahren eine Mutter mit ihrer Tochter. Sie buchte über einen Reiseveranstalter ein Doppelzimmer mit Halbpension für 3016 DM. Gut gelaunt am Ziel auf Mallorca angekommen, freuten sich die beiden schon auf den Pool…

Voller Freude badete die Tochter im Pool. Als sie wieder rauskam, mussten sie und die anwesenden Hotelgäste mit Schrecken feststellen, dass ihr ursprünglich blondes Haar grün geworden war. Nur die unbeliebte Badekappe hätte das verhindern können. Aber vielleicht würden die grünen Haare in der im Prospekt versprochenen Diskothek gut zur Geltung kommen. Lange suchten Mutter und Tochter im Hotel nach der Diskothek. Sie fanden sie nicht.

Ganze 9 Tage ertrugen Mutter und Tochter das Hotel ohne Poolgenuss und Partymusik, ehe sie in ein anderes Hotel im Ort umzogen. Nach 6 Tagen flogen sie zurück nach Deutschland, wo die Mutter kurzerhand den Reiseveranstalter verklagte. Die Haare der Tochter konnte ein Friseur übrigens nur aufwändig wiederherstellen. Die „Restauration“ kostete stolze 660 DM.

Vor dem Amtsgericht in Bad Homburg forderte die Mutter:

  • 1236,40 DM als Minderung für die fehlende Diskothek und für viel zu lange Wartezeiten am Buffet im zweiten Hotel
  • 660 DM Schadensersatz und 300 DM Schmerzensgeld wegen ungewollt verfärbter Haare
  • weitere unstrittige 40 DM als Ersatz für Telefonkosten aufgrund fehlerhafter Flugtickets

Der Richter stand vor der Frage, wie die vorgebrachten Vorwürfe zu werten seien. Im Verlaufe des Prozesses wurde bewiesen, dass das Poolwasser zu viel Chlor enthielt, weshalb sich die Haare grün verfärbten. Außerdem stellte sich heraus, dass der Reiseveranstalter keine Diskothek im Hotel versprochen hatte.  Der Hotelumzug wurde im Ganzen zum Tagesreisepreis bewertet.

Was glauben Sie, wie viel Schadensersatz wurde der Mutter zugesprochen?

Die Lösung finden Sie am Ende des Beitrags.

Fall 2: Frau Stewardess, mich stört der schwerhörige Schnarcher! Können Sie den nicht irgendwie abschalten?

Die rein englischsprachige Flugbegleiterin der South African Airline konnte die nur deutsch sprechende Frau leider nicht verstehen, als sie sich auf dem Rückflug von Johannesburg nach Deutschland über ihren fremden Zwangsnachbarn – einem schwerhörigen Schnarcher – beschwerte.

So musste die Dame leider den gesamten Rückflug neben dem Schnarcher verbringen und konnte kein Auge zumachen. Auch das Filmprogramm konnte sie nicht nutzen, da es nicht in Deutsch, sondern in Englisch gezeigt wurde. Leider verstand die Dame nur Deutsch.

Dabei hatte sie zusammen mit ihrem Reisebegleiter doch extra Business Class gebucht. Damit verband das Pärchen die Vorstellung, dass

  • man selbstverständlich ungestört schlafen könne,
  • man keine Platzangst bekomme,
  • Sitze sich in Liegestellung bringen lassen und
  • ein ansprechendes Filmprogramm in deutscher Sprache gegeben ist, was u.a. heißt, dass jeder Gast der Business Class einen eigenen Monitor bekommt.

Am besten seien diese Vorstellungen bei der Lufthansa umgesetzt. Daher buchte das Reisepaar auch eine Pauschalflugreise mit Lufthansa/South African Airways oder British Airways nach Kapstadt und zurück. Außerdem verband sie mit der Buchung den ausdrücklichen Wunsch ohne Zwischenlandungen zum Urlaubsland hin und zurück zu fliegen.

Aufgrund der negativen Erfahrungen des Rückflugs verklagte die Dame den Reiseveranstalter auf insgesamt 3588,60 DM nebst 4% Zinsen. Zu Recht?

Denken Sie, dass die Frau nach Darstellung des Falls gute Aussichten auf Schadensersatz hat?

Die Lösung finden Sie am Beitragsende

Fall 3: Verrückter Mann, wehrlose Frau

In Gaststätten geht es manchmal schon ziemlich bunt zu. Was sich jedoch in einer Gaststätte bei Gelsenkirchen zugetragen hat, toppt wirklich alles.

Zu fortgeschrittener Stunde begleitet von Bier, Wein und Alkohol verschüttete ein Mann versehentlich ein Getränk über die Füße der Kellnerin. Angeheitert, aber nicht betrunken, unterbreitete er ihr ein seltenes (oder seltsames) Angebot: Er würde die Füße mit seiner Zunge reinigen.

Die Kellnerin fand das amüsant und nahm die Offerte an.

Der Mann nahm ihren Fuß in die Hand und fing auch tatsächlich an, den Fuß abzulecken. Auf dem erotischen Höhepunkt der Szenerie konnte der Mann aber seinem Verlangen nicht wiederstehen und biss ihr kräftig in den Zeh.

Daraufhin war in der Gaststätte nicht nur ein fürchterlich lauter Schrei zu vernehmen, sondern Blut tropfte auf den Boden, wie ein Zeuge glaubhaft berichtete. Die Frau musste sich für 10 Tage krankschreiben lassen und konnte anfänglich nur in Badelatschen gehen, weil die Wunde sich entzündet hatte.

Der Richter monierte trocken das Verhalten des Mannes. Die Klägerin habe den Zeh nur zur Reinigung der Zunge des Mannes überlassen, nicht jedoch, um sie zu verletzen. Er sprach ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 400 € zu.

Man könnte meinen, das Schmerzensgeld sei nicht sehr niedrig in diesem Fall. Warum könnte die Höhe dennoch angemessen und ausreichend sein?

Die Lösung befindet sich am Ende des Beitrags.






Lösung zum 1. Fall

Der Mutter wurden vom Gericht 542,66 DM Schadensersatz zugesprochen. Der Richter wertete das zu stark gechlorte Poolwasser mit lediglich 10% des Reisepreises (3016 * 10% = 301,60 DM). Schmerzensgeld wurden Mutter und Tochter nicht zugesprochen. Als Begründung wurde angeführt, dass durch das Nicht-Tragen einer Badekappe die Klägerin eine Mitschuld trifft. Hinzu kommt der Umstand, dass junge Frauen ihr Haar häufig in schillernden Farben färben lassen.

Weiterhin wurde der Hotelumzug zum Tagesreisepreis bewertet (3016 DM / 15 Tage = 201,06 DM). Unter Berücksichtigung der unstrittigen 40 DM als Telefonkostenersatz für fehlerhafte Flugtickets kommt das Gericht auf die 542,66 DM (= 301,60 DM + 201,06 DM + 40 DM) Schadensersatz.

Lösung zum 2. Fall

Das Frankfurter Amtsgericht wies die Klage wegen mangelnder Substantiierung – übrigens ein Lieblingswort des beklagten Reiseveranstalters – ab.  Sie war nicht begründet. Aus der Reiseausschreibung geht nicht hervor, dass ein Non-Stop-Flug, geschweige denn ein Flug mit Lufthansa, versprochen wurde.

Die angeführten Reisemängel sind als Unannehmlichkeiten zu interpretieren. Schnarchen ist ein klassenunabhängiges Phänomen, das auch in der Business Class vorkommen kann. Ansprüche auf einen eigenen Monitor und auf einen Film in deutscher Sprache bestehen aufgrund der Reiseausschreibung nicht. Das Gericht folgt somit der Argumentation des beklagten Reiseveranstalters und wies die Vorwürfe als unbegründet zurück.

Wer einen Flug mit diesem Komfort wünscht, der schließe doch exakt einen solchen Vertrag, aus dem eine solche Leistung geschuldet wird oder kaufe sich besser gleich ein Privatflugzeug!

Lösung zum 3. Fall

Bei aller Skurrilität des Vorfalls, stellt sich dem Richter zunächst die Frage, welcher Schaden entstanden ist. In diesem Fall liegt ein objektiver Schaden durch das ärztliche Attest vor, welches eine notwendige Krankschreibung für 10 Tage nachweist. Aus diesem Umstand heraus begründet der Richter das Schmerzensgeld.

Ein weiterer Schaden, wie zum Beispiel eine Zehnagel-OP, ist jedoch nicht entstanden. Aus der Fallbeschreibung geht auch nicht hervor, dass die Frau gewaltsam gezwungen wurde, sondern sie tat es aus freien Stücken. Dass der Mann über die Grenzen des Erlaubten gehen würde, war für die Frau nicht zu erwarten. Daher kann lediglich der Biss in den Zeh als Vergehen geahndet werden.

Die Höhe des Schmerzensgeldes ist jedoch nicht an einen objektiven Schaden gekoppelt, sondern liegt hier im Ermessen des Gerichts.

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