
Bild: “Endurance” von Simon Blackley. Lizenz: CC BY 2.0
Das Versäumnisurteil gegen den Beklagten, geregelt in den §§ 331 ff. ZPO, wird von den Studenten in der Examensvorbereitung oft eher stiefmütterlich behandelt. Dabei sind die Voraussetzungen für ein erstes Versäumnisurteil sowie seine Folgen gar nicht so kompliziert, wie es auf den ersten Blick scheint. Wichtig ist, das Ganze einmal zu durchdenken.
Voraussetzungen für ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten
1. Antrag des Klägers
Erste Voraussetzung ist, dass der Kläger einen Antrag (Prozessantrag) stellt, § 331 I ZPO. Nur dann wird der Richter bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ein Versäumnisurteil aussprechen.
2. Kein Erlasshindernis, § 335 ZPO
Dem Versäumnisurteil dürfen dabei keine Hindernisse im Sinne des § 335 ZPO entgegen stehen. Insbesondere muss der Beklagte ordnungsgemäß geladen geworden sein, § 335 I Nr.2 ZPO.
3. Säumnis des Beklagten
Schließlich muss der Beklagte zum Termin der mündlichen Verhandlung säumig sein. Dies kann sich zum Einen daraus ergeben, dass er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zum Gerichtstermin erscheint. Weiterhin wird als Säumnis ebenfalls behandelt, wenn die Partei zwar erscheint, jedoch nicht verhandelt, vgl. § 333 ZPO.
Unter „nicht verhandeln“ im Sinne des § 333 ZPO fällt dabei auch, wenn die Partei trotz Anwaltszwang (Anwaltszwang besteht vor dem Landgericht) ohne Anwalt erscheint. Denn wenn Anwaltszwang besteht, kann die Partei selbst keine Anträge in der mündlichen Verhandlung stellen und damit faktisch auch nicht verhandeln.
4. Zulässige und Schlüssige Klage
Schließlich kann ein Versäumnisurteil nur dann ergehen, wenn die Klage zulässig und „schlüssig“ ist.
a. Zulässigkeit
Die Klage muss in jedem Falle zulässig sein. Ist sie unzulässig, so ergeht kein Versäumnisurteil, sondern ein „normales“ Prozessurteil gegen den Beklagten. Dieses wird auch „unechtes Versäumnisurteil“ genannt. Dieses löst nicht die besonderen Folgen auf Rechtsmittelseite wie das echte Versäumnisurteil aus.
b. Schlüssigkeit, § 331 II ZPO
Die Klage muss zudem schlüssig (nicht begründet!) sein. Um sich einzuprägen, was Schküssigkeit bedeutet, ist es am sinnvollsten, sich den Wortlaut des § 331 I, II ZPO noch einmal vor Augen zu führen:
„(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. (…)
(2) Soweit es den Klageantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.“
Die Zusammenschau aus § 331 I 1 und II ZPO zeigt, dass Schlüssigkeit dann vorliegt, wenn nach dem mündlichen Tatsachenvortrag des Klägers ein Schluss auf die begehrte Rechtsfolge/den begehrten Anspruch möglich ist.
Ist die Klage unschlüssig, so ergeht ein streitiges Endurteil, das ebenfalls „unechtes Versäumnisurteil“ genannt wird.
Die Folgen eines Versäumnisurteils
So weit, so gut. Für das Staatsexamen ist aber nicht allein das (erste) Versäumnisurteil interessant, sondern insbesondere der damit verbundene, spezielle Rechtsbehelf des Einspruchs und dessen Folgen.
1. Der Einspruch, § 338 ZPO
Gegen ein Versäumnisurteil steht dem Beklagten als Rechtsbehelf der Einspruch zu (und nur der!). Der Einspruch ist binnen zwei Wochen zu erheben, § 339 I ZPO.
2. Die Folgen des Einspruchs
Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess gem. § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt, die er vor dem ergangenen Versäumnisurteil hatte. Dies bedeutet, dass wieder die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage zu prüfen sind, der Beklagte kann mit einem zulässigen Einspruch also die Wirkungen des echten Versäumnisurteils gewissermaßen „umgehen“.
Ist die Klage – entgegen dem Versäumnisurteil – zulässig, aber unbegründet, so ergeht ein Endurteil, wodurch gleichzeitig das Versäumnisurteil aufgehoben wird. Ist die Klage hingegen zulässig und begründet, so wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten, § 343 ZPO.
3. Die Einkleidung in eine Klausur
In einer (Examens-)klausur wird der Fall typischerweise in den Einspruch des Beklagten gegen das ergangene Versäumnisurteil eingekleidet sein. Es wäre dann wie folgt zu prüfen:
- Zulässigkeit des Einspruchs
- Standhaftigkeit des Einspruchs, § 338 ZPO
- Form und Frist, §§ 339, 340 ZPO
- Wirkung des zulässigen Einspruchs (hier von „Begründetheit“ zu sprechen, ist quasi eine Todsünde!)
- Zulässigkeit der Klage
- Begründetheit der Klage
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