Ersatzfähigkeit von Abschleppkosten [BGH Urt. v. 04.07.2014 – V ZR 229/13]

Ersatzfähigkeit von Abschleppkosten [BGH Urt. v. 04.07.2014 – V ZR 229/13]

Vor Kurzem hatte auch der BGH über die Ersatzfähigkeit von Abschleppkosten zu entscheiden. Da sich Abschleppkosten sich nicht nur in verwaltungsrechtlichen Klausuren, sondern immer wieder auch in solchen des Zivilrechts wiederfinden, lohnt sich ein Blick auf dieses BGH-Urteil.
Ersatzfähigkeit von Abschleppkosten
Lecturio Redaktion

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21.02.2024

Inhalt

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I. Der Sachverhalt

Kläger A hatte sein Fahrzeug unberechtigt auf dem Kundenparkplatz des Fitnessstudios von C abgestellt. Beklagter B war aufgrund eines Rahmenvertrags mit C damit beauftragt worden, unbefugt parkende Fahrzeuge vom Grundstück des C zu entfernen. Hierfür war im Rahmenvertrag ein Pauschalbetrag von 250 Euro vereinbart. C hatte die aus dem unberechtigten Parken herrührenden Ersatzansprüchen an B abgetreten.

B schleppte das Fahrzeug des A ab und brachte es an einen anderen Ort. Der genaue Standort seines Autos wurde dem A erst nach Teilzahlung von 100 Euro und späterer Hinterlegung von weiteren 197 Euro mitgeteilt. Vor Zahlung der 100 Euro beauftragte A keinen Rechtsanwalt. A hielt nun den von B geforderten Betrag für zu hoch und verlangte von B Zustimmung zur Auszahlung der hinterlegten 197 Euro.

II. Das Problem

Abschleppen im Privatrecht ist ein immer wiederkehrendes Thema. Bei der Ersatzfähigkeit der Abschleppkosten ist zunächst zu beachten, dass Ansprüche aus der Störung selbst nur dem Besitzer zustehen, nicht dem Abschleppunternehmer. Deshalb wird in der Regel eine Abtretung (§ 398 BGB) stattgefunden haben. Problematisch ist zudem, inwiefern die Kosten kausal auf der Störung durch den Falschparker beruhen und diesem damit zurechenbar sind.

III. Die Entscheidung des BGH

Zum Nachlesen: BGH Urt. v. 04.07.2014 – V ZR 229/13

1. Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB

In Höhe der zu viel gezahlten Abschleppkosten könnte dem A gegen B ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zustehen. Dafür müsste B etwas durch Leistung des A und ohne Rechtsgrund erlangt haben. Ein Rechtsgrund läge vor, wenn B einen Anspruch auf das Geld hat. B selbst hat als Abschleppunternehmer gegen den A keinen Anspruch, wohl aber könnte C wirksam seine Ansprüche gegen den A an B abgetreten haben, § 398 BGB. Es stellt sich damit also die Frage, ob C einen Anspruch gegen den Falschparker A hatte.

a. Rechtsgrund: Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 859 Abs. 1 BGB

Der BGH stellte auf den Anspruch des C gegen A aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 859 Abs. 1 BGB ab. Das unberechtigte Parken auf dem Kundenparkplatz ist eine Besitzstörung i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB. Dagegen hatte C das Recht zur Selbsthilfe aus § 859 Abs. 1 BGB, weshalb er das Auto abschleppen (lassen) durfte. A ist damit dem C zum Ersatz des daraus entstandenen Schaden verpflichtet.

b. Zwischenergebnis

Damit hatte Betreiber C einen Anspruch gegen A aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 859 Abs. 1 BGB, den er an den Abschleppunternehmer B abgetreten hatte.

c. Höhe des Anspruchs

Interessant an diesem BGH-Fall ist vor allem die Höhe des Anspruchs. Nach § 249 Abs. 1 BGB hat A im Rahmen der Ersatzpflicht den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Ersetzt werden müssen also alle mit dem Falschparken (= der verbotenen Eigenmacht) kausal zusammenhängenden Kosten, die noch im Schutzzweck der Norm liegen.

Dies sind nach Rechtsprechung des BGH nicht nur die Kosten für den Abschleppvorgang selbst, sondern auch die Kosten, die im Vorbereitungsstadium entstanden sind, etwa beim Ausfindigmachen des Falschparkers A. Nicht erstattungsfähig sind hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs. Bei diesen fehlt es am unmittelbaren Kausalzusammenhang zur Beseitigung der Störung.

Nach Klärung der Frage, welche Posten dem Grunde nach ersatzfähig sind, stellt sich die Frage nach der Höhe. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Schädiger A zum Ersatz des „erforderlichen“ Geldbetrages verpflichtet, d.h. A muss die Kosten nur insoweit tragen, als dass diese dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen. Er hat nur die Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch machen würde.

Mit anderen Worten: Wenn B beim Abschleppen besonders teuer und unwirtschaftlich handelt, ist das nicht As Problem. Maßstab für die Wirtschaftlichkeit sind dabei nicht die vereinbarten 250 Euro aus dem Rahmenvertrag zwischen B und C, sondern die ortsüblichen Abschleppkosten.

2. Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten

Neben dem bekannten Problem der Abschleppkosten beinhaltet dieser Fall noch einen weiteren Aspekt, der für Studierende interessant ist: die Ersatzfähigkeit der vorgerichtlichen Anwaltskosten des A.

Zur Erinnerung: A hat von B sein Auto erst nach Zahlung von 100 Euro und späterer Hinterlegung von 197 Euro bekommen. B machte damit sein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB geltend. A macht die vorgerichtlichen Anwaltskosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verzugs geltend, §§ 280 Abs. 2, 286 BGB.

Es stellt sich also die Frage, ob sich B zum Zeitpunkt des Entstehens der Kosten im Verzug befand. § 286 Abs. 1 BGB setzt einen fälligen, einredefreien Anspuch voraus. Solange A den Betrag aber noch nicht nach § 273 Abs. 3 BGB hinterlegt hatte, stand dem B mit dem Zurückbehaltungsrecht eine Einrede zu, sodass es sich nicht im Verzug befand. Aus demselben Grund verneinte der BGH auch einen Anspruch des A wegen Eigentumsverletzung aus § 823 Abs. 1 BGB.

IV. Relevanz fürs Studium

Abschleppkosten sind nicht nur im Verwaltungsrecht, sondern auch im Zivilrecht immer wieder beliebter Prüfungsstoff, weshalb das BGH-Urteil nicht unbekannt sein sollte. In einer Klausur dürften dann insbesondere die Ausführungen zur Kausalität des Schadens nicht zu kurz ausfallen. Zudem enthält das Urteil mit der Problematik „Einreden und Verzug“ ein wichtiges Zusatzproblem, das ebenfalls beherrscht werden sollte.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.