Die Belehrungspflicht, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO

Die Belehrungspflicht, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO

Ein wesentlicher Bestandteil des Ermittlungsverfahrens ist die Vernehmung des Beschuldigten (§ 136 StPO). Dabei stellen die Vorschriften der StPO über die Vernehmung des Beschuldigten (§ 136 StPO) einen der Grundpfeiler des rechtlichen Schutzes der Stellung des Beschuldigten als Verfahrenssubjekt dar. Eines der wohl häufigsten prozessualen Probleme in Examensklausuren ist dabei die unterbliebene oder fehlerhafte Belehrung im Rahmen der Vernehmung, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO.
Belehrungspflicht
Lecturio Redaktion

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26.02.2024

Inhalt

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I. Zweck der Belehrungspflicht

In § 136 Abs. 2 StPO wird durch den Gesetzgeber selbst festgeschrieben, dass die Vernehmung dem Beschuldigten die Gelegenheit geben soll, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

Die Beschuldigtenvernehmung (§ 136 StPO) dient damit in erster Linie der Verteidigung des Beschuldigten und der Sicherung seines in Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Darüber hinaus ist die Vernehmung (§ 136 StPO) ein wichtiger Teil zur Sachverhaltsaufklärung, welche regelmäßig nur durch die Beschuldigtenvernehmung (§ 136 StPO) möglich ist.

II. Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 StPO

1. Vernehmung eines Beschuldigten

§ 136 Abs. 1 StPO setzt zunächst voraus, dass es sich um die Vernehmung eines Beschuldigten handelt.

Eine Vernehmung liegt vor, wenn der Vernehmende dem Beschuldigten in amtlicher Eigenschaft gegenüber tritt und in dieser Eigenschaft von ihm Auskunft verlangt. Ob es sich um eine lediglich informatorische Befragung oder bereits um eine Vernehmung (§ 136 StPO) handelt, muss aufgrund des Einzelfalles entschieden werden.

Es ist umstritten, wann ein Tatverdächtiger in den Status des Beschuldigten eintritt. Nach h.M. ist eine Person als Beschuldigter im Sinne der StPO anzusehen, wenn ein Anfangsverdacht gegen diese Person besteht und die Ermittlungsbehörden diesen Tatverdacht zum Anlass nehmen, gegen die Person ein förmliches Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Vernehmung eines Beschuldigten
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2. Vorherige Belehrung

Des Weiteren ist der Beschuldigte gem. § 136 StPO vor seiner ersten Vernehmung über den Gegenstand des Verfahrens sowie seine Aussagefreiheit zu belehren. Die Einzelheiten regelt § 136 Abs. 1 StPO. Die Belehrung muss folgende Bestandteile enthalten:

  • die Eröffnung des Tatvorwurfs, § 136 Abs. 1 S. 1 StPO,
  • die Belehrung über die Aussagefreiheit, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO,
  • die Belehrung über das Recht zur Verteidigerkonsultation,§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO,
  • den Hinweis auf das Beweisantragsrecht,§ 136 Abs. 1 S. 3 StPO,
  • in geeigneten Fällen den Hinweis auf das Recht zur schriftlichen Äußerung,§ 136 Abs. 1 S. 4 StPO.

Merke: Schlägt die Befragung eines Zeugen in die Vernehmung eines Verdächtigen um und wird der Befragte mithin im Laufe der Vernehmung zum Beschuldigten, ist dieser entsprechend des § 136 Abs. 1 StPO zu belehren.

III. Fehlerhafte oder unterbliebene Belehrung

Wenn die Belehrung fehlerhaft erfolgt oder gänzlich unterbleibt, kann dies zu Verwertungsproblemen der in der Vernehmung (§ 136 StPO) erlangten Erkenntnisse und Beweise führen.

Ein beliebtes Problem sind dabei sog. „Spontanäußerungen“:

Beispiel: A erscheint von sich aus bei der Polizei und gibt an, etwas „gestehen“ zu müssen. Noch bevor der Beamte P die Gelegenheit hat, den A zu belehren, gesteht ihm dieser, einen Raub begangen zu haben. Im Verfahren wird der Beamte P als Zeuge vernommen und A aufgrund dieser Aussage verurteilt. In der Revision rügt A, seine gegenüber P gemachten Angaben hätten wegen eines Verstoßes gegen § 136 I 2 StPO nicht verwertet werden dürfen.

Wenn der Polizeibeamte den Beschuldigten vor der Befragung zur Sache ordnungsgemäß belehren, dieser aber von sich aus ein spontanes Geständnis (Spontanäußerung) ablegt, liegt kein Verstoß gegen das Belehrungsgebot vor. Dies lässt sich damit begründen, dass eine Vernehmung (und damit eine Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO) nur vorliegt, wenn der Vernehmende dem Beschuldigten in amtlicher Eigenschaft gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihm Auskunft verlangt.

Das Geständnis auf der Polizeiwache gegenüber P hat A aber im Rahmen einer Spontanäußerung und damit außerhalb einer Vernehmung (§ 136 StPO) gemacht. Es besteht Einigkeit, dass solche Spontanäußerungen durch eine Vernehmung (§ 136 StPO) des Beamten als Zeugen in das Verfahren nach §§ 48 ff. StPO uneingeschränkt eingeführt und verwertet werden können, da eine Beschuldigtenbelehrung faktisch unmöglich war.

IV. Folgen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht

Nach allgemeiner Ansicht führt ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus § 136 Abs. 1 S. 2 StPO grundsätzlich zu einem Beweisverwertungsverbot, da eine Verwertung der Beweise dem verfassungsrechtlich gesicherten Recht des Beschuldigten, sich nicht selbst belasten zu müssen (nemo-tenetur-Grundsatz), unvereinbar wäre. Die in der Vernehmung (§ 136 StPO) erlangten Kenntnisse und Beweise dürfen daher nicht in einem späteren Gerichtsverfahren verwendet werden.

Eine Ausnahme ist jedoch nach der sog. Widerspruchslösung des BGH zu machen: Demnach sind Fehler aus dem Ermittlungsverfahren, welche zu Beweisverwertungsverboten führen, in einem Revisionsverfahren nicht mehr rügbar, sobald in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung der anwaltlich vertretene Angeklagte nicht die Verwertbarkeit unmittelbar nach der jeweiligen Beweisaufnahme gerügt hat. Hintergrund hierfür ist, dass das erstinstanzliche Gericht grundsätzlich von einem fehlerfreien Ermittlungsverfahren ausgehen kann, wenn die Verteidigung dies nicht rügt.

Quellen

  • BGH, Urt. v. 21.07.1994 – 1 StR 83/94
  • Kuhn in  JA 2010, S. 891.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.