Strafrecht Basiswissen: Ungeschriebene Beweisverwertungsverbote

Strafrecht Basiswissen: Ungeschriebene Beweisverwertungsverbote

Die StPO kennt einige Beweisverwertungsverbote, so z. B. in §§ 100c Abs. 5, 136a Abs. 3 StPO. Daneben gibt es jedoch einige Beweisverwertungsverbote, die nicht als solche gesetzlich normiert sind. Die wichtigsten dieser ungeschriebenen Verbote solltest du kennen.
Ungeschriebene Beweisverwertungsverbote
Lecturio Redaktion

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20.02.2024

Inhalt

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I. Hintergrund

Prinzipiell gilt gem. § 261 StPO der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Die Grenze der freien richterlichen Beweiswürdigung sind die Beweisverbote. Beweisverbote lassen sich unterteilen in Beweiserhebungsverbote und Beweisverwertungsverbote. Im Strafprozessrecht existieren zahlreiche ungeschriebene Beweisverwertungsverbote, die auch nicht immer unumstritten sind. Diese ungeschriebenen Beweisverwertungsverbote lassen sich nochmal unterteilen in selbstständige und unselbstständige Verbote. Für Klausuren sind insbesondere letztere relevant. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote sind solche, die an ein (gesetzlich normiertes) Beweiserhebungsverbot anknüpfen. Ob ein ungeschriebenes Beweisverwertungsverbot vorliegt, wird nach unterschiedlichen Ansätzen bestimmt:

  • Abwägungslehre: danach liegt ein Verbot vor, wenn die verletzte Vorschrift ein Interesse des Beschuldigten schützt, das im Rahmen einer Abwägung gewichtiger ist als das staatliche Interesse an der Strafverfolgung.
  • Rechtskreistheorie: nach dieser Theorie liegt ein Verbot vor, wenn die verletzte Erhebungsvorschrift den Rechtskreis des Beschuldigten verletzt.
  • Schutzzwecktheorie: danach ist ein Verwertungsverbot gegeben, wenn der Schutzzweck der verletzten Verfahrensvorschrift dies gebietet.

II. Die wichtigsten ungeschriebenen Beweisverwertungsverbote

1. Verstoß gegen das Zeugnisverweigerungsrecht, § 52 Abs. 1, 2 StPO

§ 52 Abs. 1, 2 StPO gibt Angehörigen die Möglichkeit, ihre Aussage vollständig zu verweigern. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht dient der Wahrung des „familiären Friedens“. Die Verwertung eines Beweises, der unter Umgehung von § 52 Abs. 1, 2 StPO erlangt wurde, würde diesen Zweck so ziemlich zunichtemachen. Daraus resultiert grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot. Dieses entfällt jedoch dann, wenn der Zeuge seine Rechte gekannt hat und auch nach einer Belehrung ausgesagt hätte.

2. Verstoß gegen das Zeugnisverweigerungsrecht, §§ 53, 53a StPO

Nicht nur Angehörigen, sondern auch bestimmten Berufsträgern steht ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Dazu gehören gem. § 53 Abs. 1 Nr.3 StPO beispielsweise Anwälte. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht ist notwendig, weil sich diese Berufsgruppen ansonsten oftmals strafbar machen würden, wenn sie vor Gericht aussagen müssten. Natürlich könnte man denken, bei diesem Zeugnisverweigerungsrecht bestünde ebenso ein Beweisverwertungsverbot wie bei § 52 StPO. Einer Ansicht nach ist dies auch so, dies fordere schon allein die Einheit von materiellem (Straf-)Recht und prozessualem (Strafprozess-)Recht.

Einheit der Rechtsordnung bedeutet: Es soll nicht vor Gericht verwertet werden können, was offensichtlich gegen einen Straftatbestand des StGB verstößt.

Der BGH lehnt dies jedoch ab und lässt kein Beweisverwertungsverbot zu. Denn seiner Ansicht nach ist Schutzzweck der §§ 53, 53a StPO nicht der Schutz des Beschuldigten, sondern die Wahrung des besonderen Vertrauensverhältnisses zu solchen Berufsträgern. Nach der Schutzzwecktheorie liegt deshalb kein Beweisverwertungsverbot vor.

3. Auskunftsverweigerungsrecht, § 55 StPO

Nach § 55 StPO kann der Zeuge bei bestimmten Fragen die Aussage verweigern, wenn er sich ansonsten selbst belasten würde. Nach Ansicht des BGH liegt kein Beweisverwertungsverbot vor, weil die Norm nicht den Rechtskreis des Beschuldigten schützt, sondern nur den des befragten Zeugen.

4. Aussagefreiheit, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO

§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO gibt dem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern. Über dieses Recht muss er belehrt werden. Früher sah der BGH den § 136 Abs. 1 S. 2 StPO als bloße Ordnungsvorschrift, sodass aus einer unterbliebenen Belehrung kein Beweisverwertungsverbot resultierte. Inzwischen sieht der BGH darin ein Beweisverwertungsverbot. Begründet wird dies damit, dass vor allem bei der ersten Vernehmung die „Überrumpelungsgefahr“ besonders groß sei, und damit auch die Gefahr, dass der Beschuldigte sich versehentlich selbst belastet. Dies verstößt gegen den nemo-tenetur-Grundsatz.

5. Verlesungsverbot, § 252 StPO

§ 252 StPO bestimmt, dass die frühere Aussage eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Verweigerungsrecht Gebrauch macht, nicht verlesen werden darf. Nach h.M. ist dies nicht nur ein Verlesungsverbot, sondern ein umfassendes Beweisverwertungsverbot. Dies heißt insbesondere, dass auch keine Zeugenvernehmung vom Hörensagen möglich ist. Eine wichtige Ausnahme davon ist die Vernehmung des Ermittlungsrichters als Zeugen vom Hörensagen.

Voraussetzungen für eine Vernehmung des Ermittlungsrichters:
1) Das Zeugnisverweigerungsrecht bestand schon zum Zeitpunkt der Aussage.
2) Der Zeuge wurde damals ordnungsgemäß belehrt.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

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Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.