Die Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO

Die Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO

Die Zwangsvollstreckung richtet sich nur gegen das Vermögen des Schuldners. Werden Sachen Dritter gepfändet, müssen diese die Pfändung daher nicht hinnehmen. Ihnen steht eine besondere Klage zur Verfügung: die sogenannte Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO). Folgender Artikel erläutert die Voraussetzungen dieser Klageart.
Drittwiderspruchsklage
Lecturio Redaktion

·

23.02.2024

Inhalt

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I. Gewahrsam des Schuldners

Betreibt ein Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen des Schuldners, wäre er überfordert, wenn er zunächst feststellen müsste, ob die Sachen dem Vermögen des Schuldners zuzurechnen sind. Daher muss der Gerichtsvollzieher lediglich prüfen, ob der Gewahrsam des Schuldners vorliegt (§§ 808 Abs. 1, 809 ZPO)!

Liegt der Gewahrsam des Schuldners vor, erfolgt die Pfändung. Dabei können auch Sachen Dritter gepfändet werden. Eine derartige Pfändung ist wirksam und Grundlage für eine anschließende Versteigerung.

Es gibt jedoch eine Möglichkeit für die betroffenen Dritten, sich gegen die Beeinträchtigung ihres Rechts zu wehren: Die sogenannte Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO.

Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO
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II. Die Voraussetzungen des § 771 ZPO

Ziel der Drittwiderspruchsklage ist, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären und die Vollstreckbarkeit des Titels zu beseitigen. Der Dritte macht also geltend, dass eine gepfändete Sache nicht zum Schuldnervermögen gehört.

Die Klage hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

1. Zulässigkeit

a) Statthaftigkeit

Die Klage ist statthaft, wenn der Dritte materielle Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung erhebt. Der Dritte muss geltend machen, dass ihm ein der Zwangsvollstreckung entgegen stehendes Recht zusteht.

Dabei ist zu beachten, dass die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand bereits begonnen haben muss. Wurde die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme bereits vollständig durchgeführt, ist die Klage nicht mehr statthaft.

Tipp: Ein Überblick über die Rechtsbehelfe befindet sich in diesem Artikel.

b) Zuständigkeit

Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die ZVS erfolgt, §§ 771, 802 ZPO.

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem Streitwert, §§ 23, 71 GVG, (beachte: § 6 ZPO).

c) allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen

Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen sind die Postulationsfähigkeit (§ 78 ZPO), sowie die Partei- und Prozessfähigkeit (§§ 50, 51 ZPO). Zudem muss ordnungsgemäß Klage erhoben worden sein (§ 253 ZPO).

d) Rechtsschutzbedürfnis

Der Kläger muss ein Rechtsschutzinteresse haben. Das Rechtsschutzinteresse entfällt, sobald die Zwangsvollstreckung durch Auskehr des Erlöses, Zahlung des Drittschuldners oder Freigabe des gepfändeten Gegenstandes beendet ist.

Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO - Rechtsschutzbedürfnis
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2. Begründetheit

Die Klage ist begründet, wenn der Gläubiger mit der Vollstreckung widerrechtlich in den Rechtskreis des Dritten eingreift.

Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO - Begründetheit
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a) Veräußerung hinderndes Recht

Gemäß § 771 Abs. 1 ZPO muss dem Dritten ein “die Veräußerung hinderndes Recht” zustehen. Gemeint ist ein Recht, welches eine Veräußerung der Sache durch den Schuldner dem Dritten gegenüber rechtswidrig machen würde.

Als Drittrechte in Betracht kommen Rechte wie das Eigentum, Vorbehaltseigentum, Sicherungseigentum, Inhaberschaft an Rechten, uneigennützige Treuhand, beschränkte dingliche Rechte, berechtigter Besitz an beweglichen Sachen oder schuldrechtliche Herausgabeansprüche.

Besonders umstritten ist, ob dem Dritten der Weg über § 771 ZPO zusteht, wenn er Sicherungseigentümer ist. Dies ist problematisch, da hier die völlige Abwehr anderer Gläubiger durch die Klage aus § 771 ZPO nicht als zweifelsfrei gerechtfertigt erscheint.

  • Laut einer Ansicht soll das Sicherungseigentum nur das Pfandrecht ersetzen und daher muss über § 805 ZPO vorgegangen werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise müsse ein Sicherungseigentum so behandelt werden, wie ein besitzloses Pfandrecht. Eine Klage nach § 771 ZPO wäre damit nicht möglich.
  • Die herrschende Meinung bejaht hingegen ein Vorgehen nach § 771 ZPO. Das Sicherungseigentum sei ein vollwertiges Eigentum und materiell-rechtlich anerkannt. Würde dem Sicherungseigentümer aufgedrängt, die Sache über die Zwangsversteigerung zu verwerten, nähme man ihm die Möglichkeit, die Sache selbst zu verwerten [BGHZ, 12, 234].

b) Einwendungen des Beklagten

Der Beklagte kann Einwendungen gegen das die Veräußerung hindernde Recht vorbringen, zum anderen Verstöße gegen Treu und Glauben rügen.

In Frage kommt das Hervorbringen folgender Einwände:

  • das die Veräußerung hindernde Recht wurde durch Scheingeschäft (§ 117 BGB) erworben
  • die Übereignung ist nichtig wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB)
  • das die Veräußerung hindernde Recht ist durch anfechtbares Rechtsgeschäft entstanden (dann Einrede nach § 9 AnfG)
  • Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, wenn der Kläger materiell-rechtlich für die titulierte Forderung haftet (bsp.: Bürge, § 765 Abs. 1 BGB)
  • Einrede aus § 242 BGB, Kläger handelt rechtsmissbräuchlich (bsp.: Dritter würde für Titelforderung mithaften, § 1357 BGB)

3. Ergebnis

Wird der Klage stattgegeben, erklärt das stattgebende Urteil die Zwangsvollstreckung in diesen Gegenstand für unzulässig (§ 775 Nr. 1 ZPO). Es handelt sich um ein Gestaltungsurteil, § 771 ZPO ist eine prozessuale Gestaltungsklage.

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Quellen

  • Wolfgang Lüke, Zivilprozessrecht, 10. Auflage, München 2011.
  • Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 69. Auflage, München 2011.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

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Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.