Erweiterter Gutglaubensschutz im Handelsverkehr, § 366 HGB

Erweiterter Gutglaubensschutz im Handelsverkehr, § 366 HGB

Der Schutz des guten Glaubens durch §§ 932 ff. BGB ist ein zentraler Teil des Sachenrechts. Da dieser Schutz im Handelsrecht jedoch nicht ausreichend ist, wird er durch § 366 HGB erweitert. Der folgende Beitrag erläutert Aufbau, Prüfungsreihenfolge und Probleme dieser handelsrechtlichen Regelung.
Erweiterter Gutglaubensschutz im Handelsverkehr
Lecturio Redaktion

·

19.02.2024

Inhalt

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I. Allgemeines

Grundsätzlich verläuft der Eigentumserwerb so ab, dass  der Veräußerer Eigentümer der Sache und der Erwerber gemäß § 929 S. 1 BGB Eigentum an der Sache durch Einigung und Übergabe erlangt. Ist der Veräußerer hingegen nicht Eigentümer, so kann der Erwerber immer noch in derart Eigentum erwerben, dass der Veräußerer die Verfügungsbefugnis hat oder später erwirbt, § 185 BGB. Liegt ein solcher Fall auch nicht vor, besteht zuletzt die Erwerbsmöglichkeit kraft guten Glaubens gemäß §§ 929 S. 1, 932 I S. 1 BGB.

§ 932 BGB:

(1) […] es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. […]

(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

Darauf ergeben sich folgende Voraussetzungen für den Erwerb kraft guten Glaubens:

  1. Einigung und Übergabe gemäß § 929 S. 1 BGB
  2. Gutgläubigkeit bzgl. Eigentum des Veräußerers
  3. Kein Abhandenkommen, § 935 BGB

Merke: § 932 BGB schützt mithin nur den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers!

Tipp: Falls der gutgläubige Erwerb gemäß § 932 ff. BGB nicht mehr sitzt, lies hier!

Es gibt jedoch eine dahingehende Ausnahme gemäß § 366 HBG.

§ 366 Abs. 1 HGB lautet:

Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen, betrifft.

Wenn demnach ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörende Sache veräußert. Dem liegt zugrunde, dass Kaufleute häufig in eigenem Namen über fremde Sachen verfügen. Durch die Norm wird folglich der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis eines Kaufmannes geschützt.

Merke: § 366 Abs. 1 HGB schützt – als Ausnahme zu § 932 BGB – den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußeres!

II. Prüfungsschema

  1. Veräußerung/Verpfändung durch einen Kaufmann (bei Kommission genügt Kleingewerbetreibender gemäß § 383 Abs. 2 S. 2 HGB; Scheinkaufmann genügt nicht, da kein Schutz des Glaubens an Kaufmannseigenschaft)
  2. Verfügung über bewegliche Sache
  3. Im Betrieb eines Handelsgewerbes
  4. Guter Glaube bezüglich der Verfügungsbefugnis des Kaufmanns
  5. Kein Abhandenkommen der Sache gemäß § 935 BGB

II. Umstrittene Fragen bezüglich § 366 HGB

1. Anwendung hinsichtlich des guten Glaubens an die Vertretungsmacht

Umstritten ist, ob § 366 HGB analog auf den guten Glauben hinsichtlich der Vertretungsmacht angewendet werden darf.

Eine stark vordringliche Meinung bejaht dies, da nicht am Wortlaut festgehalten werden müsse. Das HGB sei hier terminologisch ungenau. Im Interesse der Sicherheit des Handelsverkehrs wolle § 366 HGB einen verstärkten Schutz des gutgläubigen Erwerbers gewährleisten. Für den Erwerber sei es aber häufig schwierig festzustellen, ob sein Vertragspartner im eigenen oder fremden Namen handelt und ob Verfügungs- oder Vertretungsbefugnis vorliegt.

Eine andere Meinung  möchte hingegen am Wortlaut festhalten und lehnt somit eine analoge Anwendung von § 366 HGB ab. Der Vertragspartner sei weniger schutzwürdig, da sich nach der Erteilung der Vollmacht erkundigt werden könne. Außerdem gleiche § 366 HGB nur die fehlende Vertretungsbefugnis hinsichtlich des Verfügungsgeschäfts aus, ändere aber nichts an der Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts.

2. Anwendung des § 366 HGB auf das Kausalgeschäft

Falls man die analoge Anwendung des § 366 HGB bejaht, stellt sich die Frage, ob das schuldrechtliche Kausalgeschäft wirksam ist.

Konsequent erläutert eine Auffassung, § 366 HGB ermögliche einen kondiktionsfreien Erwerb, weil das Gesetz mit dem Erwerb auch das Behaltendürfen regele. Der Erwerber müsse allerdings den vereinbarten Vertragspflichten nachkommen. Entweder geschiehe dies gegenüber dem Vertretenen, wenn er nach Aufforderung das Geschäft genehmige (§§ 177 Abs. 1, 184 BGB). Dadurch werde gleichzeitig der Rechtsgrund für den Eigentumserwerb geschaffen.

Ansonsten kann er nach § 179 BGB Erfüllung vom Vertreter verlangen, dem er dann auch die Gegenleistung schuldet.

Andere lehnen diese erstgenannte Ansicht ab, da die Verfestigung des Eigentumserwerbs über § 366 HGB eine nicht vertretbare Durchbrechung des Abstraktionsprinzips darstelle. Daher könne, wenn es für den Kaufvertrag an der Vertretungsmacht fehle, der Vertretene nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB vom Erwerber die Rückübereignung des Gegenstandes verlangen, da es an einem Rechtsgrund für eine wirksame Einigung fehle.

III. § 366 Abs. 2 und Abs. 3 HGB

§ 366 Abs. 2 HGB verweist auf § 936 BGB. § 366 Abs. 2 HGB ermöglicht über § 936 BGB hinaus auch den lastenfreien Erwerb des Eigentums vom nichtverfügungsberechtigten Nichteigentümer.

§ 366 Abs. 3 HGB erstreckt den Schutz des guten Glaubens auch auf gesetzliche Pfandrechte von Kommissionären, Frachtführern, Spediteuren und Lagerhaltern.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.