Verfügung über das Vermögen im Ganzen, § 1365 Abs. 1 BGB

Verfügung über das Vermögen im Ganzen, § 1365 Abs. 1 BGB

Die Verfügungsbeschränkung des § 1365 BGB schränkt die Privatautonomie der Ehegatten in der Zugewinngemeinschaft ein. Da es zahlreiche Streitfragen rund um diese Norm gibt, gehört sie in das Repertoire eines jeden Examenskandidaten. Insbesondere in Sachenrechtsklausuren wird der § 1365 BGB gerne von den Prüfungsämtern eingebaut.
Verfügung über das Vermögen im Ganzen
Lecturio Redaktion

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22.02.2024

Inhalt

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I. § 1365 Abs. 1 BGB – Allgemeines

Der gesetzliche Regelfall der Güterstände ist gem. § 1363 BGB die Zugewinngemeinschaft. In dieser besteht Vermögenstrennung und jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbstständig, § 1364 BGB.

Sofern die Ehe geschieden wird, kommt es zum Zugewinnausgleich. Um die Existenzgrundlage der Familie und den Zugewinnausgleich bei Scheidung der Ehe zu schützen (§  1378 BGB), wird die freie Verfügung der Ehegatten über das Vermögen im Ganzen gem. § 1365 BGB begrenzt.

§ 1365 Abs. 1 BGB lautet:

Ein Ehegatte kann sich nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Hat er sich ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichtet, so kann er die Verpflichtung nur erfüllen, wenn der andere Ehegatte einwilligt.

II. Schema: § 1365 Abs. 1 BGB

  • I. Wirksame Ehe, §§ 1303 ff. BGB
  • II. Zugewinngemeinschaft, § 1363 BGB
  • III. Verfügung über das Vermögen im Ganzen, § 1365 Abs. 1 BGB
    • P: Vermögen im Ganzen
    • P: Kenntnis des Dritten
    • P: Berücksichtigung der Gegenleistung
    • P: Belastung als Verfügung
  • IV. Rechtsfolge
    • 1. Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts, § 1365 I 1 BGB
    • 2. Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts § 1365 I 2 BGB

III. Vermögen im Ganzen

Zunächst ist fraglich, was genau unter „Vermögen im Ganzen“ zu verstehen ist und ob davon auch Einzelgegenstände erfasst sind, welche nahezu das gesamte Vermögen ausmachen.

Zum Verständnis: A und B sind verheiratet. B verschenkt ihr Grundstück an C, sie hat neben dem Grundstück lediglich noch ein Vermögen von 3000 €.

1. Gesamttheorie

Die Gesamttheorie bezieht die Verfügungsbeschränkungen des § 1365 BGB nur auf Rechtsgeschäfte, die sich auf das Vermögen „en bloc“ beziehen. Die Geschäfte müssen sich ausdrücklich auf das Vermögen im Ganzen beziehen. Als Argument wird der Wortlaut angeführt, denn in § 1365 Abs. 1 S. 1 BGB wird auf das „Vermögen im Ganzen“ abgestellt. In dem genannten Beispielsfall würde folglich nicht ein „Vermögen im Ganzen“ vorliegen, da B noch 3000 € hat.

2. Einzeltheorie

Eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen liegt nach der Einzeltheorie auch dann vor, wenn nur über einen einzelnen Vermögensgegenstand verfügt werden soll, dieser aber wirtschaftlich den wesentlichen Teil des Vermögens ausmacht. Von einem wesentlichen Teil kann bei kleineren Vermögen ausgegangen werden, wenn nach der Verfügung weniger als 15 % des ursprünglichen Vermögens verbleiben.

Bei größeren Gesamtvermögen dürfen nicht weniger als 10 % des Vermögens verbleiben. Argumentiert wird mit dem Schutzzweck der Norm. Die Existenzgrundlage der Familie und die Zugewinnausgleichszahlung (§ 1378 BGB) werden auch bei Rechtsgeschäften über solche Vermögensgegenstände gefährdet. Zudem kommen Verträge über das „echte“ Vermögen im Ganzen bei natürlichen Personen praktisch nie vor.

Dieser Ansicht ist zu Folgen. Im Beispiel würde somit ein „Vermögen im Ganzen“ durch das Verschenken des Grundstücks vorliegen.

Einzeltheorie
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IV. Kenntnis des Dritten vom Umfang des Rechtsgeschäfts

Aufgrund der Ausdehnung, welche die Einzeltheorie vornimmt, könnte es vonnöten sein die Norm im Gegenzug wieder einzuschränken. Umstritten ist daher, ob der Erwerber Kenntnis vom Rechtsgeschäft über das Vermögen als Ganzes haben muss.

1. Objektive Theorie

Der objektiven Theorie zufolge ist keine Kenntnis des Erwerbers erforderlich. Ein subjektives Element ist im Gesetz nicht enthalten. Somit kommt es nach dieser Theorie allein auf die objektive Vermögenslage an.

2. Subjektive Theorie

Die subjektive Theorie fordert bei der Veräußerung von Einzelgegenständen die Kenntnis des Erwerbers vom Umfang des Rechtsgeschäfts. Die Ausweitung der Verfügungsbeschränkung durch die Einzeltheorie wird an dieser Stelle wieder eingeschränkt.

Hatte der Erwerber keine Kenntnis und kannte er auch nicht die Umstände vom Umfang des Rechtsgeschäfts, so steht § 1365 BGB der Verfügung nicht entgegen. Der Schutz der Familie muss hier hinter dem Schutz des Rechtsverkehrs zurücktreten.

V. Berücksichtigung der Gegenleistung

Des Weiteren ist fraglich, ob eine Gegenleistung berücksichtigt wird. Das könnte der Fall sein, da das eheliche Vermögen kompensiert scheint. Jedoch ist Geld flüchtig, zudem soll der Status quo geschützt werden. Außerdem handelt es sich bei der Gegenleistung rechtlich um ein anderes Rechtsgeschäft. Eine Gegenleistung ist für § 1365 Abs. 1 BGB mithin unbeachtlich.

VI. Belastung als Verfügung

Umstritten ist, ob auch die Belastung eines Grundstücks mit einem Grundpfandrecht eine Verfügung im Sinne des § 1365 BGB darstellt. Dies wird von der h.M. bejaht, sofern die Belastung den Verkehrswert des Grundstücks ausschöpft. Ansonsten bestünde die Möglichkeit einer Umgehung der Verfügungsbeschränkung. Die Gegenmeinung führt an, dass es bei einer Belastung mit einem Grundpfandrecht zu keinem Verlust der Vermögenssubstanz komme.

VII. Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen werden für Verpflichtungsgeschäfte in § 1366 BGB geregelt. So besteht die Möglichkeit des Ehegatten das Rechtsgeschäft zu genehmigen. Zu Verfügungsgeschäften kann der andere Ehegatte ebenfalls noch nachträglich zustimmen. Ansonsten ist der Verfügende Nichtberechtigter. Bei § 1365 Abs. 1 S. 2 BGB handelt es sich um ein absolutes Verfügungsgebot. Ein gutgläubiger Erwerb ist daher auch nicht möglich.

VIII. Fazit

Die Norm des § 1365 BGB ist eine typische Auswendiglernnorm. Ohne das nötige Wissen im Hinterkopf wird man in der Klausur kaum auf die verschiedenen Theorien kommen. Sie sollte daher regelmäßig wiederholt werden.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.