Diebstahl (§ 242 StGB) im Selbstbedienungsladen

Diebstahl (§ 242 StGB) im Selbstbedienungsladen

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Diebstahl (§ 242 StGB) im Selbstbedienungsladen
Lecturio Redaktion

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13.02.2024

Inhalt

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Der Sachverhalt

A besucht einen Supermarkt. In den Geschäftsräumen entnimmt er dem Regal eine Flasche Whiskey und steckt diese in die Innentasche seines großen Mantels. Er hat nicht vor, den Whiskey zu bezahlen. Der Ladendetektiv L beobachtet A bei seiner Tat und spricht ihn an, als A gerade nach draußen will. A lässt die Whiskeyflasche zurück und flieht Hals über Kopf.

Hat A sich wegen eines vollendeten Diebstahls strafbar gemacht?

Strafbarkeit des A gem. § 242 I StGB

Indem A den Whiskey in seine Manteltasche steckte, könnte er sich wegen vollendeten Diebstahls gem. § 242 I StGB strafbar gemacht haben.

Vorweg das Schema zum Diebstahl, § 242 I StGB:

  • 1. Objektiver Tatbestand
    • a. Tatobjekt: Fremde, bewegliche Sache
    • b. Tathandlung: Wegnahme
  • 2. Subjektiver Tatbestand
    • a. Vorsatz
    • b. Absicht rechtswidriger Zueignung
  • 3. Rechtswidrigkeit
  • 4. Schuld

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a. Fremde, bewegliche Sache

Die Flasche Whiskey steht im Eigentum des Supermarkts und ist damit eine fremde, bewegliche Sache.

b. Wegnahme

Unter Wegnahme ist der Bruch fremden, und die Begründung neuen, nicht notwendig eigenen Gewahrsams zu verstehen. Gewahrsam ist die tatsächliche, vom Willen getragene Sachherrschaft über die Sache. Ob Gewahrsam vorliegt wird dabei maßgeblich von der Verkehrsauffassung mitbestimmt.

Tipp: Zum Thema Gewahrsam i.R.d. §§ 242 ff. StGB empfehlen wir dir diesen Artikel!

Problem 1: Gewahrsam des Supermarktinhabers nach der Verkehrsauffassung?

Ursprünglich hatte der Supermarktinhaber Gewahrsam über die Flasche. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass dieser nicht unmittelbar auf all seine Waren zugreifen kann, auch ein gelockerter Gewahrsam genügt. Damit hatte der Supermarktinhaber ursprünglich Gewahrsam an der Flasche.

Fraglich ist, ob A diesen Gewahrsam aufgehoben und eigenen Gewahrsam begründet hat. Gewahrsamsneubegründung ist allgemein dann anzunehmen, wenn der Täter dergestalt die Herrschaft über die Sache erlangt hat, dass der bisherige Gewahrsamsinhaber nicht mehr ohne Weiteres darauf zugreifen kann. Dies wäre jedenfalls dann zu bejahen gewesen, wenn A mitsamt der Flasche den Supermarkt verlassen hätte. Dazu kam es jedoch nicht. Vielmehr befand sich der A noch im Machtbereich des Supermarktinhabers.

Problem 2: sog. „Gewahrsamsenklave“

Allerdings ist allgemein anerkannt, dass auch innerhalb fremder Gewahrsamssphären neuer Gewahrsam begründet werden kann. Man spricht dann von sog. Gewahrsamsenklaven. Ob und wann eine solche Gewahrsamsenklave begründet wird, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles sowie der Verkehrsanschauung ab.

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Whiskeyflasche um einen verhältnismäßig kleinen Gegenstand handelt. Bei kleineren Gegenständen ist eine Gewahrsamsenklave nach Rspr. des BGH jedenfalls dann begründet, wenn der Täter diese in seine Kleidung oder in eine mitgeführte Tasche steckt. Denn befindet sich ein Gegenstand derart in der unmittelbaren Privatsphäre eines anderen, so kann der bisherige Gewahrsamsinhaber nicht mehr ohne weiteres auf diesen Gegenstand zugreifen. Vielmehr bedürfte er dazu einer konkreten Rechtfertigung.

Damit hätte A mit Einstecken der Flasche grundsätzlich neuen Gewahrsam begründet, sodass eine Wegnahme vorläge.

Problem 3: Beobachtung durch den Ladendetektiv

Etwas anderes könnte sich jedoch deshalb ergeben, weil A bei der Tat von dem Ladendieb L beobachtet wurde.

Nach einer Mindermeinung steht eine Beobachtung beim Einstecken der Gewahrsamsbegründung durch den Täter entgegen. Nach dieser Ansicht erfordert es die Gewahrsamsbegründung, dass der Ausübung der Sachherrschaft durch den Täter keine Hindernisse entgegenstehen. Wird er aber von einem Ladendetektiv beobachtet, so steht dies als Hindernis entgegen und eine Gewahrsamsbegründung liegt nicht vor.

Die herrschende Meinung hingegen sieht eine zufällige oder planmäßige Beobachtung der Tat nicht als Hindernis an und bejaht trotz des Ladendetektivs die Begründung neuen Gewahrsams durch den Täter. Diese Ansicht ist überzeugend: Der Gewahrsamsbegriff bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung.

Es entscheidet demnach die Verkehrsauffassung darüber, wann der Täter Sachherrschaft an dem Gegenstand erlangt hat. Denkt man unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung einmal obigen Fall zu Ende: Der Detektiv wird zwar den A an der Kasse aufhalten. Er wird ihm aber wohl kaum eigenmächtig in die Innentasche seines Mantels fassen.

Damit würde L nämlich in die Intimsphäre des A eingreifen. Derartig Durchsuchungsmaßnahmen sind aber den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten. Der Ladendetektiv L kann also nicht ohne staatliche Hilfe auf die Flasche zugreifen. Damit ist trotz der Beobachtung eine Gewahrsamsbegründung mit der h.M. zu bejahen.

c. Zwischenergebnis

Eine Wegnahme liegt vor.

2. Subjektiver Tatbestand

A handelte mit Vorsatz und in der Absicht rechtswidriger Zueignung der Flasche.

II. Rechtswidrigkeit und Schuld

A handelte zudem rechtswidrig und schuldhaft.

III. Ergebnis

A hat sich eines vollendeten Diebstahls an der Flasche gem. § 242 I StGb strafbar gemacht.

Ein interessantes Urteil zum Nachlesen, in dem der BGH die Vollendung der Wegnahme verneint: BGH, Beschl. v. 18.06.2013 – 2 StR 145/13 ; dabei wird wieder einmal deutlich, wie sehr die konkreten Umstände des Einzelfalls von Bedeutung sind.

Tipp: Schau dir dieses Video inkl. Fallbesprechung zum Diebstahl gem. § 242 I StGB an!

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.