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Hintergrund des Urteils
Das Urteil kann zweifellos zu den großen Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts gezählt werden, in denen es die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG näher ausdefiniert. Zweck der Grundrechte ist vorwiegend der Schutz des Bürgers vor dem Staat. Daher hat das Gericht in diesen Entscheidungen auch stets betont, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk staatsfern zu organisieren sei.
In der Bundesrepublik Deutschland herrscht ein dualistisches Rundfunksystem, in dem es sowohl private Rundfunkanbieter, als auch öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. In seinen bisherigen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht jedoch stets betont, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk (zu dem auch das ZDF gehört) staatsfern ausgestaltet werden muss, da nach den Erfahrungen des Dritten Reiches kein Staatssender mehr entstehen soll.
Die Aufsichtsgremien des ZDF, namentlich der Fernsehrat (ansonsten Rundfunkrat) und der Verwaltungsrat, deren Aufbau in §§ 21, 24 ZDF-Staatsvertrag geregelt ist, haben vielfältige Möglichkeiten der Einflussnahme auf Programmentscheidungen des ZDF und regeln zudem größtenteils die personelle Zusammensetzung.
Wie aus §§ 21, 24 ZDF-Staatsvertrag ersichtlich wird, werden diese Organe zu einem nicht unwesentlichen Teil mit staatsnahen Personen oder auch höherrangigen Parteimitgliedern besetzt. Weiterhin existieren sogenannte „Freundeskreise„, welche dazu beitragen, dass der Einfluss der politiknahen Mitglieder sich auch auf diejenigen Mitglieder erstreckt, welche nicht unmittelbar politikgestaltend wirken.
Die restlichen Mitglieder der Aufsichtsgremien entstammen diversen Gruppen und Verbänden (etwa Wohlfahrtsverbände, Kirchen etc.), welche dafür Sorge tragen sollen, dass das ZDF möglichst binnenpluralistisch ausgestaltet ist und eine Vielzahl von Meinungen und Perspektiven zum Ausdruck bringt.
Die Zusammensetzung sowohl des Fernsehrats, als auch des Verwaltungsrates des ZDF ist stark von staatsnahen Personen geprägt. Dass diese vor allem über die „Freundeskreise“ großen Einfluss auf die Verwaltung des ZDF, als auch auf dessen Programm nehmen konnten, ist unbestritten.
Da dies allerdings die durch vorherige Urteile bereits betonte Staatsferne des Rundfunks berührt, wurden mehrere Normenkontrollanträge bezüglich des ZDF-Staatsvertrages gestellt, welche zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts führten.
Was bedeutet das Urteil?
Das Gericht betont zunächst, dass eine komplette Staatsfreiheit des Rundfunks und somit auch der ZDF-Aufsichtsgremien nicht gewünscht, und auch nicht von der Verfassung gefordert ist. Vielmehr muss nur eine hinreichende Staatsferne gewährleistet sein. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass auch Parteimitglieder und Politiker einen Teil der pluralistischen Gesellschaft in nicht unerheblichem Ausmaß widerspiegeln und daher auch zum binnenpluralistischen Modell des ZDF beitragen sollen.
Durch das Urteil möchte das Verfassungsgericht somit nicht nur die Feststellung treffen, dass ein übermäßiger staatlicher Einfluss zu verhindern ist, sondern dass Pluralismus höchstwichtig ist.
Diesen übermäßigen staatlichen Einfluss durch die “ Freundeskreise“ und Besetzung der Aufsichtsgremien sieht das Gericht als gegeben an und stellt fest, dass dieser mit der Verfassung nicht zu vereinbaren ist. Insbesondere die Regelungen, nach denen die Ministerpräsidenten der Länder Mitglieder bestimmen können, hat das Gericht beanstandet.
Eine Grenze zieht das Gericht bei maximal einem Drittel an staatsnahen Mitgliedern. Jedem solchen Mitglied sollen also zwei staatsferne Mitglieder gegenüberstehen. Dies wird von Vielen jedoch immer noch als zu geringe Grenze angesehen. So wird teilweise, etwa auch von Verfassungsrichter Paulus, gefordert, die Anzahl an staatsnahen Mitgliedern noch weiter herabzusetzen.
Wer zu den staatsnahen Mitgliedern zählt, entscheidet das Gericht nach einer funktionellen Betrachtungsweise. Danach muss die Person entweder staatspolitische Entscheidungsmacht besitzen oder zumindest im Wettbewerb auf ein entsprechendes Amt stehen. Damit sind also nur solche Mitglieder erfasst, die praktisch auch Entscheidungsbefugnisse haben und nicht gleich jedes Verwaltungsmitglied.
In seinem Urteil betont das Bundesverfassungsgericht jedoch über alle Maßen die Relevanz der Binnenpluralität und der Vielfaltsicherung im Rundfunk. Eine Durchmischung staatsferner Gruppierungen sei von höchster Wichtigkeit. Dazu gehört auch die Bestellung von Mitgliedern, welche nicht nur den Großteil der Gesellschaft widerspiegeln. Nicht nur große Interessengruppen sollen vertreten sein. Zur Umsetzung dieser Forderungen könnte etwa an ein Rotationssystem gedacht werden.
Weiterhin fordert das Gericht, dass die einzelnen Mitglieder personell und persönlich unabhängiger werden und somit einem weiteren staatlichen Einfluss vorgebeugt wird. Hierzu gehört auch die Eigenständigkeit der Aufgabenwahrnehmung
Zuletzt fordert das Gericht auch eine stark erhöhte Transparenz über den Aufbau und die Tätigkeiten der Aufsichtsgremien, welche es zum Urteilszeitpunkt als nicht gegeben ansah.
Bei all diesen Forderungen lässt das Gericht dem Gesetzgeber jedoch einen weiten Ermessenspielraum und schwingt sich dadurch nicht zum Gesetzgeber auf. Dies eröffnet natürlich die Möglichkeit, die Gremien größenmäßig so zu gestalten, dass ein wahrer Binnenpluralismus nur schwer zu realisieren ist.
Wie der Gesetzgeber die neuen Regelungen in der Praxis ausgestalten wird, ist jedoch noch nicht abzusehen, denn das Gericht gab dem Gesetzgeber bis zum 30.06.2015 Zeit, dessen Vorgaben zu erfüllen.
Weiterführende Literatur
Urteil (BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11)
Entscheidungsanmerkung von Prof. Dr. Matthias Cornils findet sich ZJS 4/2014 S. 447 ff.
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