
Bild: “War” von Moyan Brenn. Lizenz: CC BY 2.0
Die Entwicklung bis zum Versailler Vertrag
Zaghafte Ansätze eines Völkerstrafrechts können wir schon im 18. Jahrhundert betrachten. In dieser Zeit erkannte man die Piraterie auf See als gewohnheitsrechtlich existierende, also gleichsam völkergewohnheitsrechtliche Straftat an. Nach den Eindrücken von Jahrhunderten der Sklaverei, wurde diese im 19. Jahrhundert durch mehrere völkerrechtliche Verträge als völkerstrafrechtliches Delikt qualifiziert.
Etwa gleichzeitig entstanden auch erste Formen des Kriegsrechts also einem Recht, dass in einem bewaffneten Konflikt gewisse „Grundregeln“ festlegen sollte. Darin enthalten waren Regelungen über bestimmte Formen der Kriegsführung oder der Einsatz bestimmter Waffen, namentlich durch die Haager Landkriegsordnung (sogenanntes Haager Recht) von 1899, die bis heute uneingeschränkte Gültigkeit genießt.
Die erste Genfer Konvention (sogenanntes Genfer Recht) von 1864 brachte dann erstmalig den Schutz sogenannter Nicht-Kombattanten mit sich, also den Schutz der unbeteiligten Zivilbevölkerung. Der Entwurf zum Genfer Recht stammt dabei von Gustave Moynier dem Begründer des Internationalen Roten Kreuzes.
Er war es auch, der im Eindruck des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich von 1870/71 die Forderung erhob ein internationales Schiedsgericht zur Verfolgung von Kriegs- und Völkerstraftaten einzurichten. Sein Ruf blieb allerdings (noch) ungehört.
Vom Versailler Vertrag bis zum Zweiten Weltkrieg
In den Versailler Vertrag wurden 1919 mehrere Straftatbestände aufgenommen, die es ermöglichen sollten, begangene Kriegsverbrechen des Ersten Weltkrieges nachträglich zu ahnden. Im Besonderen sollte dabei der deutsche Kaiser einer Verfolgung ausgesetzt werden. Letztlich scheiterte dieses Ansinnen aber an dessen Flucht in die Niederlande, wo er Asyl fand.
Die Strafverfolgung anderer deutscher Kriegsverbrecher wurde Deutschland selbst überlassen, das zu diesem Zweck ein Gesetz zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen im Jahre 1919 erließ. Daraus resultierten die Leipziger Prozesse, in denen jedoch lediglich neun von anfänglich 900 Verdächtigen verurteilt wurden.
Der Weg zu Völkermordkonvention
Der Zweite Weltkrieg übertraf in seinen Gräueln alles bisher Dagewesene in solchem Maße, dass die Rufe nach einer Verurteilung der Verantwortlichen für diese Taten nunmehr unüberhörbar wurden. Die alliierten Siegermächte setzten im Londoner Viermächteabkommen vom 08.08.1945 den Internationalen Militärgerichtshof (IMG) ein. Dieser sollte die deutschen Hauptkriegsverbrecher im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess verurteilen.
Eine der großen Besonderheiten an diesem Verfahren war, dass es das erste Mal die Möglichkeit bot, tatsächlich Einzelpersonen für die von ihnen begangenen Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Deshalb wird das Londoner Abkommen häufig als die eigentliche Geburtsstunde des Völkerstrafrechts bezeichnet.
Insgesamt gab es in Nürnberg diesen Hauptverbrecherprozess, sowie zwölf Folgeprozesse. Im ersten Nürnberger Prozess wurden die 22 Hautkriegsverbrecher verurteilt, zwölf von ihnen zum Tode durch den Strang.
Heute ist das sogenannte Nürnberger Recht, das in den Prozessen entwickelt wurde völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Die Straftatbestände, die damals in Nürnberg aus der Taufe gehoben wurden, bilden erkennbar die Grundlage für die Vorschriften, die heute das IStGHSt (Internationales Strafgerichtshof Statut) bestimmen.
Unmittelbar erste Anwendung fand das Nürnberger Recht bereits bei den Prozessen gegen die japanischen Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges vor IMGFO (Internationales Militärtribunal für den Fernen Osten) 1946.
1948 wurde als vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung der Genozid in der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen zu einem internationalen Verbrechen erklärt. 1952 trat auch Deutschland der Völkermordkonvention bei.
Es folgten vier weitere Genfer Konventionen, die mit Strafe bewehrte Verbote aufstellten, wie beispielsweise das Verbot der Folterung oder der Verursachung schwerer Leiden. Erstmals sollten diese Verbote auch bei innerstaatlichen Konflikten, sprich Bürgerkriegen, zur Geltung kommen.
1949 wurde auch offiziell durch die in der UN eingesetzte Völkerrechtskommission die Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs gefordert, doch diese Impulse wurden zunächst in Zeiten des Kalten Krieges bis auf Weiteres ausgebremst.
Schmerzlich wurde dieser Zeitverlust bei den späteren Auseinandersetzungen in Ruanda, sowie im vormaligen Jugoslawien, bei denen ein Internationaler Strafgerichtshof zu einer einfacheren Verfolgung von Kriegsverbrechern in diesen Konflikten geführt hätte.
Den aktuellen Höhepunkt fand die Entwicklung jedoch letztlich und endlich in der Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) 2002 in Den Haag durch das Rom-Statut.
Die ad-hoc-Straftribunale im vormaligen Jugoslawien und Ruanda
Mangels eines Internationalen Strafgerichtshofs, musste man sich bei den Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und Ruanda mit der Errichtung sogenannter ad-hoc-Tribunale begnügen.
Das Jugoslawien-Tribunal
Nach dem Zusammenfall der Sowjetunion kamen insbesondere auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien alte Streitigkeiten zwischen Bevölkerungsgruppen wieder neu auf. Im Zuge dessen kam es zu teils verheerenden Kriegsverbrechen. In Den Haag wurde deshalb der JStGH als ad-hoc-Tribunal eigens für diese Verbrechen eingerichtet.
Die völkerrechtliche Grundlage des Tribunals bildete das JStGH-Statut. Im Laufe der Verhandlungen wurde deutlich, dass die Kapazitäten des Tribunals die Masse an aufkommenden Verfahren nicht würde tragen können. So wurden deshalb einige der Verfahren nachher an nationale Gerichte abgegeben.
Gemäß den ursprünglichen Planungen sollten alle Verfahren des JStGH bis 2010 vollumfänglich abgeschlossen sein. Einige Verfahren laufen aber noch bis zum heutigen Tage. Insgesamt wurden 64 von 161 angeklagten Personen bislang verurteilt.
Das Ruanda-Tribunal
Ebenfalls ad-hoc und eigens für einen bestimmte Konflikt, wurde das Ruanda-Tribunal eingerichtet. Es hatte sich mit den Kriegsverbrechen auseinander zu setzen, die im Laufe des Konflikts zwischen den ruandischen Volkgruppen der Hutu und Tutsi im Zeitraum von 1991-1994 begangen wurden. Der Sitz des Internationalen Gerichtshof für Ruanda ist in Arusha, Tansania.
Das RStGH-Statut ist inhaltlich eng an das JStGH-Statut angelehnt. Von den 69 Angeklagten wurden bis heute 36 verurteilt.
Der Internationale Strafgerichtshof
In Folge des Rom-Statuts von 1998 kam es abschließend zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) mit Sitz in Den Haag, der 2002 ins Leben gerufen wurde.
Die Zuständigkeit des IStGH gilt grundsätzliche für alle Völkerstraftaten ab diesem Zeitpunkt. In aller Regel verfolgt der IStGH dabei nur solche Verbrechen, die von Mitgliedern eines IStGH-Vertragsstaates oder auf dessen Territorium begangen worden sind. Anders ist dies, wenn der UN-Sicherheitsrat den IStGH zu Hilfe ruft.
Von insgesamt 127 Statten, die das IStGH-Statut mit verabschiedet haben, haben deutlich mehr als 100 diesem zugestimmt. Jährlich kommen immer mehr Staaten hinzu, die das Statut unterzeichnen. Sieben Staaten hingegen haben das Statut abgelehnt, wie zum Beispiel auch die USA, China und Israel.
Literaturtipps:
- Ambos, Internationales Strafrecht.
- Ambos, Fälle zum Internationalen Strafrecht.
- Gless, Internationales Strafrecht.
Weitere Beiträge aus dieser Reihe:
Erster Teil: Völkerstrafrecht – Allgemeiner Teil
Dritter Teil: Völkerstrafrecht – Völkerstrafprozessrecht
Vierter Teil: Völkerstrafrecht – Der Völkermord unter der Lupe
Fünfter Teil: Völkerstrafrecht – Kriegsverbrechen
Sechster Teil: Völkerstrafrecht – Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Siebter Teil: Völkerstrafrecht – Der Tatbestand der Aggression im Überblick
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