
Schwarzarbeit
Inhaltsverzeichnis
I. Sachverhalt
Person A lässt sich von Handwerker B seine Hauswand zu einem vereinbarten Lohn von 5.000 Euro streichen. Weiterhin vereinbaren sie, dass B „schwarz“, d.h. ohne Rechnung arbeitet.
Nachdem B fertig ist, stellt A fest, dass B mangelhaft gearbeitet hat und die Farbe von der Hauswand abblättert. Er verweigert dem B daraufhin den vereinbarten Lohn unter der Berufung, der Vertrag sei wegen der Schwarzarbeit „nichtig“. Außerdem verlangt er von B Nacherfüllung aus Gewährleistung wegen des mangelhaften Werkes.
Auszug aus dem Schwarzarbeitergesetz (SchwarzArbG):
§ 1 II SchwarzArbG: Zweck des Gesetzes
(2) Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt, und dabei
(…) Nr.2 Als Steuerpflichtiger seine sich aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenen steuerliche Pflichten nicht erfüllt, (…)
II. Die Ausgangsproblematik
Normalerweise hätte B seinen oben genannten Lohnanspruch aus dem Werkvertrag mit A gem. § 631 Abs. 1 BGB geltend machen können und A hätte im Gegenzug einen Anspruch auf Nacherfüllung aus §§ 633 Abs. 2, 634 Nr.1, 635 Abs. 1 BGB. Im konkreten Fall besteht jedoch das Problem, dass die „ohne-Rechnung-Abrede“ unter § 1 Abs. 2 Nr.2 SchwarzArbG fällt.
Diese Norm stellt ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB dar, sodass der Werkvertrag bei einem beidseitigen Verstoß gegen das SchwarzArbG gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr.2 SchwarzArbG nichtig ist. Somit besteht keine vertragliche Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche.
III. Prüfungsreihenfolge möglicher Ansprüche auf Werklohnzahlung
1. Anspruch aus § 631 Abs. 1 BGB
Nur der vollständigkeitshalber soll hier zunächst erwähnt werden, dass in jeder gutachterlichen Prüfung zunächst die vertraglichen Ansprüche anzuprüfen sind. Diese würden sich hier aus dem Werkvertrag ergeben, § 631 Abs. 1 BGB. Wie bereits eingangs erläutert, verstoßen A und B jedoch gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarArbG und damit ist der Werkvertrag gemäß § 134 BGB nichtig. Vertragliche Ansprüche bestehen nicht.
2. Anspruch aus §§ 670, 683 Abs. 1, 677 BGB
Da vertragliche Ansprüche wegfallen, ist als nächstes an Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (G.o.A.) zu denken. Mit dem Streichen der Hauswand wird B sowohl im eigenen Rechtskreis, als auch in dem des A tätig, sodass ein auch-fremdes Geschäft vorliegt.
Fraglich ist jedoch, ob ein Fremdgeschäftsführungswille vorliegt. Nach der Rechtsprechung des BGH wird der Fremdgeschäftsführungswille beim auch-fremden Geschäft vermutet. Die Literatur hingegen kritisiert diese Ansicht insbesondere in den Fällen, in denen aufgrund eines nichtigen Vertrages geleistet wird. Dabei wird angeführt, dass der Geschäftsführer in solchen Fällen allein im eigenen Interesse tätig wird, indem er seine Pflicht aus dem Vertrag erfüllen möchte.
Für diese Ansicht spricht, dass die Rückabwicklung von nichtigen Verträgen typischerweise über das Bereicherungsrecht läuft. Würde die G.o.A. hier Anwendung finden, würden damit die bereicherungsrechtlichen Sonderregelungen umgangen werden. In letzter Zeit ist allerdings auch in der Rspr. die Tendenz einer Abkehr von der ausufernden Anwendung der G.o.A. zu erkennen. Ein Anspruch aus G.o.A besteht also, zumindest nach der Literaturmeinung, welcher im ersten Staatsexamen gefolgt werden sollte, ebenfalls nicht.
3. Anspruch aus § 817 S.1 BGB
Ein Anspruch auf Werklohn könnte sich jedoch aus § 817 S.1 BGB ergeben, welcher einen eigenen Herausgabeanspruch neben § 812 BGB begründet. Voraussetzung ist, dass der Zweck der Leistung dergestalt bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstoßen hat.
Empfänger der Werkleistung war A. Durch Vereinbarung der „ohne-Rechnung-Abrede“ hat er gegen das SchwarzArbG und damit gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sodass B grundsätzlich ein Herausgabeanspruch auf Werklohn aus § 817 S.1 BGB zustünde.
Sodann muss geprüft werden, ob der § 817 S.2 BGB greift (Kernproblem). Danach ist ein Rückforderungsanspruch ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt.
§ 817 S.2 BGB:
Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.
Verstößt der Leistende also ebenfalls gegen das SchwarzArbG, hat er gem. § 817 S.2 BGB grundsätzlich keinen Rückforderungsanspruch.
a. Frühere BGH-Rechtsprechung
In seiner früheren Rechtsprechung hat der BGH den § 817 S.2 BGB in den Fällen der Schwarzarbeit für nicht anwendbar erklärt [BGH, Urt. v. 31.05.1990 – VII ZR 336/89]. Begründet hat er dies mit einer auf § 242 BGB aufbauenden Restriktion der Vorschrift. Das Bereicherungsrecht und damit § 817 S.2 BGB unterliege in besonderem Maße dem Billigkeitsrecht.
Vor diesem Hintergrund könne es nicht sein, dass bei einem beidseitigen Verstoß gegen das SchwarzArbG der Verstoß allein dem vorleistenden Handwerker zur Last gelegt werde. Dem wirtschaftlich oft schlechter gestellten Handwerker allein das Vorleistungsrisiko aufzubürden, verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB. Weiterhin argumentierte der BGH, mit dem Ausschluss der vertraglichen Ansprüche sei dem Zweck des SchwarzArbG genüge getan, sodass dies einem Lohnanspruch aus § 817 S.2 BGB nicht entgegen stünde.
Kritik von Rechtsprechung und h.L.
Bei einem beidseitigen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot sei kein Raum für Billigkeitserwägungen und § 242 BGB.
Zudem würde eine Restriktion des § 817 S.2 BGB dem Zweck des SchwarzArbG schaden. Ein Handwerker verstößt zwar gegen ein gesetzliches Verbot, behält aber zugleich einen einklagbaren Anspruch auf Lohn. Er steht damit trotz Verstoßes gegen das SchwarzArbG wirtschaftlich nicht schlechter da. Im Gegenteil, der Schwarzarbeiter bekommt nämlich seinen Lohn, ohne selbst vertraglichen Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sein.
b. Rechtsprechungswandel des BGH
Im April 2014 hat sich der BGH von seiner früheren Rechtsprechung verabschiedet und sich der Literatur angeschlossen [BGH, Urt. v. 10.04.2014 – VII ZR 241/13]. Er sieht nunmehr den § 817 S.2 BGB ebenfalls für anwendbar, sodass ein Vergütungsanspruch des Schwarzarbeiter sowie Gewährleistungsansprüche des Bestellers ausscheiden. In seiner Urteilsbegründung führt er dazu aus:
4. Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB
Ein Anspruch aus §§ 812 Abs.1 S.1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB ist ebenfalls wegen § 817 S.2 BGB ausgeschlossen.
Tipp: Falls die Leistungskondiktion nicht mehr ganz präsent ist, ließ hier!
5. Anspruch aus §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1, S.1 Alt. 1 BGB
Das gleiche gilt auch für einen Anspruch aus §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1, S.1 Alt. 1 BGB, da es sich um eine Rechtsgrundverweisung bei § 951 Abs. 1 BGB handelt, sodass der Ausschluss gem. § 817 S.2 BGB auch die Ansprüche aus § 951 Abs. 1 BGB betrifft.
IV. Prüfung möglicher Ansprüche auf Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB
Hier soll nur kurz erwähnt werden, dass die Voraussetzungen für den Anspruch ist, dass zwischen den Parteien ein wirksamer Werkvertrag besteht. Dieser Werkvertrag ist jedoch gemäß §§ 134, 139 BGB wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz wie bereits oben geprüft nichtig. Mithin kann hier ein kurzer Verweis nach oben genügen.
Eine Abwandlung könnte auch noch darin liegen, wenn eine zusätzliche Nebenabrede besprochen wurde, dann kann man noch auf das Problem der Gesamtnichtigkeit eingehen. Dies hängt dann vom Einzelfall ab und wie dieser gelagert ist.
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2 Gedanken zu „Der „klassische“ Schwarzarbeiter-Fall“
Im Artikel heißt es fälschlicherweise § 2 II Nr. 2 SchwarzArbG anstatt § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG.
Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe den Artikel entsprechend korrigiert.
Viele Grüße,
Désirée Linsmeier