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Was kennzeichnet den Meineid?
Der Meineid ist – was die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen angeht – eine Qualifikation der falschen uneidlichen Aussage gemäß § 153 StGB. Da der Täterkreis jedoch nicht auf diese beschränkt ist, handelt es sich bei § 154 (je nach Fallkonstellation) gleichzeitig um einen Grundtatbestand [Wessels/Hettinger, StrafR BT I, Rn. 753].
Auch der Meineid ist ein eigenhändiges Delikt, bei dem eine Begehung in mittelbarer Täterschaft nicht möglich ist. Hier schafft jedoch § 160 StGB Abhilfe, der eine Verleitung zur Falschaussage unter Strafe stellt [Joecks, Studienkommentar StGB, § 154 Rn. 10].
Der objektive Tatbestand des Meineids
Täter kann jeder sein, der vor einem Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört (§ 154 I). Dazu zählen auch die Parteien im Zivilprozess oder ein Dolmetscher.
Der Beschuldigte selbst kann sich hingegen nicht nach § 154 strafbar machen. Dies gilt auch für eidesunfähige Personen gemäß § 60 Nr. 1 Var. 2 StPO [Kindhäuser, StrafR BT I, § 47 Rn. 2]. Fraglich ist jedoch, ob sich eidesunfähige Personen gemäß § 60 I Var. 1 StPO (Personen unter 18 Jahren) nach § 154 StGB strafbar machen können.
Wann liegt ein Meineid vor?
Nach herrschender Ansicht kann ein Meineid auch vorliegen, wenn versehentlich ein Eidesunfähiger vereidigt wird. Dies sei erst auf der Ebene der Strafzumessung relevant.
Nach anderer Ansicht sei in diesem Fall nur eine Strafbarkeit wegen einer falschen uneidlichen Aussage möglich. Die Aussage könne nicht mehr als Aussage unter Eid gewertet werden, da sie aufgrund der Verletzung von Strafprozessrecht gewonnen worden sei [vgl. Joecks, Studienkommentar StGB, § 154 Rn. 6].
Gegen die erste Ansicht kann man bereits einwenden, dass ein Eidesunfähiger schon nicht vereidigt werden kann. § 154 bestraft aber nichts anderes als eine falsche uneidliche Aussage, die beeidigt worden ist.
Demnach ist die zweite Ansicht vorzugswürdig. In dem genannten Beispiel kommt lediglich eine Strafbarkeit nach § 153 in Frage [Joecks, Studienkommentar StGB, § 154 Rn. 7].
Hinzukommend muss der Meineid vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle erfolgen. Dabei muss der Eid insbesondere in dem jeweiligen Verfahren gesetzlich vorgesehen sein. Er darf nur von einer hierzu befugten Person abgenommen werden [Kindhäuser, StrafR BT I, § 47 Rn. 4]. Dies trifft beispielsweise nicht auf Rechtsreferendare (§ 10 GVG), Rechtspfleger (§ 4 II Nr. 1 RPflG) und Staatsanwälte (§ 161a I 3 StPO) zu.
Falsches Schwören:
Schließlich muss der Täter falsch schwören. Hierbei müssen die mit einem Eid verbundenen, grundlegenden formellen Anforderungen beachtet werden. Insbesondere muss der Täter die Worte „ich schwöre“ sprechen [Kindhäuser, StrafR BT I, § 47 Rn. 7].
Ein falsches Schwören verlangt, dass der Täter eine falsche Aussage beschwört bzw. zuerst einen Eid leistet und im Anschluss falsch aussagt [Kindhäuser, StrafR BT I, § 47 Rn. 8].
Nach herrschender Meinung, der sogenannten objektiven Theorie, ist eine Aussage falsch, wenn sie mit der objektiven Wirklichkeit nicht in Einklang steht [Joecks, Studienkommentar StGB, Vor § 153 Rn. 5].
Gemäß § 155 StGB stehen dem Eid die den Eid ersetzende Bekräftigung (Nr. 1) und eine Berufung auf einen früheren Eid bzw. eine frühere Bekräftigung gleich (Nr. 2). Eine den Eid ersetzende Bekräftigung wird im Zusammenhang mit Personen relevant, die sich aus Glaubens- oder Gewissensgründen weigern, einen Eid zu schwören [Joecks, Studienkommentar StGB, § 155 Rn. 1].
Der subjektive Tatbestand des Meineids
Subjektiv muss der Täter mindestens mit dolus eventualis hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale handeln.
Aussagenotstand und Berichtigung einer falschen Aussage
Im Anschluss an die Schuld sind gegebenenfalls noch der Aussagenotstand gemäß § 157 bzw. die Berichtigung einer falschen Aussage durch den Täter nach § 158 zu prüfen.
§ 157 I ermöglicht die Milderung der Strafe, wenn der Täter falsch geschworen hat, um die Gefahr von sich oder einem Angehörigen abzuwenden, bestraft oder einer freiheitsentziehenden Maßnahme der Besserung und Sicherung unterworfen zu werden.
Die rechtzeitige Berichtigung der falschen Angabe kann zu einer Milderung bzw. zu einem Absehen von Strafe führen, § 158 I.
Versuch sowie Vollendung des Meineids
Bei der Frage, wann die Tat vollendet ist, kommt es darauf an, ob ein Vor- oder ein Nacheid vorliegt. Ein Voreid ist gegeben, wenn die Vereidigung vor der Aussage erfolgt. Bei einem Nacheid ist dies umgekehrt.
Bei einem Voreid tritt die Tat mit dem Beginn der Aussage in das Versuchsstadium ein. Mit ihrem Abschluss ist sie vollendet. Bei einem Nacheid beginnt der Versuch dagegen, wenn der Täter mit dem Sprechen der Eidesformel beginnt. Ist dies abgeschlossen, liegt auch zugleich eine Vollendung der Tat vor [Joecks, Studienkommentar StGB, § 154 Rn. 11-14].
Das Prüfungsschema
In der Klausur können Sie sich an diesem Prüfungsschema orientieren:
1. Objektiver Tatbestand
a) Geeigneter Täter
b) Falsches Schwören: Falschaussage mit Vor- oder Nacheid/§ 155 Nr. 1 oder Nr. 2
c) Vor einer zuständigen Stelle
2. Subjektiver Tatbestand
Vorsatz
II. Rechtswidrigkeit/Schuld
III. §§ 157, 158 StGB
Quellen:
- Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Aufl., München 2014.
- Kindhäuser, Urs: Strafrecht Besonderer Teil I, 6. Aufl., Baden-Baden 2014.
- Wessels, Johannes/Hettinger, Michael: Strafrecht Besonderer Teil I, 38. Aufl., Heidelberg [u.a.] 2014.
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