Inhaltsverzeichnis
- Hintergrund
- Das Rückwirkungsverbot
- Sachverhalt
- Entscheidung
- Sondervotum des Richters Masing
- Fazit
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Bild: “Decisions, decisions” von Javi. Lizenz: CC BY-SA 2.0
Die amtlichen Leitsätze des Urteils lauten:
Hintergrund
Dem BVerfG wurde im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle eine steuerrechtliche Vorschrift vorgelegt, welche inhaltlich allgemeine Regelungen des Körperschaftssteuerrechts für Kapitalanlagegesellschaften sicherstellen sollte.
Es ging hierbei lediglich um eine klarstellende Bestimmung bezüglich bereits bestehender Regelungen. Die Frage war somit, ob eine rein klarstellende Regelung für Sachverhalte der Vergangenheit gelten kann.
Das Gericht entschied, dass eine solch klarstellende Regelung konstitutiven Charakter aufweist und deshalb den hohen Anforderungen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots unterliegt. Die Auslegung aktueller Gesetze ist allein Aufgabe der Rechtsprechung.
Das Rückwirkungsverbot
Rückwirkende belastende Gesetze sind aufgrund des Rechtsstaatsprinzips nicht erlaubt. Ausdruck findet dieser Grundsatz im verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot.
Wie dem kundigen Rechsstudierenden bekannt sein sollte, wird zwischen echter und unechter Rückwirkung bzw. zwischen Rückbewirkung von Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung unterschieden. So gibt es durchaus Fälle, in denen die Rückwirkung erlaubt sein kann. Diese Fälle stellen jedoch eher die Ausnahme dar.
Sachverhalt
Prüfungsgegenstand war § 43 KAGG. Durch Änderung dieser Vorschrift wurde eine bestimmte Regelung des KStG bezüglich Teilwertabschreibungen auf Kapitalanlagegesellschaften erstreckt.
Es gab vor der Änderung des § 43 KAGG Zweifel bezüglich der Anwendbarkeit der entsprechenden Norm des KStG. Die Änderung des KAGG sollte somit aus Sicht des Gesetzgebers eine bloß deklaratorische klarstellende Wirkung haben und die Anwendung des KStG erläutern.
Die Klägerin war durch diese nachträgliche Festlegung des Anwendungsbereichs des KStG betroffen. Sie machte geltend, dass durch die Änderung des § 43 KAGG in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wurde.
Entscheidung
Zunächst stellte sich die Frage, ob es sich um echte oder unechte Rückwirkung handelte, da eine unechte Rückwirkung im Grundsatz zulässig ist. Dabei ging es vor allem um die Feststellung, ob das geltende Recht durch die Gesetzesänderung eine materielle Änderung erfuhr.
Dies wäre der Fall, wenn durch die Gesetzesänderung konstitutiv neues Recht begründet worden wäre und nicht bloß eine deklaratorische Klarstellung erfolgt wäre.
Um dies festzustellen, griff das Gericht auf den Grundsatz der Gewaltenteilung zurück. Danach stellte das Gericht fest, dass es Aufgabe der Rechtsprechung sei, geltendes Recht auszulegen. Die Auffassung des Gesetzgebers, dass seine Normierung lediglich erläuternden Charakter habe, sei insoweit unbeachtlich. Der Gesetzgeber könne nicht die Prüfungskompetenz der Gerichte unterlaufen.
Eine klarstellende Gesetzgebung schließt das Gericht nicht aus. Diese könne allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft gelten. Eine rückwirkende Auslegung ist allein Sache der Gerichte.
Sondervotum des Richters Masing
Die Entscheidung erging mit 5:3 Stimmen, also denkbar knapp. Der Richter Masing führte daher in einem Sondervotum aus, dass sich die Rückwirkungsproblematik durch das Urteil des Gerichts ändere.
Das Rückwirkungsverbot habe bisher auf individuell-subjektive Freiheitssicherung gezielt, was dem Grundsatz des Vertrauensschutzes gerecht werde. Nun habe es allerdings eine vorrangig organisationsrechtliche Ausrichtung, indem es klarstellt, dass lediglich die Gerichtsbarkeit zur Gesetzesauslegung befugt sei.
Einen solchen Ausschluss der Rechtssetzung sieht Richter Masing als nicht rechtmäßig.
Fazit
Durch das Urteil des BVerfG wird der Grundsatz der Gewaltenteilung in Deutschland gestärkt. Zwar kann dadurch die Rechtsunsicherheit bis zu einem klarstellenden Urteil vorherrschen, dennoch verbleibt damit die Interpretationshoheit bei den Gerichten. Dies sollte auch in Klausuren beachtet werden, die sich mit der Rückwirkungsproblematik von rein deklaratorischen Gesetzen befassen.
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