
Bild: “Wahlversprechen 339/365” von Dennis Skley. Lizenz: CC BY 2.0
Der Fall
In der Stadt B wurde jüngst ein Mord am Stadtratsmitglied S begangen. Die zuständige Staatsanwaltschaft hält den T für stark verdächtig, unter anderem weil ihn ein Augenzeuge am Tatort gesehen haben will. Tatsächlich hat T zuvor den A in seine Pläne eingeweiht und ihn gebeten, ihm ein Alibi zu liefern. A, der den S ebenfalls nicht ausstehen konnte, erklärte sich breitwillig dazu bereit. Im Zuge der Ermittlungen wird A als Zeuge geladen und vom Ermittlungsrichter nach Vereidigung vernommen. Dabei wird er zuvor nicht über sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO belehrt. Dabei sagt A in einigen Dingen die Unwahrheit, um sich selbst nicht zu belasten. Als sich dies später herausstellt, möchte die Staatsanwaltschaft gegen A wegen Meineids vorgehen.
Hat sich A wegen Meineids strafbar gemacht?
Das Problem
Das Problem, mit dem sich auch der BGH bereits beschäftigen musste, dreht sich um die Frage, inwieweit der Zeuge durch das Auskunftsverweigerungsrecht geschützt wird.
Die Strafbarkeit des A wegen Meineids, § 154 I StGB
1. Objektiver Tatbestand
a. Täter: Zeuge
A wurde als Zeuge geladen und ist auch nicht Beschuldigter im Sinne des Strafprozessrechts.
b. Vor Gericht falsch schwören
A muss weiterhin vor Gericht eine falsche Aussage beschwören, also unter Eid falsch aussagen. Eine Aussage ist die sprachliche Wiedergabe von Tatsachen. Sie ist nach der herrschenden objektiven Theorie falsch, wenn sie objektiv mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.
c. Problem: Unterbliebene Belehrung über Auskunftsverweigerungsrecht
Problematisch erscheint, ob auch dann von der tatbestandlichen Erfüllung eines Meineids ausgegangen werden kann, wenn der vernommene Zeuge zuvor nicht über sein Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO belehrt wurde. Nach § 55 StPO darf jeder Zeuge die Auskunft auf solche Fragen verweigern, dessen Beantwortung ihn selbst der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. Beispielsweise wenn eine Aussage dazu führen könnte, dass ein Strafverfahren gegen den Zeugen eingeleitet wird. Diese Regelung dient ausschließlich dem Schutz des vernommenen Zeugen und ist Ausdruck des nemo-tenetur-Grundsatzes (niemand muss sich selbst belasten). Über dieses Recht ist der Zeuge zuvor zu belehren, § 55 II StPO. Das Zeugnisverweigerungsrecht erlaubt jedoch lediglich das Schweigen, es rechtfertigt keine Lügen. Daran ändert auch die fehlende Belehrung nichts (vgl. BGH, Beschl. v. 13.02.2004 2 – StR 408/03). Lügt ein Zeuge, so macht er sich daher wegen Meineids strafbar.
2. Subjektiver Tatbestand
A handelte auch vorsätzlich hinsichtlich aller objektiven Merkmale.
3. Rechtswidrigkeit
A handelte auch rechtswidrig.
4. Schuld
A handelte zudem schuldhaft.
5. Ergebnis
A hat sich damit durch sein Handeln vor dem Ermittlungsrichter eines Meineids strafbar gemacht, § 154 I StGB.
Strafzumessung: Strafmilderung
Nach § 154 II StGB besteht allerdings die Möglichkeit einer Strafmilderung. Der BGH sieht in der unterbliebenen vorherigen Belehrung des Zeugen über sein Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO regelmäßig einen Strafmilderungsgrund, der bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist (BGH, Beschl. v. 04.02.1986 – 4 StR 685/85; Beschl. v. 13.02.2004 2 – StR 408/03).
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