Dieser Artikel berücksichtigt die Leitlinien, welche auf AWMF einsehbar sind. Die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels vorliegende Leitlinien-Version, können Sie einsehen.
Inhaltsverzeichnis
- Definition
- Epidemiologie
- Ätiologie
- Pathologie und Pathophysiologie
- Symptome
- Diagnostik
- Differentialdiagnosen
- Therapie
- Verlauf und Prognose
- Beliebte Prüfungsfragen zum Bandscheibenprolaps
- Verbessern Sie Ihre Prüfungsergebnisse! Lernen Sie mit dem kostenlosen Lerncoaching für Mediziner:✔ Effektive Lerntechniken✔ Individuelle Hilfestellungen✔ Anwendungsbeispiele für den Alltag

Bild: “Schnitt durch die Strukturen der Wirbelsäule (links), Bandscheibenvorfall (rechts)” von debivort. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Definition
Bandscheibenprolaps – Bandscheibenvorfall
Bei der Bandscheibenprotusion handelt es sich um eine Vorwölbung der Bandscheibe bei intaktem Anulus fibrosus.
Vom Bandscheibenprolaps (Bandscheibenvorfall) ist die Rede, wenn der Anulus fibrosus perforiert ist und der Nucleus pulposus durch die Perforationsstelle austritt. Das hintere Längsband (Lig. longitudinale posterius) der Wirbelsäule kann hierbei intakt oder perforiert sein.
Ein Sequester liegt vor, wenn das hintere Längsband perforiert ist und sich abgerissene Teile des Nucleus pulposus im Spinalkanal befinden.
Lumbago, Lumboischialgie und radikuläres Syndrom
Die durch Bandscheibenproblematiken hervorgerufenen Symptome sind vielfältig. Erwähnt seien hier die klinischen Begriffe Lumbago (auch Lumbalgie) und Lumboischialgie bzw. Zervikobrachialgie. Wichtig zu wissen ist, dass es sich bei diesen Begriffen um symptombeschreibende Begriffe ohne ätiologische Spezifität handelt.
Der Begriff Lumbago bezeichnet akute oder chronische Schmerzen im LWS-Bereich, die nicht ausstrahlen. Im Volksmund ist er bekannt als „Hexenschuss“.
Bei der Lumboischialgie bzw. Zervikobrachialgie liegen Schmerzen im LWS- bzw. HWS-Bereich vor, die auch in die Extremitäten ausstrahlen. Der segmental ausstrahlende Schmerz entsteht durch die Reizung einer Nervenwurzel.
Das radikuläre Syndrom (auch Wurzelkompressionssyndrom, Radikulopathie) steht zusammenfassend für die Symptome, die durch die Kompression/mechanische Reizung einer Spinalnervenwurzel entstehen, so z.B. auch die segmental ausstrahlenden Schmerzen, wie sie bei der Lumboischialgie oder Zervikobrachialgie vorkommen.
Epidemiologie
Häufige Betroffene eines Bandscheibenprolapses
Rückenschmerzen (Lumbago) stellen mit einer Punktprävalenz von 37 % und einer Lebenszeitprävalenz von 87 % nach den Kopfschmerzen das häufigste Schmerzsyndrom dar. In Deutschland gehen 18 % der Frühberentungen auf Rückenschmerzen zurück.
Auch Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit Schmerzausstrahlung in den Schulter-/Armbereich (Zervikobrachialgie) sind ein häufiges Problem.
Degenerative Bandscheibenerkrankungen sind eine häufige Ursache von vertebragenen Schmerzsyndromen. Am häufigsten ist die LWS betroffen (ca. 2/3 der Fälle), am zweithäufigsten die zervikale Wirbelsäule. Thorakale Bandscheibenvorfälle sind sehr selten.
Bandscheibenvorfälle betreffen meist Menschen zwischen dem 30. und 55. Lebensjahr mit einem Maximum zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr. Männer sind häufiger betroffen. Anders als man intuitiv vermutet, nimmt die Zahl der Bandscheibenvorfälle nach dem 50. Lebensjahr dann eher ab, bedingt vor allem durch die altersbedingte, physiologische Volumenabnahme des Nucleus Pulposus.
Ätiologie
Ursachen eines Bandscheibenprolapses
Die Voraussetzung für die Entstehung eines Bandscheibenvorfalls ist eine schicksalhafte Degeneration der Bandscheibe mit Fissuren im Anulus fibrosus. Eine traumatische Zerstörung einer vorher intakten Bandscheibe ist dagegen extrem selten.
Durch die prolabierte Bandscheibe kann es zur Kompression des Myelons (Myelopathie), des Conus medullaris oder der Cauda equina kommen (Konus-/Kaudasyndrom) oder zu einer Reizung der jeweiligen Spinalwurzeln (Radikulopathie).
Die Bandscheiben (Disci intervertebrales) sind verantwortlich für die Beweglichkeit und Abfederung der Wirbelsäule. Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl der die Bandscheibe versorgenden Gefäße ab und es kommt nach und nach zu einer Fibrosierung des gallertartigen Nucleus pulposus, während der umliegende Anulus fibrosus seine straffe Textur verliert. Diese Veränderungen lassen sich bereits im frühen Erwachsenenalter histologisch feststellen.
Kommt es (z.B. bei starker Belastung) dazu, dass der Anulus fibrosus einreißt, können Anteile des Nucleus pulposus prolabieren: Es kommt zum Bandscheibenvorfall. Beim Vorliegen eines Sequesters befinden sich abgerissene Teile des Nucleus pulposus im Spinalkanal, das hintere Längsband ist perforiert. Dies geschieht besonders in den lateralen Anteilen des hinteren Längsbandes, da dieses in der Mittellinie am stärksten mit dem Anulus fibrosus verwachsen ist
Pathologie und Pathophysiologie
Betroffene Strukturen beim Bandscheibenprolaps
Das Bandscheibengewebe kann beim Bandscheibenvorfall nach medial, mediolateral und lateral verlagert sein. Am häufigsten sind mediolaterale Vorfälle, welche im Zervikal- und Lumbalbereich meist diejenige Nervenwurzel schädigen, welche dem unter der Bandscheibe liegenden Wirbelkörper zugeordnet ist.
So wäre bei einem Prolaps der Bandscheibe zwischen HWK 6 und HWK 7 die betroffene Wurzel C7, denn im Halswirbelsäulenbereich gehen die Nervenwurzeln oberhalb des ihnen zugeordneten Wirbelkörpers ab (Im HWS-Bereich liegen sieben Halswirbelkörper vor, allerdings acht Nervenwurzeln.). Bei einem Prolaps zwischen LWK 5 und SWK 1 wäre die betroffene Wurzel S1.

Bild: “Schnitt durch die Strukturen der Wirbelsäule (links), Bandscheibenvorfall (rechts)” von debivort. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Laterale Bandscheibenvorfälle dagegen können im Lumbalbereich auch die zum oberen Wirbelkörper gehörende Nervenwurzel schädigen. Das mag kompliziert klingen, lässt sich aber aus der Anatomie der Lendenwirbelsäule ableiten: Hier verlassen die Nervenwurzeln den Spinalkanal unterhalb des entsprechenden Wirbelkörpers, während medial davon die Nervenwurzeln des nächsttieferen Segmentes zu ihrem Austritt ziehen. Auf diese Weise kann ein lateraler Prolaps auf Höhe LWK 3/4 ein L3-Syndrom verursachen, ein mediolateraler Prolaps dagegen ein L4-Syndrom.

Bild: “Discusprolaps” von Uwe Gille, Scuba-limp. Lizenz: CC BY-SA 3.0
- Rückenmark
- Dorsalwurzel
- Spinalganglion
- Ventralwurzel
- Spinalnerv
- Bandscheibe
- Bandscheibe
- Faserring
Konus-/Kaudasyndrom durch Bandscheibenprolapse
Das Rückenmark von Erwachsenen endet etwa auf Höhe des LWK 1 mit dem Conus medullaris. Unterhalb verlaufen die lumbalen und sakralen Nervenwurzeln als Cauda equina im Spinalkanal. Ausgeprägte mediale Bandscheibenvorfälle im lumbalen Bereich können zur Kompression des Conus medullaris bzw. aller Nervenwurzeln der Cauda equina in der entsprechenden Höhe führen, was ein Konus- oder Kaudasyndrom (siehe unten) zur Folge hat. Sind Cauda equina und Conus medullaris gleichzeitig betroffen, spricht man vom Konus-Kauda-Syndrom.
Myelopathie durch Bandscheibenprolapse
Massive zervikale oder thorakale Bandscheibenvorfälle können durch Kompression des Rückenmarks zu einer Myelopathie führen. Es entstehen spastische Paresen, Pyramidenbahnzeichen und Blasenentleerungsstörungen.
Symptome
Allgemeine Reizsymptome des Bandscheibenprolapses
Das Leitsymptom eines lumbalen Bandscheibenvorfalls ist der lumbale, stechende Schmerz (Lumbalgie). Auslöser können ungewohnte/unphysiologische Bewegungen sein. Der Schmerz kann durch Husten, Pressen oder Niesen verstärkt sein und die Patienten können durch eine Schonhaltung des betroffenen Beines auffallen. Bei Wurzelirritationen im Bereich L5/S1 kann das Laseguezeichen positiv ausfallen (bzw. das „umgekehrte“ Laseguezeichen bei Irritationen im Bereich L3/L4).
Auch im zervikalen Bereich kommt es zu Schmerzen im betroffenen Wirbelsäulenbereich. Oft finden sich gewisse Schonhaltungen (Caput opstipum = „Schiefhals“, Steilstellung, Skoliose, Torsion), Bewegungseinschränkungen sowie paravertebrale Myogelosen (Muskelverhärtungen).
Radikuläre Syndrome des Bandscheibenprolapses
Am häufigsten kommt es bei Bandscheibenvorfällen zu Wurzelkompressionssyndromen (= Radikulopathien, Radikuläres Syndrom). Durch eine Irritation der abgehenden Nervenwurzeln kommt es zu einer Schmerzausstrahlung und Sensibilitätsstörungen im entsprechenden Dermatom. Beim zervikalen Bandscheibenvorfall strahlen die Schmerzen in den Arm aus (Zerviko-Brachialgie). Der lumbale Bandscheibenvorfall ist durch Kreuzschmerzen gekennzeichnet, die über das Gesäß ins Bein ziehen (Lumbo-Ischialgie). Je nach Ausmaß und Lage des Bandscheibenvorfalls können auch Paresen und abgeschwächte Muskeleigenreflexe auftreten.
Wichtige zervikale radikuläre Syndrome sind diese:
Syndrom: | Parese: | Schmerzausstrahlung, Parästhesien, Sensibilitätsstörung: | Reflexabschwächung: |
C5 | M. deltoideus | Laterale Schulter | BSR (Bizepssehnenreflex) |
C6 | M. biceps brachii, M. brachioradialis | Radialer Arm bis zum Daumen | BSR, RPR (Radiusperiostreflex) |
C7 | M. triceps brachii | Unterarmstreckseite, Handrücken bis 2. – 4. Finger | TSR (Trizepssehnenreflex), BSR |
C8 | Kleine Handmuskeln | Ulnarer Arm, Handkante bis 5. Finger | Trömner-Reflex |
Das sind wichtige lumbale Syndrome:
Syndrom: | Parese: | Schmerzausstrahlung, Parästhesien, Sensibilitätsstörungen: | Reflexabschwächung: |
L3 | M. quadriceps femoris | Schräg über Oberschenkelvorderseite zum Knie | Adduktorenreflex, evtl. PSR (Patellarsehnenreflex) |
L4 | M. quadriceps, M. tibialis ant. | Unterschenkelvorderseite und -innenseite | PSR |
L5 | M. extensor hallucis longus (Großzehenhebung), evtl. M. tibialis ant. und post., M. gluteus med. | Lateraler und vorderer Unterschenkel, Fußrücken bis Großzehe | TPR (Tibialis-posterior-Reflex) |
S1 | M. triceps surae (Plantarflexion, Prüfung z.B. durch Zehenstand), M. glutaeus max., M. biceps femoris | Oberschenkelrückseite und -außenseite, lateraler Fußrand | ASR (Achillessehnenreflex) |
S2-S4 | Blasen-/Mastdarmstörung (CAVE: neurologischer Notfall, siehe Kaudasyndrom) | Oberschenkelrückseite, Analregion (Kaudasyndrom: reithosenförmig) | Analreflex |
Symptome bei Myelopathie
Verursacht ein medialer Bandscheibenvorfall eine Kompression des Rückenmarks im zervikalen oder thorakalen Bereich, kann dies durch eine Schädigung der langen zentralen Bahnen (erstes Motoneuron) zu spastischen Paresen der unteren Extremitäten führen. Die Reflexe sind gesteigert und Pyramidenbahnzeichen treten auf. Es kann auch zu Darm- und Blasenentleerungsstörungen kommen sowie bei einer zervikalen Myelopathie zu einem positiven Lhermitte-Zeichen.
Symptome bei Konus-/Kaudasyndrom
Ausgeprägte mediale Bandscheibenvorfälle, die isoliert im Bereich des Conus medullaris auftreten, verursachen einen Sensibilitätsausfall im Sinne einer „Reithosenanästhesie“ (perianal und an den Oberschenkelinnenseiten beiderseits). Die Fremdreflexe Anal- und Bulbokavernosusreflex (S3 – S5 bzw. S3/S4) sind erloschen, der Analsphinkter ist schlaff. Es kommt zu einer Harnretention, Defäkations- und Sexualfunktionsstörungen.

Bild: “Saddle anesthesia” von Lesion. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Beim Kaudasyndrom kommt es durch Läsionen unterhalb des LWK1, die die Cauda equina betreffen, zur segmental begrenzten und schlaffen Paraparese, ausgefallenen Reflexen sowie radikulär begrenzten Sensibilitätsstörungen. Je nach Läsionshöhe ist der Kremasterreflex (L2) erloschen.
Diagnostik
Anamnese beim Bandscheibenprolaps
Ein wichtiger Teil der Diagnostik von Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule ist die Anamnese. Versuchen Sie, die Schmerzcharakteristika zu erfassen und Begleitsymptome sowie Vorerkrankungen zu erfahren, die als Warnsignale für eine spezifische Ursache der Schmerzen mit dringendem Handlungsbedarf gelten. Die folgenden „Red Flags“ dienen dem frühzeitigen Erkennen von abwendbar gefährlichen Verläufen und sollten deshalb immer erfragt werden:
Fraktur: | Tumor: | Infektion: | Radikulopathie: |
Schwerwiegendes Trauma (Autounfall, Sturz aus größerer Höhe, Sportunfall)
Bagatelltrauma bei Älteren oder potentiellen Osteoporosepatienten Systemische Steroidtherapie |
Höheres Alter
Tumorleiden in Vorgeschichte B-Symptomatik, allgemeine Symptome (Ermüdbarkeit, Appetitlosigkeit) Schmerz, der in Rückenlage zunimmt Starker nächtlicher Schmerz |
Allgemeine Symptome (kürzlich aufgetretenes Fieber, Schüttelfrost, Appetitlosigkeit, Ermüdbarkeit)
Durchgemachte Infektion, konsumierende Grunderkrankung i.v. Drogenabusus Immunsuppression Starker nächtlicher Schmerz |
Straßenförmig in die Beine ausstrahlende Schmerzen, evtl. mit Taubheitsgefühlen oder Kribbelparästhesien oder Schwächegefühl
Kaudasyndrom: plötzlich einsetzende Blasen-/Mastdarmstörung, Gefühlsstörung perianal/perineal Ausgeprägtes/zunehmendes neurologisches Defizit Nachlassen der Schmerzen bei zunehmender Lähmung bis zum kompletten Funktionsverlust des Kennmuskels (Nervenwurzeltod) |
Klinische Untersuchung des Bandscheibenprolapses
Bei Verdacht auf ein radikuläres Syndrom sollte eine sorgfältige klinisch-neurologische Untersuchung erfolgen. Anhand der Schmerzausstrahlung, evtl. vorhandener Paresen und Reflexausfälle sowie der auftretenden Sensibilitätsstörungen kann so auf die geschädigte Nervenwurzel geschlossen werden.
Die Untersuchung der Spitz-Stumpf-Diskrimination hilft, die Sensibilitätsstörungen besser dem entsprechenden Segment zuzuordnen, da die hierbei untersuchte Schmerzempfindung in den Dermatomen nicht so stark überlappt wie die Berührungsempfindung.
Positiver Lasegue-Versuch beim Bandscheibenprolaps
Als Zeichen einer Wurzelirritation ist das Lasegue-Zeichen positiv. Ein positiver Lasegue-Versuch tritt auf, wenn die Dehnung des N. ischiadicus (Wurzeln L5/S1) schmerzhaft ausfällt. Der Patient liegt hierbei auf dem Rücken, während der Untersucher das ausgestreckte Bein des Patienten anhebt. Wenn bei ca. 45° ausstrahlende Schmerzen ausfallen, gilt das Versuchsergebnis als pathologisch.
Der umgekehrte Lasegue-Versuch zeigt eine schmerzhafte Dehnung des N. femoralis (Wurzeln L3/L4) an. Hierbei befindet sich der Patient in Bauchlage, während sein Bein im Knie gebeugt wird und bei angehobenem Oberschenkel der Fuß zum Gesäß geführt wird. Ausstrahlende Schmerzen und Ausweichbewegungen des Patienten machen das Testergebnis positiv.
Radiologische Diagnostik beim Bandscheibenvorfall
Der Goldstandard zur Diagnosesicherung ist beim Bandscheibenvorfall die MRT Untersuchung (axial und sagittal). Zur Beurteilung der knöchernen Strukturen können eine konventionelle Röntgenuntersuchung sowie eine CT durchgeführt werden. Eventuell kann eine Myelografie weitere diagnostische Hinweise liefern.

Bild: “L4-l5-disc-herniation” von Edave. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Neurophysiologische Untersuchungen
Elekrophysiologische Untersuchungen können evtl. einen Beitrag zur Unterscheidung zwischen einer Radikulopathie und einer peripheren Nervenschädigung liefern. Grundsätzlich wird bei einem monoradikulärem Syndrom mit passender Bildgebung und einem entsprechenden Kompressionsnachweis keine zusätzliche elektrophysiologische Bestätigung benötigt.
Differentialdiagnosen
Abzugrenzen von einem Bandscheibenvorfall im Lumbalbereich ist zum einen der unspezifische Rückenschmerz mit pseudoradikulärer Ausstrahlung sowie andere Ursachen eines radikulären Syndroms.
Pseudoradikuläre Syndrome beim Bandscheibenprolaps
Rückenschmerzen, die radikulär „anmuten“ und in die Arme bzw. Beine ausstrahlen, jedoch nicht von direkt von der Kompression einer Nervenwurzel herrühren, werden auch pseudoradikuläre Syndrome genannt. Die Schmerzen strahlen typischerweise nicht streng radikulär aus, eventuell liegen auch Parästhesien vor (jedoch ohne strenge Dermatomzuordnung). Die Ursache für diese Syndrome ist in der Regel orthopädisch begründet, z.B. durch ein Facettensyndrom oder ein Iliosakralgelenksyndrom. Hierbei handelt es sich um Gelenkdistorsionen („Blockierungen“), die als Folge von degenerativen Veränderungen oder Fehlhaltungen auftreten.
Periphere Nervenläsionen beim Bandscheibenprolaps
Periphere Nervenläsionen bzw. Plexusläsionen können klinisch einer Wurzelschädigung ähneln. Neben der genauen Analyse der klinischen Symptome kann eine Neurografie bei der Abgrenzung helfen.
Radikulitis beim Bandscheibenprolaps
Eine Radikulitis, die durch bakterielle oder virale Infektionen (v.a. Borreliose und Herpes zoster), autoimmune oder kryptogene Entzündungen ausgelöst werden kann, sollte differentialdiagnostisch betrachtet werden.
Abgesehen von Bandscheibenvorfällen können auch lokale Raumforderungen eine Radikulopathie verursachen (Tumor, Knochenmetastasen). Auch degenerative Wirbelsäulenveränderungen, spinale Abszesse oder eine Spondylodiszitis sollten bedacht werden sowie die Möglichkeit einer diabetischen Radikulopathie.
Therapie
Konservative Therapie beim Bandscheibenprolaps
Eine Radikulopathie sollte zunächst konservativ behandelt werden. Bei einer zervikalen Radikulopathie kann sowohl eine Ruhigstellung mit Halskrause als auch eine mobilisierende Physiotherapie empfohlen werden. Eine Entlastung und Ruhestellung werden für Patienten mit Lumbalgien in der Akutphase nicht mehr empfohlen (siehe Leitlinie für lumbale Radikulopathien). Auch Patienten mit radikulären Syndromen wird zu einer Physiotherapie und Aktivität spätestens vier Tage nach dem akuten Ereignis geraten.
Wenn Schmerzen bestehen, werden diese mit Analgetika (Paracetamol, NSAR) und Muskelrelaxantien behandelt. Bei Versagen der Nicht-Opiod-Analgetika können auch schwach wirksame Opioid-Analgetika zum Einsatz kommen. Prinzipiell richtet sich die Therapie nach dem Stufenschema der WHO.
Operative Therapie beim Bandscheibenprolaps
Auch wenn beinahe die Gesamtheit (90%) aller Bandscheibenvorfälle konservativ behandelbar ist, gibt es Fälle, in denen operatives Eingreifen notwendig ist. Absolute Indikationen für eine OP beim Bandscheibenvorfall sind:
- Blasen- und Mastdarmschädigungen
- Konus-Kauda-Syndrom
- Deutliche Paresen (3/5)
- Zeichen einer Myelopathie
Relative Indikationen sind ein sequestrierter Bandscheibenvorfall und das Versagen der konservativen Therapie (persistierendes Schmerzsyndrom über vier Wochen trotz konservativer Therapie).
Das Bandscheibenmaterial kann durch eine mikrochirurgische Diskektomie entfernt werden: Eventuell findet anschließend eine interkorporelle Spondylodese (Fusion, „Versteifung“) statt.
Verlauf und Prognose
Zurückbildung des Bandscheibenprolapses
Unter adäquater konservativer Therapie bilden sich akute radikuläre Syndrome bei Bandscheibenvorfällen in bis zu 80% der Fälle zurück. Bei einer guten Indikationsstellung ist die Erfolgsrate bei einer operativen Therapie vergleichbar.
Die Rezidivrate ist jedoch hoch. Wichtig ist eine gute Prophylaxe bestehend aus Muskelaufbautraining, genügend Bewegung und der Reduzierung von Übergewicht.
Beliebte Prüfungsfragen zum Bandscheibenprolaps
Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellen.
1. Ein 50-jähriger Koch verspürt beim Anheben eines schweren Topfes plötzlich einen starken Schmerz im Bereich der unteren LWS. Der Schmerz wird bei Husten stärker und strahlt in den rechten Fußrücken und in die rechte Großzehe aus. Worum handelt es sich am ehesten?
- Lumbale Sponylolisthesis
- Lateraler Bandscheibenvorfall zwischen LWK 3 und LWK 4 rechts
- Konus-Syndrom
- Radikulopathie der Wurzel L5 rechts
- Keine der genannten Antworten ist richtig.
2. Ein Bandscheibenprolaps auf Höhe LWK4/5 äußert sich häufig mit
- Abgeschwächtem Analreflex
- Abgeschwächtem ASR (Achillessehnenreflex)
- Abgeschwächter Großzehenhebung
- Blasen-/Mastdarmstörung
- Keine der genannten Antworten ist richtig.
3. Welche therapeutische Maßnahme empfiehlt sich NICHT zur Behandlung einens Bandscheibenprolaps?
- mobilisierende Physiotherapie
- chiropraktische Behandlung
- Behandlung mit NSAR
- Behandlung mit Muskelrelaxantien
- Behandlung mit Opiod-Analgetika
Schreiben Sie einen Kommentar
2 Gedanken zu „Der Bandscheibenvorfall – Alles über den Bandscheibenprolaps (BSP)“
sehr schön bezeichnender artikel , aufschlussreich und informativ
Das sind wichtige lumbale Syndrome
Das Syndrom L3 hat ganz bestimmt nicht den Ausfall des M. deltoideus zur Folge 😉 hier ist wohl eher der M. quadriceps femoris zu nennen.
MFG
A. Florian