Inhaltsverzeichnis
- Definition und Überblick
- Epidemiologie
- Ätiologie und Pathogenese
- Symptome und Klinik
- Diagnose
- Differentialdiagnosen
- Therapie
- Prognose
- Beliebte Prüfungsfragen zur Akromegalie
- Quellen
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Bild: “Image from page 818 of ‚Physiology and biochemistry in modern medicine‘ (1918), Bild einer Frau vorher und 17 Jahre nach Ausbruch der Krankheit” von Internet Archive Book Images. Lizenz: Keine bekannten Urheberrechtseinschränkungen
Definition und Überblick
Akromegalie – auch bekannt als Riesenwuchs oder Gigantismus
1886 prägte der französische Arzt Pierre Marie den Begriff der Akromegalie. Die Erkrankung ist die Folge von einer autonom gesteigerten GH (Growth Hormone)-Produktion. Hauptsymptome und Komplikationen ergeben sich aus der Vergrößerung der Organe und Akren und den Veränderungen im Stoffwechsel. Die nicht sofort sichtbaren Veränderungen im Körper der Betroffenen sind Hypertonie, pathologische Glukose-Toleranz, Sehstörungen und Viszeromegalie.
Bezeichnung und Synonyme: Akromegalie (altgr.: für „äußerst“ und „groß“), Gigantismus, Pierre-Marie-Syndrom, Riesenwuchs, Pachyakrit, Hyperpituitarismus
Epidemiologie
In Deutschland jährlich ca. 270-330 Akromegalie-Neuerkrankungen
Pro einer Million Einwohner erkranken jährlich drei bis vier Personen neu an einer Akromegalie, in Deutschland entspricht das etwa 270-330 Menschen. Die Prävalenz in Deutschland beträgt ca. 3000 bis 6000 Erkrankte.
Das mittlere Alter bei Erkrankungsbeginn liegt bei ca. 40 Jahren (bei Diagnosestellung!). Da die Erkrankung durch einen sehr schleichenden Beginn und Verlauf gekennzeichnet ist, sind auch heute Intervalle zwischen 5 bis 10 Jahren zwischen Erkrankungsbeginn und Diagnosestellung die Regel.
Es wurden keine eindeutigen Unterschiede bei der Erkrankungshäufigkeit zwischen Männern und Frauen nachgewiesen. Die Lebenserwartung von Patienten mit Akromegalie ist etwa um zehn Jahre verkürzt, da maligne Tumoren häufiger auftreten.
Ätiologie und Pathogenese
Das Wachstumshormon GH bei Akromegalie
GH ist ein Peptidhormon, welches im Hypophysenvorderlappen (HVL) gebildet wird. GH wird vorwiegend im Schlaf und in der Pubertät sezerniert. Es wirkt insulinantagonistisch, wachstumsfördernd und Anatol (intrazellulärer Einbau von Aminosäuren ↑, Proteinsynthese ↑). Die periphere Wirkung des GH wird indirekt durch die IGF-1-Synthese in der Leber vermittelt. Auch von der Nahrungsaufnahme ist die GH-Produktion abhängig. Es findet sich ein Anstieg bei:
- Hypoglykämie
- Belastung
- Stress
- Körperliche Anstrengung
2. GH steigert die Gluconeogenese in der Leber und die Stimulierung der Glukagon-Sekretion.
Hormoneller Regelkreis des Wachstumshormons
Die Regulation des GH unterliegt folgenden Mechanismen:
- Der Hypothalamus bildet GH-Releasing-Hormone Somatoliberin (GHRH) mit Folge der Stimulation der GH-Bildung.
- Inhibitorisch auf die GH-Bildung wirkt das ebenfalls vom Hypothalamus gebildete Somatostatin (GHIH).
- GH wirkt in der Peripherie durch das in der Leber gebildete Insulin-like-growth-hormone IGF-1, welches wiederum eine Inhibition der GH-Bildung bewirkt (negativer Feedback-Mechanismus). Dieses negative Feedback funktioniert bei der Akromegalie nicht. Mehr zur Hypothalamus-Hypophysen-Achse lesen Sie in einem weiteren Artikel.
GH-produzierendes Hypophysenadenom bei Akromegalie
In den meisten Fällen ist für die Überproduktion bei Akromegalie ein monoklonales Hypophysenadenom verantwortlich. GH-produzierende Tumore machen 20 % der Hypophysenadenome aus. Sehr selten ist die Akromegalie aufgrund einer ektopen GH-Produktion (z.B. Pankreasinselzelltumor) oder eines GHRH-Exzesses (z.B. Hypothalamustumor). Eine übermäßige Sekretion von Wachstumshormonen führt zu einer Vergrößerung der Organe und Akren, was meist als eine Vergröberung der Gesichtszüge imponiert.
Tritt eine Überproduktion an GH schon im Kindesalter auf, wenn die Wachstumsfugen noch nicht geschlossen sind, kommt es zum Gigantismus – Betroffene werden bis über zwei Meter groß. Aufgrund einer Zahnfehlstellung und Kiefergelenksvergrößerung werden Kieferorthopäden und Zahnärzte häufig primär konsultiert.
Symptome und Klinik
Die klinischen Symptome der Akromegalie sind das Resultat einer erhöhten Stimulation des enchondralen und oppositionellen Knochenwachstums, sowie der Haut/Hautanhangsorgane und des Organwachstums.
Kinder (vor Epiphysenfugenschluss) | Erwachsene (nach Ephiphysenfugenschluss) |
Hypophysärer Riesenwuchs (Gigantismus) > 2 m | Akromegalie, Viszeromegalie |
Typische Charakteristika der Akromegalie
- Vergröberung der Gesichtszüge
- Viszeromegalie (sichtbare Organvergrößerung z.B.: Kropfbildung)
- Vergrößerung der knöchernen Akren
- Verdickung der Haut (Pachydermie): Hypästhesien, Parästhesien
- Makroglossie: Vergrößerung der Zunge mit kloßiger Sprache
- Vergrößerung der Nase
- Ausbildung supraorbitaler Wülste
- Auseinanderweichen der Zähne mit erweiterten Interdentalspalten
- Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Knochenschmerzen, Schwitzen (Hyperhidrosis)
Mögliche Komplikationen der Akromegalie
- Gesichtsfeldausfälle (bitemporale Heminanopsie) aufgrund einer Kompression des Chiasma optimum durch Hypophysenadenom

Bild: “Pituitary macroadenoma with suprasellar extension, compressing the optic chiasm.” von Openi. Lizenz: CC BY 2.0
- Karpaltunnelsyndrom durch Bindegewebshyperplasie
Sekundärkomplikationen der Akromegalie
- Schlaf-Apnoe-Syndrom (> 90 % der Patienten sind betroffen)
- Diabetes mellitus
- Sekundärer Hypogonadismus (Frauen: sekundäre Amenorrhö und Zyklusstörungen, Männer: Libido- und Potenzverlust), Hyperprolaktinämie, Erektionsstörungen
- Hypertonie (bei 30 % der Patienten)
- Wirbelsäulen-/Gelenkbeschwerden
- Kolon- und Mammakarzinome
Fallbeispiel zur Akromegalie
So könnte ein Fall zur Akromegalie im Hammerexamen aussehen:
Ein 45-jähriger Mann wurde durch die typischen Veränderungen der Akromegalie (Vergrößerung von Nase, Ohren, Lippen, Zunge, Finger und Zehen) auffällig. In der endokrinologischen Diagnostik zeigten sich pathologisch erhöhte Wachstumshormonspiegel. Es wurde die Diagnose einer Akromegalie gestellt. Im daraufhin veranlassten MRT zeigt sich ein kleiner, innerhalb der Hirnanhangsdrüse gelegener, wenig kontrastmittelaufnehmender Tumor, der für das Vorliegen eines wachstumshormonbildenden Adenoms sprach.
Der Tumor wurde über einen Zugang durch die rechte Nasenhöhle und Keilbeinhöhle unter Zuhilfenahme des OP-Mikroskops und Endoskops komplett entfernt. Postoperativ haben sich die Wachstumshormonspiegel normalisiert. Das postoperative MRT zeigt die komplette Entfernung des Adenoms mit regelrechter Darstellung der normalen Hirnanhangsdrüse. Die postoperativen Hormontests ergaben eine normale Funktion der verbliebenen Hirnanhangsdrüse, sodass der Patient keine Hormone substituieren muss. Die Akromegalie wurde allein durch die Operation geheilt.
Quelle: Uni Greifswald
Diagnose
Akromegalie möglichst früh diagnostizieren
Laboruntersuchungen bei Akromegalie
Die GH-Sekretion schwankt stark im Tagesverlauf. Aufgrund dessen sind Einzelbestimmungen von GH für die Diagnosefindung einer Akromegalie nicht sinnvoll. Das einfachste diagnostische Mittel stellt der oGTT (oraler Glukosetoleranztest) mit paralleler Bestimmung des Serum-GHs dar. Bei Vorliegen einer Akromegalie wäre eine fehlende Suppression von GH < 1 μg/l typisch.
Ebenfalls in Frage kommt eine Hormonanalyse für IGF-1 und GH, die beide im Fall pathologisch erhöht sein werden. Das komplexgebundene IGF-1 besitzt eine Serumshalbwertszeit von bis zu 18 h, die Serumbestimmung ist also suffizient aussagekräftig.
Um weitere hormonproduzierende Adenome des Hypophysenvorderlappens auszuschließen, sollten LH/FSH, TSH, Prolaktin und ACTH bestimmt werden. Häufig ist begleitend ein partieller oder kompletter Hypopituitarismus.
Bildgebende Verfahren bei Akromegalie

Bild: “Sagittal MRI brain with enlarged pituitary and suprasellar cyst” von Openi. Lizenz: CC BY 2.0
Differentialdiagnosen
Ähnliche Krankheitsbilder wie die Akromegalie
GH-Störungen ohne Adenom | Hereditär verursachte Akromegalie | Weitere Differentialdiagnosen |
Hypophysenhyperplasie | MEN-1-Syndrom | Konstitutionell bedingter Hochwuchs |
Ektope/paraneoplastische GH-/GHRH-Bildung | McCune-Albright-Syndrom | Akromegaloid |
Familiäre Akromegalie | Hyperostosis generalisata (primäre hypertrophische Osteoarthropathie, Pachydermoperiostose) | |
Carney-Komplex |
Therapie
Operative Therapie der Akromegalie
Die transsphenoidale Adenomektomie über einen endonasalen Zugang stellt aktuell das operative Mittel der Wahl dar. Diese Operation wird mit potentiell kurativem Ansatz durchgeführt. Bei kompletter Tumorentfernung kommt es sofort zu einem Absinken des Hormonspiegels.
Der endgültige Beweis für eine erfolgreiche Tumorentfernung mit Heilung der Akromegalie wird dann einige Wochen nach der Operation durch erneute endokrinologische Untersuchungen festgestellt.
Strahlentherapie bei Akromegalie
Bei Inoperabilität und/oder unvollständiger Resektion können stereotaktische Radiochirurgie, Protonentherapie und konventionelle Radiatio angewandt werden. Die Wirkung der Bestrahlung ist jedoch oft nicht direkt, sondern kann unter Umständen erst nach Jahren eintreten. Weiter muss die Gefahr einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz bedacht werden.
Medikamentöse Behandlung der Akromegalie
Bei Inoperabilität und passager bei Strahlentherapie wird medikamentös behandelt. Ist der Tumor des Patienten sehr groß, kann ggfs. präoperativ medikamentös vorbehandelt werden, um eine Verkleinerung des Tumors herbeizuführen und den Allgemeinzustand des Patienten zu verbessern. Alle Medikamente zielen auf die Hemmung der Hemmung der GH-Sekretion ab:
Medikamentengruppe | Wirkung | Beispiele |
Dopamin-D2-Agonisten | Inhibition der GH-Produktion des Hypophysenadenoms | Bromocriptin, Cabergolin |
GH-Rezeptor-Antagonisten | Normalisierung des erhöhten IGF-1-Spiegels | Pegvisomant |
Somatostatin-Analoga | Vermindern Adenomgröße, normalisieren GH-Spiegel | Octreotid, Lanreotid |
Prognose
Lebenserwartung von Akromegalie-Patienten
Die Lebenserwartung von Menschen mit Akromegalie ist aufgrund der Sekundärkomplikationen signifikant eingeschränkt. Unbehandelt ist sie um ca. 10 Jahre verkürzt.
Die Letalität ist im Vergleich doppelt bis vierfach so hoch zu Gesunden. Die Gründe hierfür sind meist Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes mellitus. Auch das vermehrte Auftreten von Kolon– und Mammakarzinomen trägt zu einer verminderten Lebenserwartung bei.
Beliebte Prüfungsfragen zur Akromegalie
Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellenangaben.
1. Was gehört nicht zu den typischen Symptomen der Akromegalie?
- Vergröberung der Gesichtszüge
- Viszeromegalie
- Vergrößerung der knöchernen Akren
- Megakolon
- Makroglossie
2. Welches der folgenden Medikamente gehört nicht zu den therapeutischen Möglichkeiten bei Akromegalie?
- Bromocriptin
- Cabergolin
- Pegvisomant
- Octreoctid
- Doxorubicin
3. Zu den Tumorerkrankungen, die zu den Sekundärkomplikationen bei Akromegalie zählen, gehört vor allem welcher der im folgenden genannten Tumoren?
- Mamma-CA
- kleinzelliges Nierenzell-CA
- Malignes Melanom
- Retinoblastom
- Meningeom
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Quellen
Schaffert, K. von Werder: Akromegalie — Vom Symptom zu Diagnose und Therapie
Genzwürker et al.: AllEX – Alles fürs Examen (2014) – Thieme Verlag
Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg): Basislehrbuch Innere Medizin, 5. Auflage (2012) – Elsevier Verlag
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Akromegalie via endokrinologie.net
Uniklinikum Saarland Neurochirurgie: Hypophysentumore
Lösungen: 1D, 2E, 3A
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