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Bild: “Gross pathology of rheumatic heart disease” von CDC. Lizenz: Public Domain
Definition
Rheumatisches Fieber nach Infektion

Bild: “ Photomicrograph of Streptococcus pyogenes bacteria” von CDC. Lizenz: Public Domain
Beim rheumatischen Fieber handelt es sich um eine entzündliche Reaktion, die nach einer Infektion mit Streptokokken der Gruppe A auftritt und deren Toxine die Auslöser sind.
Epidemiologie
Prävalenz und Inzidenz des rheumatischen Fiebers
Laut Weltgesundheitsorganisation WHO liegt die Gesamtprävalenz der rheumatischen Herzerkrankung bei ca. 15 Millionen (von 2004). Da in Industrieländern Antibiotika verbreitet zum Einsatz kommen, ist das rheumatische Fieber hier in den letzten 50 Jahren eine seltene Erkrankung geworden. In Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung ist die Inzidenz des rheumatischen Fiebers immer noch sehr hoch. Laut WHO ist in den Entwicklungsländern die rheumatische Herzerkrankung für 12 – 65 % aller kardiovaskulären Hospitalisierungen und für 2 – 10% aller Krankenhausaufenthalte verantwortlich.

Bild: “Rheumatic heart disease world map” von Lokal_Profil. Lizenz: CC BY-SA 2.5
Das rheumatische Fieber lässt sich auf eine Infektion des oberen Respirationstrakts mit beta-hämolysierenden Streptokokken der Lancefield-Gruppe-A zurückführen. Am häufigsten ist die bakterielle Pharyngitis. Der Häufigkeitsgipfel der Streptokokken-Gruppe-A-Pharyngitis liegt bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 – 15 Jahren. Im Erwachsenenalter tritt das rheumatische Fieber am häufigsten bei unter 30-Jährigen auf. Das rheumatische Fieber tritt bei Männern und Frauen gleich häufig auf.
Ätiologie und Pathogenese
Ursachen des rheumatischen Fiebers
Die Produktion von Antikörpern wird getriggert durch Bestandteile der Streptokokkenmembran, welche als Antigene wirksam sind. Streptokokken-Antigene sind strukturell körpereigenen Proteinen ähnlich. Diese Kreuzreaktivität führt zur einer verzögerten Autoimmunreaktion, ausgelöst durch die produzierten Antikörper (molekulare Mimikry).
Der genaue pathogenetische Mechanismus ist nach wie vor unbekannt. Als genetische Komponente vermutet man HLA-Antigene der MHC-Klasse II.
Symptome und Klinik
Fallbeispiel: Bei einer 16-jährigen Patientin treten 3 Wochen nach einer akuten Tonsillitis Fieber und äußerst schmerzhafte Schwellung der Kniegelenke auf. Wenige Tage zuvor hatte die Patientin eine girlandenförmige Hautrötung und kleine Knötchen unter der Haut im Ellenbogenbereich bemerkt. Mit dem Fieber waren retrosternales Druckgefühl, Herzstiche und wiederholtes Herzrasen einhergegangen. Bei der körperlichen Untersuchung fällt eine weiterhin bestehende Tonsillitis auf.
(via H.-W. Bänkler et al. (2010): Kurzlehrbuch Innere Medizin. Georg Thieme Verlag.)

Bild: “A case of strep throat, culture positive.” von James Heilman. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Meist innerhalb von 1 – 3 Wochen nach dem vorangegangenen Streptokokkeninfekt (meistens in Form einer Tonsillitis) bekommt der Betroffene Fieber und leidet unter einem allgemeinen Krankheitsgefühl mit Müdigkeit, Blässe, Schwitzen. Die Hauptmanifestationsorte des rheumatischen Fiebers sind die drei Organsysteme Gelenke, Herz und Gehirn.
Arthritis beim rheumatischen Fieber
Die sehr schmerzhafte Arthritis wandert im typischen Fall zwischen den größeren Gelenken hin und her. Vor allem betroffen sind die Sprunggelenke, Kniegelenke, Ellbogen- und Handgelenke. Besondere Hauterscheinungen, die parallel auftreten, sind das Erythema anulare marginatum, Rheumaknoten und das Erythema nodosum.
- Erythema anulare marginatum: Rosafarben-bläuliche ringförmige Effloreszenzen am Körperstamm
- Rheumaknoten: Subkutan liegende Knötchen (bis 2 cm groß), die an den Streckseiten der Extremitäten auftreten
- Erythema nodosum: Bläulich livide Knoten, die vorwiegend an den Unterschenkeln auftreten und druckschmerzhaft sind

Bild: “A case of erythema nodosum” von James Heilman. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Karditis beim rheumatischen Fieber

Bild: “Micrograph showing an Aschoff body (right of image), as seen in rheumatic heart disease” von Nephron. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Da Endokard, Myokard und Perikard betroffen sind, spricht man von einer Pankarditis. Bei der Perikarditis handelt es sich um serofibrinöse Entzündung mit Ergussbildung. Die Myokarditis äußert sich in einer Tachykardie und/oder Arrhythmie. In der Histologie lassen sich Myofibrillennekrosen und Aschoff-Granulome (myokardiale Knoten) finden.
Bei der Endokarditis handelt es sich um eine verruköse Form, bei der es zu warzenförmigen Ablagerungen von Immunkomplexen am Klappenrand kommt. Klinisches Resultat sind Klappenvitien, vor allem der Mitral– und Aortenklappe. Die typischen Herzgeräusche sind:
- Systolikum der Mitralklappeninsuffizienz
- Diastolikum der Aorteninsuffizienz
Trikuspidal- und Pulmonalklappe sind seltener betroffen.
Enzephalitis beim rheumatischen Fieber
Patienten mit rheumatischem Fieber, bei denen das zentrale Nervensystem mit betroffen ist, zeigen nach einer möglichen Latenzzeit von mehreren Monaten typischerweise Zeichen einer Chorea Minor: Nicht willkürliche Bewegungen und Grimassieren.
Diagnostik
Körperliche Untersuchung beim rheumatischen Fieber
Der Hauptfokus liegt auf der körperlichen Untersuchung inklusive Herzauskultation und ausführlicher neurologischer Untersuchung. Dies ist meist schon ausreichend, um die Verdachtsdiagnose zu stellen.
Unter Nutzung der Echokardiographie ist in 70 – 80 % der Fälle mit diagnostiziertem rheumatischem Fieber mit einer Herzbeteiligung zu rechnen. Dies ist deutlich häufiger als bei der rein klinischen Beurteilung des Herzens.
(via Leitlinie rheumatisches Fieber)
Labordiagnostik beim rheumatischen Fieber
Im Labor finden sich deutlich erhöhte Entzündungsparameter (BSG, CRP). Erhoben werden sollten weiterhin Differenzialblutbild, Leber- und Nierenwerte und Urinstatus. Die Kultvierung der Streptokokken aus dem Rachenabstrich gehört zum Goldstandard, um die postinfektiöse Genese zu bestätigen. Die typischen Streptokokkenmarker zeigen sich stark erhöht bzw. steigt der Titer in zwei Stufen an:
- Anti-Streptolysin (ASL): 1 Woche nach Infektion, maximaler Titer 3 – 6 Wochen nach Infektion
- Spezifische Anti-DNAse-B-Antikörper: Anstieg nach 1 – 2 Wochen, maximaler Titer 6 – 8 Wochen nach Infektion erreicht
Mittels Rachenabstrich kann ein mikrobiologischer Keimnachweis bestimmt werden, jedoch nur in 30 % der Fälle.
Apparative Diagnostik beim rheumatischen Fieber
Zur weiteren apparativen Diagnostik gehören Echokardiografie, EKG, 24-Stunden-Langzeit-EKG, Röntgen-Thorax und ggfs. eine Gelenksonografie.
- Echokardiografie: Die Echokardiografie ist essentiell für die Diagnostik der Karditis. Der Fokus liegt auf Klappenveränderungen, Vergrößerung und Funktion des linken Ventrikels (evtl. Veränderungen durch die Myokarditis) und Ausbildung von Perikardergüssen.
- EKG: Fragestellung nach Tachykardien, PQ-Verlängerung und Erregungsrückbildungsstörungen. Wurde eine kardiale Beteiligung festgestellt, sollte ein Langzeit-EKG durchgeführt werden, um Herzfrequenzniveau und Rhythmusstörungen zu erfassen.
- Röntgen–Thorax: Wird nicht zur Primärdiagnostik gezählt, kann aber in Erwägung gezogen werden, um die Herzgröße und pulmonale Veränderungen zu erfassen.

Bild: “Adams-Stokes attack as the first symptom of acute rheumatic fever” von Carano N, Bo I, Tchana B, Vecchione E, Fantoni S, Agnetti A. Lizenz: CC BY 2.0
Jones-Kriterien: Diagnosekriterien des rheumatischen Fiebers
Für das rheumatische Fieber sind genaue diagnostische Kriterien vorgegeben, die nach T. Duckett Jones und Edward Franklin Bland festgelegt wurden und in Hauptkriterien und Nebenkriterien aufgeteilt sind. Die Jones-Kriterien wurden bereits erstmalig 1944 als Richtlinien für das rheumatische Fieber veröffentlicht.
Hauptkriterien (Major) |
Nebenkriterien (Minor) |
Polyarthritis (50 – 70 %) | Fieber |
Karditis (50 %) | Arthralgie |
Chorea minor (selten) | BSG erhöht, CRP erhöht |
Subkutane Knötchen (10 – 20 %) | verlängerte PQ-Zeit |
Erythema marginatum (1 – 2 %) |
Ein akutes rheumatisches Fieber gilt als diagnostiziert, wenn 2 Hauptkriterien oder 1 Hauptkriterium und 2 Nebenkriterien erfüllt sind.
Ausnahmen (Diagnose außerhalb der Jones-Kriterien):
- Karditis (mit klarem anamnestischen Bezug zu vorangegangenem Streptokokkeninfekt)
- Chorea minor (nach Ausschluss anderer ZNS-Erkrankung)
- Rezidiv des Rheumatischen Fiebers
Differentialdiagnosen
Ähnliche Krankheitsbilder wie das rheumatische Fieber
Vor allem entzündliche Gelenkerkrankungen anderer Genese müssen ausgeschlossen werden. Man bedient sich hierzu vor allem serologischer Tests.
- Spondylitis ankylosans mit peripherem Gelenkbefall (dort finden sich in ca. der Hälfte der Fälle auch erhöhte Streptokokkenantikörpertiter)
- Arthritis psoriatica
- Enteropathische Arthritiden bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa
- Morbus Whipple
- Morbus Behçet
- Virusinduzierte Arthritiden
- Lyme-Arthritis
- Septische Arthritis
- Atypisch beginnende rheumatoide Arthritis
- Juvenile idiopathische Arthritis
Therapie
Behandlung des rheumatischen Fiebers
Die Therapie des rheumatischen Fiebers zielt auf die Eradikation des Antigens, die Eindämmung der Entzündung und auf die Umgebungs- und Rezidivprophylaxe ab. Sie sollte direkt nach dem Rachenabstrich und dem Streptokokkenschnelltest durchgeführt werden.
Im akuten Fall wird eine Therapie mit Penicillin G eingeleitet. Zusätzlich kann für die antiinflammatorische Wirkung ASS gegeben verabreicht werden. Bei Penicillin-Allergie kommen Makrolide und Cephalosporine in Frage. Zeigt sich beim Patienten eine kardiale Beteiligung, werden – obwohl der Effekt nicht hinreichend belegt ist – Glukokortikoide verabreicht.
Zur symptomatischen Therapie der Arthritis sind Physiotherapie, Kryotherapie oder Wärmetherapie geeignet.
Nachsorge des rheumatischen Fiebers: Rezidiv- und Umgebungsprophylaxe
Auch wenn kein Keimnachweis erbracht werden konnte, folgt eine Langzeittherapie mit Penicillin bis zum 25. Lebensjahr. Zu diesem Zweck werden Depotpenicilline (z.B. intramuskulär jeden Monat) verabreicht. Bei diagnostischen und operativen Eingriffen sollte eine Endokarditisprophylaxe verabreicht werden. Falls kardiale Schäden vorliegen, können rehabilitative Maßnahmen wie Physiotherapie nötig sein.
Dauer der antibiotischen Prophylaxe des rheumatischen Fiebers bei Kindern und Jugendlichen laut Leitlinien des rheumatischen Fiebers bei Kinder und Jugendlichen:
Kategorie | Dauer |
Rheumatisches Fieber mit Karditis und bleibendem Herzklappenfehler | 10 Jahre oder bis zum 40. Lebensjahr (je nachdem, welcher Zeitraum länger ist), manchmal lebenslang |
Rheumatisches Fieber mit Karditis aber ohne bleibende Herzklappenerkrankung | 10 Jahre oder bis zum 21. Lebensjahr (je nachdem welcher Zeitraum länger ist) |
Rheumatisches Fieber ohne Karditis | 5 Jahre oder bis zum 21. Lebensjahr (je nachdem welcher Zeitraum länger ist) |
Umgebungsprophylaxe
Ein Rachenabstrich sollte bei allen Familienmitgliedern durchgeführt werden. Fällt der Nachweis der Streptokokken-A-Gruppe positiv aus, erfolgt eine antibiotische Therapie.
Prognose
Überlebenswahrscheinlichkeit des rheumatischen Fiebers
Die Prognose richtet sich nach der möglichen Entwicklung eines Herzklappenfehlers. Eine weitere gefährliche Komplikation ist der Herzstillstand. Bei 2 – 5 % der Erkrankten endet das rheumatische Fieber letal. Eine kardiale Beteiligung mit chronischen Folgen für das Herz liegt in etwa 50 % der Fälle vor. Wenn keine kardiale Beteiligung vorliegt, ist die Prognose günstig und heilt meist folgenlos aus.
Bei schweren Schäden der Herzklappen kann unter Umständen ein chirurgischer Klappenersatz notwendig werden.
Beliebte Prüfungsfragen zum rheumatischen Fieber
Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellenangaben.
1. In der Diagnostik des rheumatischen Fiebers werden die sog. Jones-Kriterien verwendet. Welches der folgenden aufgeführten Kriterien gehört nicht zu den Hauptkriterien der Jones-Kriterien?
- Polyarthritis
- Karditis
- Arthralgie
- Chorea minor
- Subkutane Knötchen
2. Im Rahmen eines rheumatischen Fiebers können verschiedenen Hautbegleiterscheinungen auftreten. Neben den Erythena anulare und Rheumaknoten tritt auch das Erythema nodosum auf. Darunter versteht man…
- …rosafarben-bläuliche Effloreszenzen am Körperstamm.
- …bläulich-livide Knoten, die vorwiegend an den Unterschenkeln auftreten und druckschmerzhaft sind.
- …subkutan liegende Knötchen, die an den Streckseiten der Extremitäten auftreten.
- …scharf begrenzte, wandernde, jedoch schmerzlose rote Knoten, vorwiegend an den Ellenbogen primär auftretend.
- …gelbbraune bis rotbraune, scharf begrenzte, symptomlose Flecken, die mit zunehmender Krankheitsdauer konfluieren.
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Quellen und Leitlinie des rheumatischen Fiebers
S2k Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Rheumatisches Fieber – Poststreptokokkenarthritis* im Kindes- und Jugendalter der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK). In: AWMF online (Stand: 31.08.2013 , gültig bis 31.08.2018)
Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin, 5. Auflage (2012) – Elsevier Verlag.
Braun, J., Dormann, A.J.: Klinikleitfaden Innere Medizin (2010) – Elsevier Verlag.
Lösungen: 1C, 2B
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2 Gedanken zu „Innere Medizin Rheumatologie: Rheumatisches Fieber“
Enzephalitis beim RF, sollte Chorea Minor heissen, nicht Cholera Minor wie oben geschrieben.
Liebe Dana,
vollkommen richtig. Werden wir ändern. Danke für den Hinweis!:)
Liebe Grüße
Marvin von Lecturio