Hyperparathyreoidismus

Hyperparathyreoidismus ist eine Erkrankung, die mit erhöhten Serumspiegeln des in der Nebenschilddrüse synthetisierten Parathormons (PTH) einhergeht. Abhängig von der Pathogenese dieser Erkrankung kann Hyperparathyreoidismus als primär, sekundär oder tertiär definiert werden. Der primäre Hyperparathyreoidismus (PHPT) ist eine Erkrankung der Nebenschilddrüsen Nebenschilddrüsen Nebenschilddrüsen, die mit einer abnormalen Sekretion von PTH einhergeht. Meist liegt dem PHPT ein solitäres Adenom oder eine Hyperplasie der Epithelkörperchen zugrunde.  Der sekundäre Hyperparathyreoidismus (SHPT)  entwickelt sich dahingegen in der Regel auf dem Boden einer bereits bestehenden renalen oder hepatischen Grunderkrankung. Unbehandelt kann sich aus dem SHPT ein tertiärer Hyperparathyreoidismus (THPT) entwickeln, welcher mit einer Hypertrophie der Nebenschilddrüse und einer Übersekretion von PTH einhergeht, selbst wenn die primäre Ursache beseitigt wird. Die Diagnostik basiert auf biochemischen Parametern, wie z. B.  Serum-PTH-, Calcium- und Phosphatspiegel sowie Urin-Calcium. Die Behandlung beruht hauptsächlich auf einer chirurgischen Parathyreoidektomie bei primärem und tertiärem Hyperparathyreoidismus. Die Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus konzentriert sich auf die Behandlung der Grunderkrankung.

Aktualisiert: 29.08.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Definition

Hyperparathyreoidismus ist eine Erkrankung, die mit erhöhten Blutspiegeln des Parathormons (PTH) einhergeht.

Ätiologie

  • Primärer Hyperparathyreoidismus (PHPT):
    • Häufigste Ursache für Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie
    • Kann in seltenen Fällen mit multiplen endokrinen Neoplasien (MEN) verbunden sein.
    • Solitäre Adenome der Nebenschilddrüse (85 % der Fälle)
    • Multiple Adenome der Nebenschilddrüse (5 % der Fälle)
    • Hyperplasie der Epithelkörperchen (10 %)
    • Nebenschilddrüsenkarzinom (<1 %)
  • Sekundärer Hyperparathyreoidismus (SHPT):
    • Renaler SHPT
    • Sekundäre Erhöhung des PTH durch Hypokalzämie Hypokalzämie Hypokalzämie
    • Enterale Ursache in Form eines Malassimilationssyndroms mit verminderter Kalziumresorption
    • Hepatische Ursache (selten)
      • Cholestase (Resorption von Vitamin D3 gestört)
      • Leberzirrhose Leberzirrhose Leberzirrhose (Umwandlung von D3 zu 25-OH-D3 gestört)
    • Mangelnde Exposition gegenüber Sonnenlicht
  • Tertiärer Hyperparathyreoidismus:
    • Aufgrund langjährigen sekundären Hyperparathyreoidismus
    • Sekundäre Entwicklung einer Hyperkalziämie durch Missverhältnis zwischen Bedarf und Sekretion von PTH
    • Z. B. nach Nierentransplantation Nierentransplantation Organtransplantation
      • Plötzlicher Abfall des PTH-Bedarfs
      • Selbst basale PTH-Sekretion der Nebenschilddrüse ist zu hoch
Nebenschilddrüsenadenom

Nebenschilddrüsenadenom mit Beteiligung der linken oberen Nebenschilddrüse
Die anderen drei Drüsen sind prominent dargestellt, wobei physiologische Nebenschilddrüsen kleiner sind (normale Größe, 3–5 mm; je 30–60 mg).

Bild: „Blausen 0533 Parathyroid adenoma“ von BruceBlaus. Lizenz: CC BY 3.0

Epidemiologie

  • Primärer Hyperparathyreoidismus:
    • 65/100.000/Jahr bei Frauen*
    • 25/100.000/Jahr bei Männern*
    • Mittleres Alter bei Diagnose: 52–56 Jahre
  • Sekundärer Hyperparathyreoidismus:
    • Ein sekundärer Hyperparathyreoidismus liegt bei bis zu 90 % der Patient*innen mit schwerer chronischer Niereninsuffizienz vor, die kurz vor der Dialyse Dialyse Dialyseverfahren stehen.
  • Tertiärer Hyperparathyreoidismus:
    • Entwickelt sich bei einigen chronisch niereninsuffizienten Patient*innen mit langjährigem sekundärem Hyperparathyreoidismus
    • Bleibt nach Nierentransplantation Nierentransplantation Organtransplantation in der Regel bestehen

Pathophysiologie

Physiologische Wirkungen von PTH

  • Wird in den vier Epithelkörperchen der Nebenschilddrüsen Nebenschilddrüsen Nebenschilddrüsen als Reaktion auf sinkende Serumcalciumspiegel (Ca 2+) als Prä-Pro Parathormon gebildet
  • Serumcalciumspiegel wird von Ca 2+-sensitiven Rezeptoren Rezeptoren Rezeptoren der Nebenschilddrüse wahrgenommen
  • Stimuliert die Osteoklastenaktivität → ↑ Knochenresorption Knochenresorption Knochenumbau und -heilung mit Ca 2+– und Phosphatfreisetzung ins Blut
  • ↑ Ca 2+-Reabsorption in den distalen Tubuli der Niere
  • ↑ Phosphatelimination in der Niere
  • ↑ 1-alpha-Hydroxylase in den proximalen Tubuli der Niere → Vitamin D-Synthese in der Niere
    • ↑ intestinale Ca 2+– Absorption und renale Ca 2+-Reabsorption

Pathophysiologie

Primärer Hyperparathyreoidismus:

  • Bei Nebenschilddrüsenadenomen ist die Expression des Ca 2+-sensitiven-Rezeptors reduziert, was zu einer unregulierten PTH-Sekretion führt.
  • Bei der Nebenschilddrüsenhyperplasie ist die Hypersekretion auf die Zunahme sezernierender Zellen zurückzuführen.
  • ↑ PTH → Auswirkungen auf Nieren Nieren Niere und Knochen Knochen Aufbau der Knochen
  • ↑ Ca 2+ und ↓ Serumphosphatspiegel

Sekundärer Hyperparathyreoidismus:

Tertiärer Hyperparathyreoidismus:

  • Chronische Überstimulation der Nebenschilddrüse
  • Nebenschilddrüsenhypertrophie und autonome Hypersekretion von PTH
  • Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie entwickelt sich im Rahmen einer Hyperphosphatämie als Folge einer Nierenerkrankung.
  • Kann zu diffuser Kalzinose führen
Schematische Darstellung der Rolle und Funktion des Parathormons (PTH)

Parathormon hat nur eine Funktion: die Hypokalzämie zu korrigieren und den Serum-Calciumspiegel in engen Grenzen zu halten.
Wenn das Serumkalzium niedrig ist, sezernieren die vier Nebenschilddrüsen PTH, das in den Drüsen gebildet und gespeichert wird. Wenn es freigesetzt wird, arbeitet PTH mit und durch Vitamin D, um den Kalziumspiegel auf den Normwert zu regulieren

Bild von Lecturio.

Klinik

Primärer Hyperparathyreoidismus (PHPT)

80 % der Patient*innen sind asymptomatisch oder weisen unspezifische Symptome auf.

Klassische Symptomtrias

„Stein-, Bein und Magenpein“

  • Nierenmanifestationen (ca. 15 % der Fälle)
    • Nephrolithiasis Nephrolithiasis Nephrolithiasis (Calciumphosphat- oder Calciumoxalatsteine)
    • Kann zu Nephrokalzinose fortschreiten (Ablagerung von Ca 2+ in den Nierentubuli)
    • Eingeschränkte Konzentrierungsfähigkeit ( Polyurie Polyurie Kaliumregulation durch die Niere, Polydipsie)
    • In fortgeschrittenen Fällen kann eine Niereninsuffizienz entstehen
  • Knochenmanifestationen (ca. 50% der Fälle)
  • Gastrointestinale Manifestationen (ca. 30% der Fälle)
    • Appetitverlust
    • Gewichtsverlust
    • Übelkeit
    • Ulcus duodeni/ventriculi durch erhöhte HCl Sekretion (Hyperkalziämie → Hypergastrinämie → HCl)
    • Pankreatitis Pankreatitis Akute Pankreatitis (selten)
      • Kann den Ca-Spiegel senken und einen PHPT maskieren
  • Neuromuskuläre Symptome:
  • Neuropsychiatrische Symptome:
    • Depressive Verstimmung
  • Hyperkalzämische Krise (<5 %) :

Sekundärer Hyperparathyreoidismus

Sekundärer Hyperparathyreoidismus Handröntgenaufnahme

Handröntgenbild einer 64-jährigen Frau mit leichtem sekundärem Hyperparathyreoidismus mit subperiostaler Knochenresorption an beiden Daumenendgliedern.
Eine Knochenresorption aufgrund von Hyperparathyreoidismus wird normalerweise an den Phalangealbüscheln und den radialen Anteilen der Mittelphalangen des zweiten und dritten Fingers beobachtet. Die ungewöhnliche Lage der Daumen bei diesem Patienten kann auf eine Kombination aus wiederholtem Trauma und Hyperparathyreoidismus zurückzuführen sein.

Bild : „Unusual hand radiographic presentation in a patient on hemodialysis” von Pipili C, Grapsa E, Tzanatos H. Lizenz: CC BY 2.0 , bearbeitet von Lecturio.

Tertiärer Hyperparathyreoidismus

  • Knochenschmerzen
  • Pruritus
  • Müdigkeit/Lethargie
  • Erhöhtes Frakturrisiko

Diagnostik

Primärer Hyperparathyreoidismus

  • Labortests:
    • Serum Ca 2+ :
      • Gesamtserum Ca 2+ messen, wenn Albumin im Normbereich liegt
      • Ionisiertes Ca 2+ messen, wenn Albumin erniedrigt ist
    • ↑ PTH-Wert
    • 24-Stunden-Urin Ca 2+ :
      • Erhöht oder normal
      • 40 % der Patient*innen haben eine Hyperkalziurie
      • Hilft bei der Abgrenzung von familiärer hypokalziurischer Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie (FHH)
    • ↓ Oder nahezu normales Serumphosphat
    • ↑ Alkalische Phosphatase
    • Normokalzämische Variante:
      • Normales Gesamt- und ionisiertes Serum Ca 2+ in Gegenwart von ↑ PTH
      • In der Regel ein frühes oder leichtes Auftreten eines primären Hyperparathyreoidismus
      • Die Diagnose wird gestellt, wenn ein sekundärer Hyperparathyreoidismus ausgeschlossen ist.
  • Bildgebung:
    • Wird nicht routinemäßig für die Diagnostik durchgeführt.
    • Kann vor der Operation zur Lokalisation von Nebenschilddrüsentumoren verwendet werden
    • Röntgenaufnahmen können eine Knochenerkrankung zeigen:
      • Subperiostaler Knochenabbau
      • Braune Tumoren der langen Röhrenknochen
      • Verjüngung der distalen Klavikula
      • „Mattglas“ Effekt des Schädels
      • Knochenzysten
Röntgenbilder der Osteitis fibrosa cystica der linken unteren Extremität

Röntgenaufnahmen der linken unteren Extremität in zwei orthogonalen Ansichten, die eine Osteitis fibrosa cystica zeigen, die sich als zystischer/lytischer Knochenhohlraum präsentiert, welcher mit braunem fibrösem Gewebe (Pfeile) gefüllt ist, bekannt als „brauner Tumor“:
Braune Tumoren werden heute beim Hyperparathyreoidismus seltener gesehen, da die Krankheit in der Regel in einem früheren Stadium diagnostiziert wird.

Bild : „Case 2: x-ray: extensive osteolytic lesion in proximal end of tibia (arrows)” by Waldemar Misiorowski et al. Lizenz: CC BY 4.0

Sekundärer Hyperparathyreoidismus

Tertiärer Hyperparathyreoidismus

  • ↑ PTH-Wert
  • Serum Ca 2+
  • ↑ Oder normale Phosphatwerte

Therapie

Primärer Hyperparathyreoidismus

  • Operative Entfernung vergrößerter Epithelkörperchen
    • Bei symptomatischem PHPT
    • Bei Serum-Kalzium > 0,25mmol/l über der Normobergrenze
    • Bei eingeschränkter Kreatininclearance
    • Bei Nephrolithiasis Nephrolithiasis Nephrolithiasis, Nephrokalzinose
    • Bei Ausscheidung von Kalzium Kalzium Elektrolyte mit dem Urin >400mg/24h
    • Bei Abnahme der Knochendichte (T-Score < -2,5 oder pathologische Frakturen)
    • Bei anderen, begleitenden Faktoren, die eine Hyperkalzinose bedingen könnten
    • Bei Alter < 50 Jahren
  • Bei Hyperplasie aller vier Epithelkörperchen ist eine totale Parathyroidektomie mit anschließender autologer Transplantation von Epithelkörperchenresten in umliegende Muskulatur, wie z. B. in den M. sternocleidomastoideus, indiziert.
  • Intraoperative PTH-Messung zeigt bei erfolgreicher Entfernung des betroffenen Gewebes einen Abfall um ca. 50%

Sekundärer und tertiärer Hyperparathyreoidismus

  • Therapie der zugrundeliegenden Erkrankung
  • Vitamin D3- und ggf. Kalziumsubstitution
  • Phosphordiäteinschränkung und Phosphatbinder
  • Calcimimetika Calcimimetika Calcimimetika
  • Tertiärer Hyperparathyreoidismus: totale oder subtotale Parathyreoidektomie

Differentialdiagnosen

  • Malignität: Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie ist bei malignen Erkrankungen nicht ungewöhnlich, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien. Die Malignität ist in der Regel schwerer und symptomatischer als die durch Hyperparathyreoidismus verursachte Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie. Malignität ist oft klinisch offensichtlich, wenn eine Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie entdeckt wird. Die Therapie beruht hauptsächlich auf der Behandlung der Grunderkrankung.
  • Familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie (FHH): eine autosomal-dominante Erkrankung, gekennzeichnet durch leichte Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie, leichte PTH-Erhöhung und niedriges Calcium im Urin: Die familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie wird durch eine inaktivierende Mutation des Calcium-sensing-Rezeptors in den Nebenschilddrüsen Nebenschilddrüsen Nebenschilddrüsen und Nieren Nieren Niere verursacht. Dieser Zustand zeigt normalerweise eine leichte asymptomatische Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie und unterscheidet sich von einem primären Hyperparathyreoidismus durch niedriges Calcium im Urin. Dieser gutartige Zustand erfordert normalerweise keine Behandlung.
  • Medikamente: Bestimmte Medikamente können den Calcium-Stoffwechsel beeinflussen und Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie verursachen, insbesondere Lithium- und Thiazid-Diuretika. Lithium verringert die Calcium-Empfindlichkeit der Nebenschilddrüse und verringert auch die renale Calcium-Ausscheidung und kann mit einer leichten PTH-Erhöhung einhergehen. Thiaziddiuretika Thiaziddiuretika Thiaziddiuretika reduzieren die Calcium-Ausscheidung im Urin. Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie verschwindet normalerweise nach Absetzen des Arzneimittels.

Quellen

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  10. G. Herold et. al. “Sekundärer Hyperparathyreoidismus”. In: Herold Innere Medizin 2020. 1. Auflage. S. 773f.
  11. G. Herold et. al. “Tertiärer Hyperparathyreoidismus”. In: Herold Innere Medizin 2020. 1. Auflage. S. 774.

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