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Bild: “Image Human blood smear” von Tishiko Tatyana. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Der Einsatz von Blutgerinnungshemmern in der Medizin
Medikamente, die einer Blutgerinnung entgegenwirken werden als Blutgerinnungshemmer bezeichnet. Die Gabe als Medikament hat zum Ziel die Blutgerinnung und die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern. Blutgerinnsel sind kleine geronnene Blutbestandteile, die als Pfropf nicht an einer Wundheilung beteiligt sind sondern im Blut frei flottieren.
Die Gefahr der Gerinnsel liegt darin, dass diese mit dem Blutfluss bis in die kleinsten Gefäße wandern können, diese verstopfen und so die Versorgung des betreffenden Organs mit Nährstoffen durch das Blut verhindern. Es besteht dann die Gefahr einer Lungenembolie, eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalls. Im Volksmund werden Blutgerinnungshemmer als „Blutverdünner“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist nicht richtig, da das Blut nicht verdünnt wird, sondern dafür gesorgt wird, dass die einzelnen Blutplättchen, die Thrombozyten, nicht so leicht aneinander heften können und sich kein (im schlimmsten Fall tödliches) Gerinnsel bilden kann.
Blutgerinnungshemmer werden in zwei Gruppen eingeteilt:
- Antikoagulanzien hemmen die Bildung oder die Wirkung der Gerinnungsfaktoren.
- Plättchenhemmer verhindern die Verklumpung der Thrombozyten.
Welche Art von Gerinnungshemmer infrage kommt, ist von der Grunderkrankung des Patienten, Alter, Begleiterkrankungen oder Risikofaktoren abhängig. Auch Unverträglichkeiten für bestimmte Gerinnungshemmer müssen vor der Gabe einer der Gerinnungshemmer in einer Anamnese vorher ausgeschlossen werden. Es gilt die für den individuellen Patienten geltenden Vor- und Nachteile abzuwägen.
Wirkung von Antikoagulanzien
Zu der Gruppe der Antikoagulanzien gehören Heparine und Cumarine.
Cumarine
Cumarine und Cumarinderivate werden eingesetzt, um die Blutgerinnung eines Patienten längerfristig zu hemmen. Cumarine hemmen die Vitamin-K abhängige Bildung der Gerinnungsfaktoren IX, X, VII und II (Merkwort: 1972), welche in der Leber produziert werden. Dem Vitamin kommt also eine sehr große Bedeutung in der Gerinnung zu.
Cumarinderivate wirken daher nur in vivo (im lebenden Organismus), nicht aber in vitro (in der Petrischale). Sie werden oral verabreicht und entfalten erst nach zwei bis vier Tagen ihre volle Wirksamkeit. Der Grund liegt darin, dass der Abbau der sich bereits im Blut befindenden Gerinnungsfaktoren durch den Organismus solange dauert.
Die Wirkung bei Beginn einer Cumarintherapie setzt verzögert ein und erfodert daher eine vorübergehende Gabe von Heparinen gleichzeitig.
Vor Operationen ist das sogenannte Bridging notwendig. Dies bedeutet, dass die Cumarintherapie mehrere Tage vor Operation pausiert wird und eine Umstellung auf Heparine erfolgt.
Kontraindikationen für eine orale Antikoagulation sind vor allem ungünstige Konstellationen, die das Blutungsrisiko nochmals erhöhen. Dazu gehört die Lebersynthesestörung, schwere Hypertensionen und akute Blutungen. Ebenso sollte bei erhöhtem Sturzrisiko abgewägt werden, ob eine Antikoagulation notwendig ist.
Heparine
Die Wirkung der Heparine setzt hingegen schon nach wenigen Stunden ein und ist daher beispielsweise nach Operationen zur Vorbeugung einer Thrombose das erste Mittel der Wahl. Heparin ist ein Glykosaminoglykan und hemmt die Bildung von Thrombin aus Prothrombin in der sekundären Gerinnungskaskade. Es kommt im Körper physiologisch in den basophilen Granulozyten, der Leber und den Mastzellen vor.
Heparin wirkt einerseits, indem es die Wirkung des körpereigenen stärksten Gerinnungshemmers Antithrombin III um etwa das 100-fache verstärkt und andererseits entscheidend bei der Hemmung des Gerinnungsfaktors X. Neben der körpereigenen Produktion bedingen, wie oben beschrieben, viele klinische Situationen die Gabe von Heparin. In der Klinik wird Heparin eben auch zur Therapie der Gerinnungshemmung verabreicht und dem Körper von extern zugegeben. Weit verbreitet ist die parenterale subkutane Gabe zur Prophylaxe von Thrombose, die häufig bei immobilen bettlägerigen Patienten nach Operationen auftreten kann.
Heparin kann sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch appliziert werden. Prophylaktisch erfolgt die Gabe vor allem bei Patienten mit Vorhofflimmern, abgelaufenen Thrombosen oder Lungenembolien.
Tritt die Wirkung von Heparin nicht auf, ist ein Mangel an Antithrombin III häufig die Ursache. Als Antagonist von Heparin wirkt Protaminsulfat, welches beispielsweise bei einer Überdosierung des Heparins dessen Wirkung aufheben kann.
Vor allem bei der Therapie mit unfraktioniertem Heparin ist eine Heparin-induzierte Vorhofflimmern eine häufige Komplikation. Dabei werden zwei verschiedene Formen unterschieden. Diese sind im Folgenden aufgeführt:
HIT I | HIT II | |
Beginn der Thrombopenie | in den ersten 5 Tagen nach Therapiebeginn | ab dem 5. Tag nach Therapiebeginn |
Ausmaß der Thrombopenie | > 100.000/ Mikroliter | massiver Abfall, < 100.000/Mikroliter |
Pathophysiologie | direkte Interaktion, keine Antikörper | Autoantikörper (gegen Komplex aus Heparin und Plättchenfaktor 4) |
Komplikationen | keine | Thromboembolische Ereignisse |
Diagnostik | Ausschlussdiagnose | Heparin-induzierter Plättchenaggregationsassay (HIPAA) |
Konsequenzen | Therapie weiter | sofortige Therapieumstellung |
Antikoagulanzien
Apixaban

Apixaban
Apixaban wird zweimal täglich oral als Tablette eingenommen und ist ein direkter reversibler Antagonist der Gerinnungsfaktors Xa, der für die Umwandlung des Prothrombin in Thrombin verantwortlich ist. Kann das Thrombin nicht mehr hergestellt werden, sind die weiteren Schritte der Gerinnungskaskade gestoppt und die Bildung des Fibringerüstes wird verhindert. Der wundverschließende rote Thrombus wird daher nicht oder nur sehr langsam gebildet.
In der EU ist dieses Medikament seit 2011 zugelassen als Rezidiv-Prophylaxe bei Patienten nach Hüft- oder Kniegelenksersatzoperationen, Schlaganfällen, Lungenembolien und Vorhofflimmern (diese Indikationen gelten auch für die weiteren aufgeführten Antikoagulanzien). Die Wirkung des Apixaban hält durchschnittlich 12 Stunden an und wird anschließend vom Körper zu 75 % biliär (über die Leber und Galle) und zu 25 % renal (über die Niere) metabolisiert, für den Körper unschädlich gemacht und anschließend ausgeschieden. Die orale Gabe des Apixaban ist im Vergleich zur Gabe von Heparin durch eine Spritze deutlich angenehmer.
Dabigatran
Dabigatran ist ein oraler Antikoagulationshemmer, der auf zellulärer Ebene an der Hemmung des Thrombins beteiligt ist. Eingenommen wird das Dabigatran als inaktive Vorstufe, dem Dabigatranetexilat, welches erst in der Leber und dem Blutplasma durch Hydrolyse in seine aktive Form umgewandelt wird. Thrombin ist in der Gerinnungskaskade für die Aktivierung des Fibrinogens verantwortlich, welches unter Einfluss des Gerinnungsfaktors XIII das Fibrin synthetisiert.
Dabigatran verhindert ebenfalls die Thrombozytenaggregation in der primären Hämostase. Die Metabolisierung und Ausscheidung erfolgt ebenfalls durch die Niere, die das Blut reinigt, filtert und über den Urin ausscheidet. Dabigatranetexilat als Gerinnungshemmer ist daher für Patienten mit einer Niereninsuffizienz nicht geeignet.
Rivaroxaban
Rivaroxaban ist ebenfalls ein direkter Antagonist des Gerinnungsfaktors Xa, welcher oral in Tablettenform eingenommen wird. Das Oxazolidinon-Derivat hat durch den Eingriff in die sekundäre Hämostase damit keinen Einfluss auf die Plättchenaggregation. Der primäre Wundverschluss bleibt damit intakt. Die Wunde ist dennoch fragil und leicht zu eröffnen, da die Bildung des finalen Fibrinpfropfes durch den Eingriff in die sekundäre Hämostase verhindert wird. Rivaroxaban wird schnell von den Zotten des Dünnwandepithels resorbiert und die Konzentration des Medikaments ist im Plasma nach maximal 2-4 Stunden nach der Einnahme verfügbar.

Rivaroxaban
Marcumar
Marcumar ist ein Vitamin-K Antagonist und hemmt die γ-Carboxylierung des Glutamats. Die Synthese und Sezernierung der Gerinnungsfaktoren X, IX, VII und II wird verhindert. Sowohl die primäre als auch die sekundäre Hämostase werden damit stark eingeschränkt. Marcumar ist auch bekannt unter dem Namen Phenprocoumon und wird oral durch Tabletten verabreicht. Chemisch betrachtet handelt es sich um eine Verbindung der 4-Hydroxycumarine.
Wirkung von Plättchenhemmern
Plättchenhemmer sollen die Aggregation der roten Blutkörperchen, der Thrombozyten, entgegenwirken. Die Wirkungsweise ist im Vergleich zu den Antikoagulanzien deutlich schwächer. Daher werden diese Präparate primär nicht nach beispielsweise einer Operation gegeben. Sie werden häufig an Patientinnen und Patienten verschrieben, die bereits einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten haben und nun das Präparat zur Vorbeugung und Senkung des Risikos eines erneuten Infarktes bekommen. Zu den Plättchenhemmern gehören Dipyridamol, Clopidogrel und Acetylsalicylsäure (ASS).
Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin)
Aspirin fehlt in nahezu keinem Medizinschrank in den Haushalten auf der ganzen Welt. Ob bei Schmerzen im Kopf- und Halsbereich, Menstruations- oder Zahnschmerzen, Fieber oder Erkältungen – Aspirin ist der „Superstar“ unter den Schmerzmitteln und daher oft das erste Mittel der Wahl, wenn es um die Linderung der Symptome geht.

Bild: “Antiplatelet effect aspirin” von Vtvu. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Die rezeptfreie Verkäuflichkeit dieses Schmerzmittels in der Apotheke wird zur Zeit in der Öffentlichkeit stark diskutiert. Diskussionspunkt ist der verantwortungsvolle Umgang der Patienten mit diesem Medikament. Die WHO (World Health Organisation) setzte bereits 1977 das Medikament auf ihre Liste der unentbehrlichen Arzneimittel. Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure zeichnet sich aus durch seine vielfältigen Eigenschaften: er wirkt thrombozyten-aggregationshemmend, schmerzlindernd (analgetisch), fiebersenkend (antipyretisch) sowie entzündungshemmend (antiphlogistisch). Den genauen Wirkmechanismus und weitere Informationen finden Sie in einem weiteren Beitrag zu den Arachidonsäurederivaten.
Nebenwirkungen
Hinter dem Nutzen, den man aus den Blutgerinnungshemmern ziehen kann, verbirgt sich zugleich auch deren größter Nachteil, der sich im falschen Moment zum ernsthaften Problem entwickeln kann. Zwar wird bei der Verabreichung die Gerinnung des Blutes nicht vollständig ausgeschaltet, der Eintritt der Koagulation, der Wundverschluss bzw. die Wundheilung, tritt allerdings deutlich verzögert ein.
Bei größeren Schnittverletzungen oder Ähnlichem droht dem Körper ein enormer Blutverlust, der unter Umständen zum Tod führen kann. Um die Gerinnung zu stoppen, kann es daher in Extremsituationen nötig werden, Vitamin-K oder Gerinnungsfaktoren zuzufügen. Die Gabe von Vitamin-K erfolgt beispielsweise in Tropfenform direkt unter die Zunge. Die Schleimhaut in diesem Bereich besteht hier histologisch aus einem unverhornten Plattenepithel, welches den Durchtritt der Substanz und damit den Eintritt in die blutführenden Regionen erleichtert. Die Wirkung kann so in einem relativ kleinen Zeitfenster erreicht werden.
Die Einnahme von „Blutverdünnern“ birgt insgesamt ein erhöhtes Risiko für lang anhaltende Nasen- und Zahnfleischblutungen. Eine kleine Verletzung des oberflächlichen Epithels durch Fingernägel, Zahnbürsten oder andere spitzen Gegenstände führt zu einer lang anhaltenden Blutung. Diese Nebenwirkungen sind eher als unproblematisch zu betrachten.
Häufig auftretende Nasen- oder Zahnfleischblutungen, große Blutergüsse, rot verfärbter Urin oder dunkelrot bis schwarz verfärbter Stuhl sind ebenfalls Zeichen von Nebenwirkungen. Auch hinter dem schmerzhaften Gefühl plötzlich starker auftretender Kopfschmerzen in Kombination mit Schwindel und Sehstörungen kann sich das größte Risiko von Blutgerinnungshemmern verbergen: die Hirnblutungen.

Bild: “Einige Tage alter kortikaler Hirninfarkt rechts hochfrontal mit geringer Hämorrhagie. MRT T1 koronar. Man erkennt das Infarktareal leicht hypointens und darin schlierenartig eine Hyperintensität, die dem ausgetretenen Blut entspricht (Pfeil).” von . Lizenz: CC BY-SA 3.0
Ein Medikamentenschein sollte stets vorliegen. In diesem wird die Erkrankung und das Medikament aufgeschrieben, sodass die eventuell folgenden Behandlungsmaßnahmen im Krankenhaus die persönliche Lage berücksichtigen können. Komplikationen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten können so vermieden werden.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Es ist zu beachten, dass es bei Medikamenten, die einer anderen Therapie dienen, in Kombination mit der Einnahme von Blutgerinnungshemmern, zu einer Interaktion kommen kann. Es kommt dabei zu verstärkender oder abschwächender Wirkung der Antikoagulanzien. Die Einnahme solcher Präparate sollte immer in Absprache des behandelnden Arztes erfolgen. Als Folge von Wechselwirkungen können beispielsweise Magenblutungen auftreten.
Der Einfluss der Ernährung auf die Blutgerinnung
Wie bereits beschrieben, ist Vitamin-K eine blutgerinnungsfördernde Substanz. Cumarine wirken, indem sie Vitamin-K aus der Leber verdrängen beziehungsweise dessen Synthese hemmen. In vielen Lebensmitteln, wie beispielsweise Kohl, Spinat, Kalbsleber, Speisequark, Champignons, Tomaten, Bohnen und Erbsen ist Vitamin-K reich vorhanden. Durch eine Vitamin K-reiche Ernährung kann die Wirkung der Vitamin-K Antagonisten, die medikamentös verabreicht werden, jedoch herabgesetzt werden.
Patienten, die beispielsweise Marcumar einnehmen, sollten daher nicht im Übermaß große Mengen an Kohl oder anderen der aufgeführten Lebensmittel verzehren, da der prophylaktische Effekt vor einem erneuten etwaigen Schlaganfall somit nicht mehr gegeben ist. Ein kompletter Verzicht ist allerdings auch nicht anzuraten. Bei einem Vitamin-K-Mangel, der häufig bei Säuglingen, Ernährungsumstellungen oder Fehlernährungen auftritt, ist mit einer verlängerten Blutungszeit zu rechnen.
Eine Vitaminmangelerkrankung tritt allerdings deutlich seltener auf, da Vitamin K in sehr vielen Lebensmitteln enthalten ist und auch von der Darmflora des Organismus selbst produziert werden kann. Eine ausgewogene Ernährung ist von Vorteil. Auch die längerfristige Einnahme von Vorhofflimmern stellt ein Risiko dar, da durch Antibiotika die Darmbakterien zerstört werden. Patienten mit Lebererkrankungen, Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes sowie Krebspatienten stellen eine Risikogruppe für Vitamin-K-Mangelerkrankungen dar.
Beliebte Prüfungsfragen zu blutgerinnungshemmenden Wirkstoffen
Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellenangaben.
1. Welche Aussage ist richtig? Blutgerinnungshemmer…
- …verdünnen das Blutplasma.
- …verdünnen das Blutserum.
- …haben keinen Einfluss auf die Blutverdünnung.
- …hemmen die Homöostase.
2. Welche Indikation erfordert die Therapie mit Antikoagulanzien?
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Niereninsuffizienz
- Leukämie
- Lungenembolie
- Linksherzhypertrophie
3. Welche Aussage ist nicht richtig?
- Vitamin K wird in der Leber produziert.
- Der Gerinnungsfaktor Xa wird durch Fibrin aktiviert.
- Cumarinderivate hemmen Vitamin K abhängige Gerinnungsfaktoren.
- Heparin wird in basophilen Granulozyten und Mastzellen synthetisiert.
Quellen
Kurzlehrbuch Toxikologie und Pharmakologie, 3. Auflage, Thomas Herdegen – Thieme Verlag
Endspurt Skripte für das Physikum, Physiologie – Thieme Verlag
Was sind Gerinnungshemmer und wie werden sie sicher angewendet? via gesundheitsinformation.de
Thromboseprophylaxe mit Rivaroxaban via Pharmazeutische Zeitung online
Lösungen zu den Fragen: 1C, 2A, 3B
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