Inhaltsverzeichnis
- Definition
- Epidemiologie
- Ätiologie
- Pathologie und Pathophysiologie
- Klinik
- Diagnostik
- Differentialdiagnosen
- Therapie
- Prognose
- Beliebte Prüfungsfragen zu Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
- Quellen und Leitlinie zu Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
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Bild: „Micrograph of giant cell arteritis“ von Nephron. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Definition
Vaskulitis als Basis der Riesenzellarteriits und der Polymyalgia rheumatica
Sowohl die Riesenzellarteriitis (RZA) als auch die Polymyalgia rheumatica (PMR) entstehen auf dem Boden einer granulomatösen Vaskulitis der mittelgroßen und großen Arterien. Beiden Erkrankungen ist eine lokalisierte Schmerzsymptomatik gemein und pathognomonisch ist das Auftreten von Riesenzellen.
Die Riesenzellarteriitis oder Arteriitis temporalis befällt dabei überwiegend die kranialen Arterien, die von der A. carotis abgehen, und verursacht so starke Kopfschmerzen bis hin zur Augenbeteiligung.
Die Polymyalgia rheumatica verursacht symmetrische Muskelschmerzen im Schultergürtel durch entzündlichen Befall der Extremitätenarterien, häufig der A. subclavia. Ergänzt wird das Bild der PMR von einer Bursitis bzw. Synovitis der großen Gelenke.
Epidemiologie
Riesenzellarteriitis – Ältere Frauen häufig betroffen
Die Riesenzellarteriitis ist die häufigste aller Vaskulitiden und betrifft mit etwa 75 % aller Fälle überwiegend Frauen fortgeschrittenen Alters. Die Inzidenz ab dem 8. Lebensjahrzehnt liegt bei etwa 50/100.000.
Ätiologie
Ursache der Riesenzellarteriitis noch immer unklar
Die Ätiologie der Riesenzellarteriitis bleibt bis heute ungeklärt. Man vermutet einen Trigger, möglicherweise durch Virusinfekte, der die Krankheit auf dem Boden einer genetischen Prädisposition auslöst.
Pathologie und Pathophysiologie
Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica sind Autoimmunerkrankungen

Bild: „Micrograph of giant cell arteritis“ von Nephron. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Die Riesenzellarteriitis und die Polymyalgia rheumatica sind T-Zell-abhängige Autoimmunerkrankungen, die als granulomatöse Panarteriitis insbesondere die mittelgroßen und großen Arterien betreffen. Das Befallsmuster ist zwar verschieden und die Krankheiten können getrennt voneinander auftreten, in etwa 50 % der Fälle überschneiden sich die beiden Manifestationen jedoch.
Histologisch lassen sich häufig Riesenzellen und Infiltration von Lymphozyten in die Gefäßwand nachweisen. Durch die reaktive Wandverdickung in den entzündeten Arealen entsteht häufig eine relevante Stenose des Lumens. Dies ist vor allem bei betroffener A. ophtalmica relevant, da die Minderdurchblutung des Auges innerhalb weniger Stunden zu irreversiblen Schäden führen kann. Bei der Polymyalgia rheumatica lassen sich darüber hinaus noch entzündliche Infiltrate in den großen Gelenken finden.
Klinik
Beide Krankheiten gehen mit Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit, ungewollter Gewichtsverlust, Nachtschweiß und gegebenenfalls Fieber einher. Darüber hinaus besitzen aber sowohl RZA als auch PMR eine klassische Symptomatik, anhand derer man sie voneinander abgrenzen kann und die sich aus dem Befallsmuster ergeben. Hier gilt es zu bedenken, dass zu einer RZA in etwa 50 % der Fälle auch eine PMR auftritt, sodass beide Krankheiten nicht immer isoliert zu beobachten sind.
Symptome der Riesenzellarteriitis
Der Großteil aller Patienten klagt bei vorliegender Riesenzellarteriitis primär über pochende und bohrende Kopfschmerzen, häufig an den Schläfen und unilateral. Werden diese durch Kauen zusätzlich verstärkt, spricht man von einer Claudicatio masticatoria (Masseterschmerz).
Daneben äußert sich eine RZA in etwa 40 % der Fälle mit Beteiligung der Augen in Form von vorübergehender Sehstörung bei Minderperfusion der Netzhautarterien (Amaurosis fugax), Augenschmerzen und generellen Sehstörungen mit Progress zur Erblindung. Das Zeitfenster, um bei progredienter Symptomatik eine irreversible Blindheit zu vermeiden, kann weniger als eine Stunde betragen.
Klinisch zeigen Patienten mit manifester RZA typischerweise eine prominente A. temporalis mit Druckschmerz und unter Umständen abgeschwächten Pulswellen. Seltener können auch Manifestationen an größeren, proximal gelegenen Gefäßen wie der Aorta oder Extremitätenarterien mit Blutdruckseitendifferenz und Claudicatio auftreten.
Symptome der Polymyalgia rheumatica
Die Polymyalgia rheumatica hat als Leitsymptom eine symmetrische, starke Schmerzsymptomatik im Bereich der Schultern oder Hüften. Die Schmerzen treten betont nachts auf und häufig besteht darüber hinaus eine Druckschmerzhaftigkeit der Muskulatur in betroffenen Bereichen. Üblicherweise klagen erkrankte Patienten über eine Morgensteifigkeit, die meist über eine Stunde oder länger nach dem Aufstehen anhält. Die Gelenkbeteiligung kann letztendlich zu starker Bewegungseinschränkung des Erkrankten führen.
Diagnostik
Entzündungsparameter geben Aufschluss über Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
Für beide Krankheiten existieren Diagnosekriterien des American College of Rheumatology (ACR-Kriterien), die zur Diagnosestellung und Verlaufsbeobachtung genutzt werden.
In beiden Erkrankungen sind die labormedizinischen Entzündungsparameter von großer Bedeutung für die Diagnose. Ein häufig beobachtetes Phänomen ist die Sturzsenkung, eine extrem erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Im Initialstadium kann die BSG jedoch auch normal sein. Ein weiterer wichtiger Entzündungsparameter ist das C-reaktive Protein (CRP), ein Akute-Phase-Protein aus der Leber. Meist weniger ausgeprägt ist bei Patienten mit RZA oder PMR die Leukozytose.

Bild: „Halo sign in colour duplex sonography examination in a patient with giant cell arteritis. Hypoechoic area around the temporal artery trunk in longitudinal (upper panel) and transverse (lower panel) views.“ von Openi. Lizenz: CC BY 2.0
Eine wichtige Methode der apparativen Diagnostik ist die Sonografie. Im Falle einer Riesenzellarteriitis kann man durch farbkodierte Duplex-Sonografie der Temporalarterien eine Einengung des Lumens und einen echoarmen Ring (Halo) um das Gefäß, vermutlich eine entzündliche Wandverdickung, beobachten. Liegen diese typischen Zeichen, insbesondere eine hochgradige Stenose vor, kann man womöglich auf eine Biopsie der A. temporalis verzichten.
Bei Verdacht auf eine PMR kann man mit der Sonografie die proximalen Extremitätenarterien untersuchen und erhält durch Zeichen einer Bursitis der großen Gelenke, insbesondere wenn sie bilateral auftritt, zusätzliche Bestätigung.
ACR-Kriterien der Riesenzellarteriitis
Die ACR-Kriterien der Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis) setzen für eine Diagnose voraus, dass mindestens 3 der folgenden 5 Kriterien erfüllt werden:
- Alter > 50 Jahre
- Neu aufgetretene Kopfschmerzen
- Auffällige Temporalarterien (Pulslosigkeit, Druckschmerz, Schwellung)
- BSG > 50 mm in der ersten Stunde
- Auffällige Biopsie der Temporalarterie
ACR-Kriterien der Polymyalgia rheumatica

Bild: „FDG uptake in the lumbar interspinous spaces of a patient with polymyalgia rheumatica.“ von Openi. Lizenz: CC BY 4.0
Die ACR-Kriterien der Polymyalgia rheumatica setzen ein Alter von mindestens 50 Jahre voraus bei einem Patienten, der über neu aufgetretenen bilateralen Schulterschmerz klagt und in der Diagnostik ein erhöhtes CRP oder eine erhöhte BSG aufweist. Dazu gelten folgende Kriterien:
- Morgensteifigkeit > 45 Minuten 2 Pkt
- Kein Nachweis von RF/anti-CCP 2 Pkt
- Schmerzen oder Steifigkeit im Becken 1 Pkt
- Fehlen anderer Gelenkmanifestationen 1 Pkt
Ergänzt durch Sonografie:
- Schultergelenk und Hüftgelenk betroffen 1Pkt
- Beide Schultergelenke betroffen 1Pkt
Eine gesicherte Diagnose stellt sich bei mindestens 4 Punkten ohne Sonografie-Befund oder mindestens 5 Punkten unter Einbeziehung der sonografischen Untersuchung.
Differentialdiagnosen
Wichtige Abgrenzung zwischen Riesenzellarteriitis und Meningitis
Wichtige Differentialdiagnosen einer Riesenzellarteriitis sind andere Erkrankungen, die mit neu auftretenden Kopfschmerzen einhergehen. Die Abgrenzung zu einer Meningitis beispielsweise ist von äußerster Bedeutung, da eine Therapie mit Kortikoiden verheerende Auswirkungen haben könnte. Eine Amaurosis fugax kann auch aufgrund eines arteriellen Verschlusses, beispielsweise eines Embolus, aus der A. carotis entstehen.
Ausschluss anderer rheumatischer Krankheitsbilder bei der Polymyalgia rheumatica
Eine Polymyalgia rheumatica muss man vor allem von anderen rheumatischen Krankheitsbildern abgrenzen. Hier sind die fehlenden Serummarker, so etwa der Rheumafaktor, entscheidende Hinweise. Eine Polymyositis oder Dermatomyositis, die sehr ähnliche Ausprägungen haben kann, geht im Gegensatz zur PMR mit erhöhten Muskelenzymen, insbesondere einem erhöhten CK-Wert einher.
Therapie
Kortikosteroide zur Behandlung von Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
Die wichtigste Therapie beider Erkrankungen ist die medikamentöse Behandlung mit Glukokortikosteroiden. Unterschiede bestehen jedoch in der Applikationsform und Dosierung. Nach wenigen Tagen sollte sich die Symptomatik deutlich bessern, ansonsten sollten andere Differentialdiagnosen in Betracht gezogen werden.
Eine diagnostizierte Riesenzellarteriitis wird je nach akuter Symptomatik unterschiedlich behandelt. Eine anfängliche Initialdosis an Kortikoiden wird sukzessive auf eine Erhaltungsdosis gesenkt, die für mindestens 2 Jahre beibehalten wird, um Rezidive zu vermeiden. Liegt bereits eine Augenbeteiligung oder Amaurosis fugax vor, gilt dies als Notfall und es muss zeitnah und intravenös mit einer Hochdosistherapie begonnen werden.
Eine Polymyalgia rheumatica kann üblicherweise mit einer niedrigeren Dosis an Kortikosteroiden behandelt werden. Durch Immunsuppresiva-Gabe können zusätzlich Steroide eingespart werden, hier eignet sich beispielsweise Methotrexat.
Die langfristige Kortikoidtherapie sollte durch Bisphosphonate zur Osteoporose-Prophylaxe und PPIs zum Schutz der Magenschleimhaut ergänzt werden.
Prognose
Verlauf der Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
Eine unbehandelte Riesenzellarteriitis schreitet in etwa 30 % der Fälle bis zur Erblindung fort. Unter geeigneter Therapie ist die Prognose beider Erkrankungen aber vergleichsweise günstig. Mit einer kompletten Remission ist nach etwa 2 Jahren zu rechnen, Rezidive treten bei der RZA ungefähr bei jedem dritten Patienten auf. Nach der Behandlungsdauer von 2 Jahren sollte man die Steroiddosis ausschleichen, da die Dauertherapie mit Kortikosteroiden mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist.
Beliebte Prüfungsfragen zu Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellenangaben.
1. Welcher Laborparameter ist bei einer Polymyalgia rheumatica vermutlich stark erhöht?
- Der Rheumafaktor (RF)
- Die Creatinkinase (CK)
- Das C-reaktive Protein (CRP)
- Der Hämoglobin-Wert (Hb)
- Der Bilirubin-Wert
2. Was ist die wichtigste Akutkomplikation einer Arteriitis temporalis?
- Erblindung
- Septischer Schock
- Hämorrhagischer Schlaganfall
- Gefäßabriss
- Aphasie
Quellen und Leitlinie zu Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
S1-Leitlinie Zerebrale Vaskulitis (u.a. Riesenzellarteriitis) der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). In: AWMF online (Stand 2012, gültig bis 29.09.2017)
S1-Leitlinie Myalgien, Diagnostik und Differentialdiagnose (u.a. Polymyalgia rheumatica) der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). In: AWMF online (Stand 2012, gültig bis 29.09.2017)
ACR-Guidelines zur Polymyalgia rheumatic
Delank, H.-W., Gehlen, W.: Neurologie, 12. Auflage (2010) – Thieme Verlag
Longmore, M., Wilkinson, I.B., Baldwin, A., Wallin, E.: Oxford Handbook of Clinical Medicine, 9. Auflage – Oxford University Press
Herold, G. und Mitarbeiter: Innere Medizin (2014) – Gerd Herold Verlag
Lösungen: 1C, 2A
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