Inhaltsverzeichnis

Bild: “ ” von Zappys Technology Solutions. Lizenz: CC BY 2.0
Ätiologie
1896 wurde das Marfan-Syndrom (MFS) vom Pariser Kinderarzt Antoine Marfan erstmalig beschrieben. Im Gegensatz zu vielen anderen Erkrankungen lassen sich weder geschlechtliche noch geographische Häufungen feststellen. Das MFS wird autosomal-dominant vererbt oder entsteht durch Neumutation und kann die Häufung betreffend mit der Mukoviszidose verglichen werden. Der Gendefekt ist auf Chromosom 15q21 lokalisiert (Marfanlocus). Dieser lange Arm des Chromosoms 15 beherbergt das Gen für Fibrillin-1. In Folge kommt es zu einer gestörten Synthese der Mikrofibrillen und somit der elastischen Fasern.
Hauptmanifestationsorte des Marfan-Syndroms
Drei klinische Systeme sind hauptsächlich betroffen (TIPP: Die genannten Manifestationen liegen am meisten im Interesse des IMPP!)
- Auge: Linsenluxationen
- Muskuloskelettalsystem: Dolichostenomelie (Langschmalgliedrigkeit), Arachnodaktylie, Thoraxdeformationen
- Herz/Aorta: Aortendissekion, Mitralklappeninsuffizienz
Die Ausprägungsgrade sind höchst variabel! Laut Dt. Ärzteblatt fehlen bei 40% der Patienten die Linsenluxationen. Die am häufigsten zum Tod führende Aortendissektion wird jedoch oft übersehen. Typisch für ein neonatales MFS sind neben oben genannten Manifestationen ein Greisengesicht, antimongoloide Lidstellung, stark eingekerbte Nasenwurzel, ausgeprägte Knautschohren und Kontrakturen peripherer Gelenke.
Ghent-Nosologie: Multidisziplinäre Diagnosestellung
Die 1996 eingeführte Ghent-Nosologie fasst alle Diagnosekriterien zusammen und erleichtert somit weltweit die Diagnosestellung eines MFS. Wenn die Familienanamnese negativ ist, müssen Hauptkriterien in zwei verschiedenen Organsystemen erfüllt sein und ein drittes System eine Beteiligung aufweisen. Das Dt. Ärzteblatt veröffentlicht folgende Übersichtstabelle:
Organsystem | Hauptkriterien | Nebenkriterien |
Skelettsystem | Hühnerbrust (Pectus carinatum)
operationspflichtige Trichterbrust Verhältnis von Armspanne zuKörpergrösse grösser als 1,05 positives Daumen/Handgelenkzeichen Skoliose >20° oder Spondylolisthesis eingeschränkte Ellbogenstreckung (<70°) Pes planus durch mediale Dislokation des inneren Malleolus Protrusio acetabuli (nur radiologisch) |
milde Trichterbrust
überbewegliche Gelenke hoher, gotischer Gaumen (Zahnfehlstellungen durch enge Raumverhältnisse) Dolichozephalie, Wangenknochenhypoplasie, Retrognathie |
Auge | Ektopia lentis | abnorm flache Kornea
Verlängerung der Bulbusachse hypoplastische Iris und hypoplastischer Ziliarmuskel |
Kardial/Vaskulär | Dilatation der Aortenwurzel (mit oder ohne Aortenklappeninsuffizienz)
Dissektion der Aorta ascendens |
Mitralklappenprolaps (mit oder ohne Insuffizienz)
Dilatation des Truncus pulmonalis Verkalkung der Mitralklappe (im Anulusbereich) |
Integument | Striae atrophicae
Rezidivierende Hernien |
|
Dura | lumbosakrale durale Ektasie | |
Lunge | Pneumothorax
Emphysemblasen in der Lungenspitze |
|
Familienanamnese | Verwandter 1. Grades erfüllt die diagnostischen Kriterien für das Marfan-Syndrom
Fibrillin-1-Mutation nachgewiesen |
Therapie des MFS: Nur symptomatisch
Die Patienten können nur individuell symptomatisch therapiert werden. Wichtig sind entsprechend der Hauptmanifestationsorte regelmäßige Kontrollen in den Bereichen Ophthalmologie, Orthopädie und Kardiologie. Besondere Priorität hat hierbei die Überwachung des Aortendurchmessers durch Echokardiographie. Durch prospektive und retrospektive Studien mit Propanolol/Atenolol konnte eine Verlangsamung der Aortendilatation nachgewiesen werden, weshalb Beta-Blocker verbreitet zum Einsatz kommen. So können auch nötige kardiochirurgische Eingriffe hinausgezögert oder vermieden werden.
Die Lebenserwartung der Patienten mit MFS ist in den letzten Jahren gestiegen. Dies ist vor allem der kardiochirurgischen Eingriffe geschuldet, die besonders zeitnah therapeutisch durchgeführt werden. Dadurch werden Aortenrupturen und Aortendissektionen vermieden.
Schreiben Sie einen Kommentar