Harnwegsinfektionen bei Kindern

Harnwegsinfektionen (HWI) sind die häufigsten bakteriellen Infektionen im Kindesalter, welche mehr Mädchen als Jungen betreffen. HWI können sich als Zystitis, Pyelonephritis Pyelonephritis Pyelonephritis und perinephritischer Abszess oder asymptomatische Bakteriurie präsentieren, und ihr klinisches Bild kann je nach Alter der Patient*innen sehr unterschiedlich sein. Fäkale E. coli ist der häufigste Erreger, meist als aszendierende Infektion. Selten, vor allem bei Immunsuppression, kann der Infektionsweg hämatogen sein. Der Verdacht auf eine HWI besteht bei vorliegenden typischen Symptomen der unteren Harnwege ( Dysurie Dysurie Harnwegsinfektion, Harndrang) oder der oberen Harnwege ( Fieber Fieber Fieber) und einem positiven Urinbefund. Symptome sind bei Säuglingen und Kleinkindern oft unspezifisch und können sich durch Fieber Fieber Fieber und Nahrungsverweigerung äußern. Die Urinkultur Urinkultur Harnwegsinfektion bestätigt die Diagnose. Die meisten Fälle sprechen auf orale Antibiotika gut an und können ambulant behandelt werden. Bei komplizierten Fällen sollte eine intravenöse Therapie im Krankenhaus erfolgen. Bei refraktären oder rezidivierenden HWI sind weitere Untersuchungen durch bildgebende Verfahren erforderlich zum Nachweis von möglichen Anomalien, wie vesikoureteraler Reflux Vesikoureteraler Reflux Vesikoureteraler Reflux (VUR), Ureterobstruktionen oder Harnröhrenklappen.

Aktualisiert: 16.02.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Definition

Eine Harnwegsinfektion Harnwegsinfektion Harnwegsinfektion (HWI) ist eine (meist bakterielle, seltener auch virale oder pilzbedingte) Infektion eines beliebigen Teils des Harnableitungssystems, einschließlich der Urethra, der Harnblase, der Ureteren oder der Nieren Nieren Niere.

Klassifikation

Epidemiologie und Risikofaktoren

Epidemiologie

Prävalenz von Harnwegsinfektionen:

  • Bakterielle HWI sind die häufigsten bakteriellen Infektionen im Kindesalter.
  • Altersabhängig: Kleinkinder (Jungen < 1; Mädchen < 4) haben eine höhere Prävalenz von HWI als ältere Kinder.
  • Geschlechtsabhängig: Das Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen beträgt im ersten Jahr 1:2 und steigt nach 1–2 Jahren auf 1:10.
  • Bis zum Alter von 6 Jahren leiden 7 % der Mädchen und 1,6 % der Jungen an einem HWI.
  • Abhängig von der Anatomie oder möglichen Anomalien

Risikofaktoren

  • Erworben:
    • Aktuelle Antibiotikatherapie
    • Sexuelle Aktivität
    • Funktionsstörungen des Darms (pädiatrische Konstipation)
    • Dauerkatheter Dauerkatheter Harnwegsinfektion
    • Immunsuppression
  • Angeboren:
    • Strukturelle Anomalien der Harnwege, die zu einer Obstruktion führen
    • Funktionsstörung der Blasenentleerung (neurogene Blase)
    • Genetik Genetik Grundbegriffe der Genetik (Kinder mit Verwandten 1. Grades mit pädiatrischen HWI in der Anamnese haben ein höheres Risiko selbst eine HWI zu entwickeln.)

Ätiologie und Pathophysiologie

Ätiologie

Pathophysiologie

Normale Anatomie des Harntrakts und/oder normale Harndynamik:

  • Aufsteigende Infektion:
    • Uropathogene (meist fäkale Flora) besiedeln den periurethralen Bereich → Aufstieg zur Blase über die Harnröhre
    • Wenn der Erreger über den Ureter in die Niere gelangt → Pyelonephritis Pyelonephritis Pyelonephritis und perinephritischer Abszess oder obere HWI
    • Gelegentlich kann eine Infektion sich im Blut ausbreiten → Septikämie
  • Hämatogene Infektion:
    • Septikämie → HWI
    • Selten, meist bei immungeschwächten Patient*innen

Abnorme Anatomie der Harnwege und/oder Harndynamik:

  • Stagnation des Urins führt zum Wachstum von Krankheitserregern und HWI.
    • Anatomische Anomalien, die zu einer Obstruktion führen (Obstruktion des Ureter-Nierenbecken-Übergangs, posteriore Harnröhrenklappen)
    • Neurologische Anomalien, die zu einer Verzögerung der Blasenentleerung führen
  • Vesikoureteraler Reflux Vesikoureteraler Reflux Vesikoureteraler Reflux (VUR): Rückfluss von Urin aus der Blase entlang der Ureteren
Aufsteigende und hämatogene Harnwegsinfektionen

Aufsteigende und hämatogene Harnwegsinfektionen

Bild von Lecturio.

Klinik

Säuglinge und Kleinkinder

  • Unspezifische Symptome:
    • Fieber Fieber Fieber (kann das einzige Symptom sein, insbesondere Fieber Fieber Fieber > 39 ℃)
    • Reizbarkeit
    • Nahrungsverweigerung
    • Gelbsucht
    • Gewichtsverlust
  • Veränderungen der Harngewohnheiten:
    • Zurückgehaltener Urin aufgrund von schmerzhaftem Wasserlassen
    • Neue Inkontinenz

Ältere (schulpflichtige und ältere) Kinder

Das Erscheinungsbild ist ähnlich wie bei Erwachsenen, und anhand der klinischen Symptome lassen sich obere von unteren HWI unterscheiden.

Diagnostik

Der klinische Verdacht, der auf einer altersgemäßen Symptomatik oder einem Urinbefund beruht, muss durch eine Urinkultur Urinkultur Harnwegsinfektion bestätigt werden.

Entnahme einer Urinprobe

  • Eine Urinprobe sollte durchgeführt werden:
    • Im Alter von 0–2 Monaten: bei allen fiebrigen Säuglingen
    • Im Alter von 2–24 Monaten: Entscheidung hängt vom Einzelfall ab und basiert auf der Höhe des Fiebers und den Risikofaktoren.
    • Bei älteren Kindern: nur bei Symptomen, die auf eine HWI hindeuten
  • Vorgehen bei der Urinprobe:
    • Die Gewinnung von sterilem Urin ist der Schlüssel zu validen Urinanalyseergebnissen, aber bei kleinen Kindern eine Herausforderung.
    • Toilettenerfahrene Kinder: Versuch Mittelstrahlurin sauber aufzufangen (Kontamination mit der Hautflora sollte vermieden werden)
    • Kinder im Alter von 0–24 Monaten, die noch nicht auf die Toilette gehen:
      • Anlage eines Beutels im Genitalbereich (Beutelurin) als erster Test: sollte bei auffälligem Befund immer durch einen Clean-Catch oder Katheterurin ergänzt werden
      • Eine Katheterisierung oder suprapubische Blasenpunktion kann indiziert sein.

Merkmale der Urinanalyse

  • Die Ergebnisse der Urinanalyse können auf eine HWI hindeuten, sind aber allein nicht diagnostisch.
  • Negative Ergebnisse bei Vorliegen von Symptomen schließen eine HWI nicht aus.
  • Nitrite und Leukozytenesterase in der Regel positiv bei HWI
  • Pyurie Pyurie Harnwegsinfektion (Leukozyten im Urin):
    • Kann auch fehlen
    • Sterile Pyurie Pyurie Harnwegsinfektion (positive Leukozyten und negative Kultur) kann verursacht werden durch:
      • Frühere Antibiotika-Therapie
      • Virusinfektionen, Tuberkulose Tuberkulose Tuberkulose, Nierenabszess
      • Obstruktion der ableitenden Harnwege
      • Entzündung Entzündung Entzündung außerhalb des Harntrakts
      • Interstitielle Nephritis
  • Es kann eine Hämaturie (erhöhte Erythrozytenzahl) auftreten.

Urinkultur Urinkultur Harnwegsinfektion

  • Urinanalysen, die auf eine Harnwegsinfektion Harnwegsinfektion Harnwegsinfektion hindeuten, müssen durch eine Urinkultur Urinkultur Harnwegsinfektion bestätigt werden.
  • HWI wird diagnostiziert, wenn ein Erreger folgende Kriterien erfüllt:
    • Koloniezahl > 10.000 bei einem symptomatischen Kind
    • Koloniezahl > 50.000 aus einer suprapubischen/per Katheter entnommenen Probe
    • Koloniezahl > 100.000 aus einem Beutelurin
    • Es sollte immer eine Resistenztestung erfolgen.
  • Isolierung von Lactobacillus spp., koagulase-negativen Staphylokokken Staphylokokken Staphylococcus und Corynebacterium spp. deuten nicht auf eine Harnwegsinfektion Harnwegsinfektion Harnwegsinfektion hin, da es sich um Erreger der physiologischen Hautflora handelt.

Blutkulturen

Sollten erfolgen bei:

Bildgebung

HWI bei Kindern können auf zugrundeliegende anatomische Anomalien der Nieren Nieren Niere hinweisen, sodass einige von ihnen mit bildgebenden Verfahren weiter untersucht werden sollten.

  • Sonografie der Nieren Nieren Niere und der Blase sollte durchgeführt werden:
    • Nach der 1. fiebrigen HWI bei allen Kindern im Alter von 0–24 Monaten
    • Bei allen Kindern mit wiederkehrenden HWI
    • Nach akuter Krankheitsphase; sofort bei schwerer Krankheit
  • Vesikourethrografie (VUG): Ein auf dem Röntgenbild sichtbarer Farbstoff wird in die Blase injiziert, und der Urinfluss wird während der Blasenentleerung sichtbar gemacht.
    • Ziel ist der Nachweis von vesikoureteralen Refluxes (VUR).
    • Durchgeführt bei:
      • Ultraschallbefunden, die auf einen hochgradigen (III und höher) VUR hindeuten (die meisten VURs vom Grad I oder II verschwinden meist spontan mit dem Älterwerden)
      • Anzeichen einer Obstruktion, wie Hydronephrose Hydronephrose Hydronephrose oder Vernarbung
      • Wiederkehrender fiebriger HWI
  • Dimercaptosuccinat (DMSA)-Szintigraphie: In Ausnahmefällen zum Nachweis von Parenchymnarben; hohe Strahlenexposition
Vesikoureterischer Reflux

Beidseitige Dilatation der Harnleiter aufgrund eines vesikoureteralen Refluxes bei einem pädiatrischen Patienten

Bild: „Ultrasonography of the Kidney“ vom Department of Radiology, Copenhagen University hospital, Blegdamsvej 9, Copenhagen 2100-DK, Denmark. Lizenz: CC BY 4.0

Therapie und Nachsorge

Therapie

Das Hauptziel der Behandlung ist die Vorbeugung von Nierenkomplikationen wie Nierenvernarbung, Bluthochdruck und chronischen Nierenerkrankungen.

  • Empirische Antibiotikatherapie:
    • Eine frühzeitige Einleitung (innerhalb von 72 Stunden) verhindert die Vernarbung der Nieren Nieren Niere.
    • Sollte erst nach der Entnahme von Urinproben begonnen werden
    • Sollte nur bei Patient*innen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer HWI begonnen werden:
      • Fieber Fieber Fieber > 39 ℃
      • Bekannte Immunschwäche oder Nierenanomalie
      • Septisches Bild
  • Wahl des Antibiotikums:

Pyelonephritis Pyelonephritis Pyelonephritis und perinephritischer Abszess

Nachsorge

  • Kinder mit nur einer unkomplizierten HWI in der Anamnese brauchen keine Nachuntersuchungen.
  • Die Nachsorge durch pädiatrische Nephrolog*innen bei:
    • Wiederkehrende HWI
    • Schwerer VUR (Grad III bis V)
    • Anatomische Nierenanomalien
    • Neurologische Funktionsstörung der Blase
    • Hoher Blutdruck
  • Antibiotikaprophylaxe Antibiotikaprophylaxe Chirurgische Infektionen
    • Empfohlen für Kinder mit VUR Grad III bis V
    • Empfohlen für Kinder bis zur chirurgischen Versorgung einer Anomalie
Schweregrade des vesikoureteralen Refluxes

Grade des VUR: Bei VUR Grad 5 kann ein Megaureter auftreten.

Bild von Lecturio.

Quellen

  1. Millner, R., M.D., & Becknell, Brian,M.D., PhD. (2019). Urinary tract infections. Pediatric Clinics of North America, 66(1), 1-13. doi://dx.doi.org/10.1016/j.pcl.2018.08.002
  2. Jerardi, K. E., & Jackson, E. C. (2020). Urinary tract infections. In R. M. Kliegman MD, J. W. St Geme MD, N. J. Blum MD, Shah, Samir S., MD,MSCE, Tasker, Robert C., MBBS,MD & Wilson, Karen M., MD,MPH (Eds.), Nelson textbook of pediatrics (pp. 278-2795.e1) https://www.clinicalkey.es/#!/content/3-s2.0-B9780323529501005538
  3. Gupta, K., & Trautner, B. W. (2018). Urinary tract infections, pyelonephritis, and prostatitis. In J. L. Jameson et al. (Eds.), Harrison’s principles of internal medicine. New York, NY: McGraw-Hill Education. accessmedicine.mhmedical.com/content.aspx?aid=1159153646
  4. Robinson J. Antibiotic prophylaxis in vesicoureteral reflux: A practice revisited. Can Pharm J (Ott). 2013;146(2):84-87. doi:10.1177/1715163513481570
  5. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) – Ständige Kommission Leitlinien. (S2k) Leitlinie „Harnwegsinfektionen im Kindesalter -Diagnostik, Therapie und Prophylaxe“. AWMF-Registriernummer 166-004. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/166-004l_S2k_Harnwegsinfektionen_im_Kindesalter_2021-08_1.pdf (Zugriff am 05.07.2022)

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