Polyhydramnion

Überblick

Definition

Polyhydramnion ist das Vorliegen von zu viel Fruchtwasser in der Fruchtblase.

Epidemiologie

• Inzidenz: 0,2–1,6 %
• Wird häufig während des 3. Trimenon zufällig festgestellt.
• Polyhydramnion ist in 60–70 % Fällen idiopathisch.
• 20 % der Fälle sind auf angeborene Anomalien zurückzuführen.

Ätiologie

• Idiopathisch
• Fetale Anomalien:
  • Magen-Darm:
    • Ösophagusatresie
    • Duodenalatresie
    • Ileus
  • ZNS:
    • Anenzephalus
    • Dandy-Walker-Fehlbildung
  • Lungen:
    • Zwerchfellhernie
    • Angeborene pulmonale Atemwegsobstruktion Atemwegsobstruktion Atemwegsobstruktion
  • Neuromuskulär:
    • Fetale Akinesie-Deformations-Sequenz
    • Skelettdysplasie
• Fetale Chromosomenanomalien:
  • Trisomie 18 Trisomie 18 Edwards-Syndrom (Trisomie 18)
  • Trisomie 21 Trisomie 21 Down-Syndrom (Trisomie 21)
• Fetale Anämie Anämie Anämie: Überblick und Formen:
  • Alloimmunisierung
  • Angeborene Infektion (z. B. Parvovirus)
  • Fetomaternale Blutung
• Hydrops fetalis
• Fetofetales Transfusionssyndrom
• Gestationsdiabetes Gestationsdiabetes Diabetes Mellitus
• Urämie der Mutter*
• Mütterliche Hyperkalzämie Hyperkalzämie Hyperkalzämie
• Fetale und plazentare Tumoren
• Intrapartale Infektionen (z. B. STORCH-Infektionen)
• Lithiumaufnahme durch die Mutter*

Pathophysiologie

Normale physiologische Bedingungen:

• Das Fruchtwasser wird vom Fötus ausgeschieden.
• Der Fötus schluckt das ausgeschiedene Fruchtwasser wieder.
• Zwischen der Produktion und Ausscheidung von Fruchtwasser stellt sich ein Gleichgewicht ein.

Zwei Hauptursachen für Polyhydramnion:

1. Erhöhte fetale Diurese:
   • Hohes Herzzeitvolumen Herzzeitvolumen Herzmechanik (fetale Anämie Anämie Anämie: Überblick und Formen)
   • Volumenüberlastung (Fetofetales Transfusionssyndrom)
   • Osmotische Diurese (mütterlicher Diabetes Diabetes Diabetes Mellitus, mütterliche Urämie)
2. Vermindertes Schlucken Schlucken Gastrointestinale Motilität des Fötus

Klinik

• Die meisten Patient*innen sind asymptomatisch.
• Symptomatische Patient*innen können folgende Symptome äußern:
  • Dyspnoe Dyspnoe Dyspnoe (Atemnot/Luftnot)
  • Periphere Ödeme
  • Obstipation Obstipation Obstipation
  • Bauchschmerzen
  • Gespannte Bauchdecke
  • Schnell wachsender Bauch
  • Verminderte Bewegung des Fötus
• Das Kind befindet sich oft in Steißlage.

Diagnostik

Anamnese

• Oft nicht weiterführend
• Konzentration auf das Vorhandensein von Risikofaktoren (z. B. Diabetes Diabetes Diabetes Mellitus, genetische Erkrankungen).
• Erfragen, ob die Mutter* fetale Bewegungen wahrnimmt (oft verringert)

Körperliche Untersuchung

• Beurteilung:
  • Bauchgröße und Spannung der Bauchdecke
  • Ödeme der unteren Extremitäten
• Messung der Fundusstands (> 3 cm über dem Gestationsalter Gestationsalter Schwangerschaft: Diagnostik, mütterliche Physiologie und Routineversorgung ist verdächtig):
  • Verwendung eines flexiblen Maßbandes
  • Messung von der Schambeinfuge bis zum oberen Rand des Fundus
  • In Zentimeter messen
  • Das Schwangerschaftsalter sollte ungefähr gleich wie die Fundusstand sein (z.B. 25. Schwangerschaftswoche – Fundusstand von 25 cm).

Apparative Untersuchungen

• Fruchtwasseruntersuchung Fruchtwasseruntersuchung Bildgebende Verfahren in der Schwangerschaft mittels Ultraschall Ultraschall Ultraschall (Sonographie):
  • Unterteilung der Gebärmutter Gebärmutter Uterus, Cervix uteri und Tuba uterina in 4 Quadranten.
  • Messung des größten Fruchtwasserdepots in cm in jedem der 4 Quadranten.
  • Fruchtwasserindex (Englisches Akronym: AFI):
    • Summe der tiefsten Fruchtwasserdepots in allen 4 Quadranten
    • Werte zwischen 5–23 cm sind normal.
  • Vertikale Messung des größten Depots (Englisches Akronym: SDP):
    • Fruchtwasservolumen im größten Depot
    • Werte zwischen 2–8 cm sind normal.
• Fetales Organscreening
• Messung der systolischen Spitzengeschwindigkeit der A. cerebri media:
  • Gemessen mit Ultraschall Ultraschall Ultraschall (Sonographie)
  • ↑ Wert zeigt fetale Anämie Anämie Anämie: Überblick und Formen an
• Amniozentese:
  • Transabdominelle Punktion der Amnionhöhle Amnionhöhle Plazenta, Nabelschnur und Amnionhöhle unter Ultraschallkontrolle
  • Fetale Karyotypisierung für Trisomie 21 Trisomie 21 Down-Syndrom (Trisomie 21), 13 und 18
  • PCR zum Nachweis angeborener Infektionen
• Sonstiges:
  • Glukosetoleranztest Glukosetoleranztest Diabetes Mellitus
  • Screening auf angeborene Infektionen:
    • STORCH Infektionen
    • HIV HIV Retroviren: HIV
    • Hepatitis B Hepatitis B Hepatitis-B-Virus
• Screening auf Alloimmunisierung
  • Blutgruppe der Mutter*
  • Rhesusfaktor Rhesusfaktor Blutgruppensysteme
  • Antikörpersuchtest
  • Kleihauer-Betke-Test (bei fetomaternaler Blutung)
• Tests auf erbliche Erkrankungen wie z.B. Anämien

Therapie

Schwangerschaftsvorsorge

• Die Behandlung hängt vom Schweregrad ab.
• Bei leichten Formen von Polyhydramnion ist keine Behandlung erforderlich.
• Eine ärztliche Beratung wird empfohlen.
• Zur Beurteilung des fetalen Wachstums und des AFI sollte regelmäßig ein Ultraschall Ultraschall Ultraschall (Sonographie) durchgeführt werden.
• Bettruhe auf ↓ die Wahrscheinlichkeit vorzeitiger Wehen
• Schweres Polyhydramnion wird behandelt mit:
  • Amnioreduktion: Eine regelmäßige AFI-Überwachung wird alle 1–3 Wochen nach dem Eingriff empfohlen. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv.
• Genetische Beratung
• Intrauterine Austauschtransfusion (Morbus haemolyticus fetalis)
• Lasertherapie (Fetofetales-Transfusionssyndrom)

Entbindung

• Der Zeitpunkt der Entbindung ist abhängig von der vorliegenden Ätiologie und den bestehenden Komplikationen.
• In idiopathischen/unkomplizierten Fällen sollte die Entbindung für gewöhnlich in der 39. Schwangerschaftswoche eingeleitet werden.
• Eine kontinuierliche fetale Überwachung wird empfohlen.
• Wird eine Frühgeburt Frühgeburt Vorzeitige Wehentätigkeit und Frühgeburt erwartet, sollte die Lungenreifung mit Glukokortikoiden eingeleitet werden.

Komplikationen

• Vorzeitige Wehen Vorzeitige Wehen Vorzeitige Wehentätigkeit und Frühgeburt
• Vorzeitiger Blasensprung Vorzeitiger Blasensprung Vorzeitiger Blasensprung
• Postpartale Blutungen
• Regelwidrige Geburtseinstellungen
• Nabelschnurvorfall
• Tod des Fötus

Differentialdiagnosen

• Präeklampsie Präeklampsie Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Präeklampsie Präeklampsie Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen ist eine Erkrankung, die durch eine neu auftretende Hypertonie Hypertonie Arterielle Hypertonie nach der 20. Schwangerschaftswochen und Proteinurie oder Anzeichen einer Endorganschädigung gekennzeichnet ist. Die Patient*innen stellen sich mit Sehstörungen, Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit und Schmerzen im Oberbauch vor. Die Behandlung umfasst die Verabreichung von Antihypertensiva Antihypertensiva Antihypertensiva und möglicherweise die Entbindung.
• Plazentaablösung: Die Plazenta Plazenta Plazenta, Nabelschnur und Amnionhöhle löst sich vorzeitig von der Gebärmutterschleimhaut Gebärmutterschleimhaut Uterus, Cervix uteri und Tuba uterina. Eine Plazentaablösung ist eine gefährliche Schwangerschaftskomplikation. Die Patient*innen stellen sich häufig mit schmerzhaften vaginalen Blutungen, Uteruskontraktionen, Bauch- oder Rückenschmerzen Rückenschmerzen Rückenschmerzen und Frühgeburten vor. Die Behandlung hängt vom Gestationsalter Gestationsalter Schwangerschaft: Diagnostik, mütterliche Physiologie und Routineversorgung und dem hämodynamischen Status von Mutter* und Fötus ab. Sie umfasst die stationäre Aufnahme der Patient*innen und möglicherweise die Entbindung.
• Kongestive Herzinsuffizienz: Das Herz ist nicht in der Lage, genug Blut zu pumpen, um den Stoffwechselbedarf des Körpers zu decken. Die Patient*innen stellen sich häufig mit Belastungsdyspnoe, Brustschmerzen Brustschmerzen Brustschmerzen, paroxysmaler nächtlicher Dyspnoe Dyspnoe Dyspnoe (Atemnot/Luftnot) und Blähungen aufgrund von Aszites Aszites Aszites und/oder Hepatomegalie vor. Eine Echokardiografie wird zur Bestätigung der Diagnose eingesetzt. Die Behandlung umfasst eine Natriumrestriktion, die Verabreichung von Diuretika Diuretika Medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz und der Angina pectoris, inotropen Medikamenten und Vasodilatatoren.