Nikotinkonsumstörung

Der Tabakkonsum ist weltweit die Hauptursache für vermeidbare Todesfälle. Tabakkonsum steht in direktem Zusammenhang mit einem höheren Risiko für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), Herz-Kreislauf-Erkrankungen und unterschiedliche Krebsarten (allen voran Lungenkrebs). Nikotin, der psychoaktive Bestandteil des Tabaks, stimuliert nikotinarme Rezeptoren in den autonomen Ganglien des sympathischen und parasympathischen Nervensystems. Nikotin macht durch seine Wirkung auf das dopaminerge System stark süchtig. Die Behandlung umfasst Medikamente zur Vorbeugung von "Craving" (Verlangen), Nikotinersatztherapie und Psychotherapie Psychotherapie Psychotherapie.

Aktualisiert: 20.06.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

Mit Video-Repetitorien von Lecturio kommst du sicher
durch Physikum, M2 und M3.

Überblick

Definition

Nikotinabhängigkeit ist definiert als chronischer (> 12 Monate) maladaptiver Konsum von Tabak.

  • Häufigste Substanzen: Zigaretten, Kautabak
  • Intoxikation:
  • Entzug:
    • Entwicklung eines substanzspezifischen Syndroms aufgrund der Beendigung (oder Reduzierung) des Substanzkonsums
    • Leichte körperliche Symptome:
      • Gewichtszunahme
      • Konzentrationsschwäche
    • Leichte psychologische Symptome:
      • Depression
      • Wahrgenommenes Bedürfnis zum Substanzkonsum
  • Toleranzentwicklung: Notwendigkeit, die Dosis der Substanz zu erhöhen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen (verringerte Wirkung bei Verwendung der gleichen Menge der Substanz)

Epidemiologie

  • Der Tabakkonsum ist weltweit die Hauptursache für vermeidbare Todesfälle.
  • Prävalenz:
    • 23,8 % der Erwachsenen in Deutschland mit regelmäßigem Tabakkonsum
    • Höher bei Personen mit anderen komorbiden psychiatrischen Störungen wie bipolaren Störungen (70 %), Schizophrenie Schizophrenie Schizophrenie (90 %) oder anderen Drogenkonsumstörungen (70 %)
    • Die Raucherquote unter jungen Menschen in Deutschland ist rückläufig.
  • Höheres Bildungsniveau = protektiver Faktor

Pharmakologie

Nikotin Nikotin Stimulanzien ist der wichtigste psychoaktive Bestandteil des Tabaks:

  • Agonist am nikotinergen Subtyp des Acetylcholinrezeptors im zentralen Nervensystem Nervensystem Nervensystem: Aufbau, Funktion und Erkrankungen
  • Aktivierung des dopaminergen Signalweg von der Area ventralis tegmentalis zur Großhirnrinde → belohnende Wirkung
  • Verursachung einer verstärkten Zirkulation der folgenden Neurotransmitter:
    • Noradrenalin
    • Adrenalin
    • Beta-Endorphin
    • Adrenocorticotropes Hormon
    • Cortisol

Nur 25 % des eingeatmeten Nikotins gelangt in den Blutkreislauf, aber er erreicht das Gehirn innerhalb von 15 Sekunden.

Tabelle: Wichtige Wirkungen im menschlichen Körper
Sympathikus Ausschüttung von Adrenalin, Steigerung der Glykolyse Glykolyse Glykolyse und Lipolyse > Erhöhung des Energieumsatzes
Parasympathikus Schwitzen, erhöhte Magensäuresekretion, verstärkte Darmtätigkeit
ZNS Glücksgefühl, Beruhigung, Entspannung
Brechzentrum Appetitminderung, Übelkeit
Hypothalamus Hypothalamus Hypothalamus Erhöhtes ADH > erhöhter Blutdruck, Antidiurese

Klinik

Aktiver Nikotinkonsum

  • Zu den unmittelbaren Wirkungen von Nikotin Nikotin Stimulanzien gehören eine verbesserte Aufmerksamkeit und eine gehobene Stimmung.
  • In der Regel treten bei Tabakkonsum keine schweren Vergiftungserscheinungen auf.
  • Nikotinintoxikation:
  • Anmerkung: Nikotin Nikotin Stimulanzien ist ein ZNS-Stimulans, aber eine Skelettmuskelrelaxans.

Nikotinentzug

  • Intensives Verlangen („Craving“)
  • Dysphorie
  • Angstzustände
  • Schlechte Konzentration
  • Erhöhter Appetit, Gewichtszunahme
  • Reizbarkeit, Unruhe und Schlaflosigkeit Schlaflosigkeit Insomnie/Schlaflosigkeit

Therapie und Komplikationen

Pharmakotherapie bei Nikotinabhängigkeit

  • Nikotinersatztherapie (NET):
    • Therapie der 1. Wahl: Verdopplung der Chancen auf eine Entwöhnung
    • Erhältlich als transdermales Pflaster, Kaugummi, Lutschtablette, Nasenspray und Inhalator
  • Nikotinentwöhnung:
    • Therapie der 2. Wahl

Psychotherapie Psychotherapie Psychotherapie und präventive Maßnahmen bei Nikotinabhängigkeit

  • Verhaltenstherapeutische Beratung:
    • Inhalt:
      • Persönliche oder telefonische Sitzungen
      • Informationsmaterial
      • Softwareprogramme
    • Ziel = Beseitigung von Anreizen zum Rauchen
  • Motivierende Gesprächsführung
    • Ziel ist es, intrinsische Gründe für die Raucherentwöhnung zu ermitteln und zu fördern.
    • Der 1. Schritt besteht darin, ein „Kündigungsdatum“ festzulegen.
  • Bei Kindern und Jugendlichen im Schulalter werden Prävention und Aufklärung empfohlen.
  • Gesundheitspolitische Maßnahmen (Rauchverbot in der Öffentlichkeit)

Therapie des Nikotinentzugs

  • Symptomatische Behandlung
  • Unterstützende, psychosoziale Interventionen:
    • Kontingenzmanagement
    • Selbsthilfegruppen

Komplikationen

Vorteile der Raucherentwöhnung

Kurzfristige Vorteile (< 12 Monate):

  • Senkung von Herzfrequenz Herzfrequenz Herzphysiologie und Blutdruck
  • Rückkehr des Kohlenmonoxidspiegels im Blut in den Normalbereich
  • Verbesserte Durchblutung und Lungenfunktion
  • Verminderter Husten und Kurzatmigkeit
  • Frauen*, die während des ersten Trimesters mit dem Rauchen aufhören, haben ein geringeres Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht als Frauen*, die nie geraucht haben.

Langfristige Vorteile (> 12 Monate):

  • Erhöhte Lebenserwartung
  • Verringertes Risiko für
    • Herzinfarkt Herzinfarkt Myokardinfarkt
    • Zerebrovaskuläre Erkrankungen
    • Krebs:
      • Speiseröhren-, Blasen-, Gebärmutterhals-, Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs

Differentialdiagnosen

  • Organophosphatvergiftung: Chemikalien, die häufig in Insektiziden vorkommen und als irreversible Cholinesterasehemmer eingestuft werden. Wenn diese Chemikalien in toxischen Mengen aufgenommen werden, treten Symptome wie Speichelfluss, Tränenfluss, Urinieren, Durchfall Durchfall Durchfall (Diarrhö), Magen-Darm-Beschwerden und Erbrechen Erbrechen Erbrechen im Kindesalter auf. Diese Symptome ähneln einer Nikotinvergiftung. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass übermäßiger Tabakkonsum zu so schweren Symptomen führt, wie sie bei Organophosphatvergiftungen auftreten.
  • Cannabiskonsumstörung Cannabiskonsumstörung Cannabiskonsumstörung: Cannabis ist weltweit die am häufigsten konsumierte illegale Substanz. Zu den Vergiftungssymptomen gehören Euphorie, Lachen, Lethargie, verminderte Reaktionsfähigkeit, konjunktivale Injektion und gesteigerter Appetit. Zu den Entzugssymptomen gehören Reizbarkeit, Angstzustände, Schlaflosigkeit Schlaflosigkeit Insomnie/Schlaflosigkeit und Appetitlosigkeit. Während die Entzugserscheinungen wie Reizbarkeit und Angstzustände bei Cannabis- und Tabakkonsum ähnlich sind, ist der Appetit beim Tabakentzug in der Regel gesteigert. Eine sorgfältige Anamnese der eingenommenen Substanz ist ebenfalls hilfreich für die Differenzierung der Diagnose.

Quellen

  1. Ganti L, et al. (2016). First Aid for the Psychiatry Clerkship. 4th ed., Chapter 7, Substance-related and addictive disorders, pages 80, 94.
  2. Bhushan V, et al. (2019). First Aid for the USMLE Step 1. 29th ed. McGraw-Hill Education/Medical. Page 564.
  3. Rigotti N. (2021). Overview of smoking cessation management in adults. UpToDate. https://www.uptodate.com/contents/overview-of-smoking-cessation-management-in-adults (Zugriff am 30. April 2021).
  4. Sadock BJ, Sadock VA, & Ruiz P. (2014). Kaplan and Sadock’s synopsis of psychiatry: Behavioral sciences/clinical psychiatry (11th ed.), Chapter 20, Substance use and addictive disorders, pages 680–685. Philadelphia, PA: Lippincott Williams and Wilkins.
  5. Bundesministerium für Gesundheit (2021). Rauchen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/r/rauchen.html. (Zugriff am 06. April 2022).
Details