Inhaltsverzeichnis

„Ewing sarcoma cells“ von Lance Liotta Laboratory. Lizenz: CC BY 2.5
Definition
Das Ewing-Sarkom ist nach dem Osteosarkom der zweithäufigste maligne Knochentumor im Kindesalter. Charakteristisch sind kleine runde blaue Zellen und eine tumorspezifische chromosomale Translokation mit Fusion des EWS-Gens mit einem anderen Gen.
Epidemiologie
Verbreitung des Ewing-Sarkoms
Über 80 % der Patienten erkranken vor dem 20. Lebensjahr am Ewing-Sarkom. Das mediane Alter bei Erstdiagnose ist 15 Jahre. Die Inzidenz liegt bei 0,3/100.000, wobei Jungen 1,5 mal häufiger betroffen sind als Mädchen. Bei dunkelhäutigen und asiatischen Kindern ist das Ewing-Sarkom viel seltener.
Ätiologie
Translokation des Ewing-Sarkoms
Dieser maligne Knochentumor geht vom bindegewebigen Knochenmarkgerüst aus und stammt von pluripotenten Zellen des Neuralrohres ab. Das Ewing-Sarkom war der erste solide Tumor für den eine balancierte Translokation nachgewiesen werden konnte. Die Translokation betrifft das EWS-Gen auf Chromosom 22, meist entsteht eine Translokation t(11;22). In 44 % der Fälle kann auch eine Trisomie 8 nachgewiesen werden.
Befallen werden die Diaphysen der Röhrenknochen und platte Knochen wie Skuapula und Wirbelkörper. In 2/3 der Fälle ist der Tumor im Bereich der Beine (vor allem dem Femur) und dem Beckengürtel lokalisiert. Am häufigsten ist das Os ilium betroffen.

Bild: „Lokalisation des Ewing-Sarkoms” von Frank Gaillard. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Die Metastasierung erfolgt frühzeitig in Lunge und Knochen. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind bei 20 % der Patienten Metastasen nachweisbar.
Makroskopisches Bild und Histologie
Der Tumor ist grauweiß und von schleimiger bis zähflüssiger Konsistenz.
Die Tumorzellen sind unreif und rundkernig ohne abgrenzbare Zellgrenzen. In der PAS-Färbung wird eine Glykogenablagerung in den Zellen sichtbar. Die Untersuchung muss außerdem Immunhistochemisch erfolgen, um die Tumorzellen von Lymphomzellen oder dem Neuroblastom abzugrenzen. Charakteristisch ist eine Expression des Produktes des MIC-2-Gens CD99. Zudem exprimieren sie häufig den mesenchymalen Marker Vimentin und das S100 Protein der neuronenspezifischen Enolase.
Anhand von feingeweblichen Eigenschaften und Ursprungsort des Tumors werden innerhalb der Gruppe der Ewing-Sarkome folgende Tumortypen unterschieden:

Bild: „Histopathologisches Bild” von Ed Uthman. Lizenz: CC BY-SA 2.0
- Klassisches Ewing-Sarkom (EWS)
- Peripherer maligner primitiver neuroektodermaler Tumor (PPNET oder pPNET)
- Askin-Tumor der Thoraxwand
- Weichteil Ewing-Tumor
Klinik
Symptome bei einem Ewing-Sarkom
Die Symptomatik besteht hauptsächlich aus Schmerzen und Schwellung. Da die Schmerzen häufig nach einem Bagatelltrauma auftreten, werden die Beschwerden häufig als Verletzungsfolge oder Wachstumsschmerz fehlinterpretiert. Oft nehmen die Schmerzen mit Belastung zu und bleiben auch nachts bestehen. In Abhängig von der Lokalisation kann es auch zu Bewegungseinschränkungen kommen. Sind zum Beispiel die Wirbelsäule oder periphere Nerven betroffen, können Ausfallerscheinungen wie Lähmungen im Vordergrund stehen.

Bild: „Riesiges Sarkom der Scapula”. Lizenz: CC BY-SA 2.0
Allgemeine Symptome sind Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsabnahme.
Diagnostik
Röntgenologische Untersuchung

Bild: “Ewing sarcoma – tibia child”von Michael Richardson. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Basis der Diagnostik stellt die röntgenologische Untersuchung mittels Röntgen, CT oder MRT dar. Im Röntgenbild finden sich mottenfraß-ähnliche Knochendestruktionen und typische zwiebelförmige Periostabhebungen, Codman-Dreieck genannt. Mit Hilfe des MRT kann die intraossäre Tumoraussaat gut beurteilt werden.
Weiteres Vorgehen bei der Diagnose
Für die Diagnosesicherung ist eine Biopsie anzustreben. Der bioptische Zugangsweg muss anschließend als kontaminiert angesehen werden und ist in die Planung der Lokaltherapie einzubeziehen. Für das Staging muss zudem eine Knochenszintigraphie oder 18-Fluor-Deoxyglukose-PET, Knochenmarks- und Liquorpunktion durchgeführt werden, um Skelett- und Lungenmetastasen auszuschließen.

Bild: “CT-Befund: Ewing-Sarkom an der linken Hüfte”
Spezifische Laboruntersuchungen sind für das Ewing-Sarkom nicht bekannt. Von indirekter prognostischer Bedeutung ist die Serumlaktatdehydrogenase, da sie mit der Tumorlast und der Disseminierung der Erkrank korreliert.
Therapie
Kombinationstherapie bei einem Ewing-Sarkom
Die Therapie des Ewing-Sarkoms besteht aus einer Kombination aus Polychemotherapie, Operation und Bestrahlung. Nach 10-wöchiger Chemotherapie mit Vincristin, Actinomycin D, Cyclophosphamid und Doxorubicin wird eine Sanierung des Primums und wenn es gelingt eine Totalresektion durchgeführt. Die Einteilung des histologischen Chemotherapie-Ansprechens erfolgt nach Salzer-Kuntschik in 6 Grade. Da der Tumor entlang des Markkanals wächst, muss der gesamte befallene Knochen operiert und bestrahlt werden.
Nicht selten ist eine prothetische Versorgung oder Umkehrplastik nötig. Bei Knochemetastasierung besteht nur durch die Stammzelltransplantation eine Heilungschance. Pulmonale Metastasen werden mit bilateraler pulmonaler Bestrahlung therapiert.
Prognose
Überlebensrate beim Ewing-Sarkom
Die Prognose dieses Knochentumors ist unter anderem abhängig vom Tumorvolumen und dem initialen Metastasierungsstatus. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 64 %.
Abhängig ist die Prognose vom initialen Tumorausmaß, dem Vorhandensein von Metastasen und dem Ansprechen auf die zytostatische Therapie.
Verlaufskontrolle und Nachsorge
In den ersten drei Jahren nach Diagnosestellung ist das Rezidivrisiko am höchsten, deshalb ist besonders in dieser Zeit die regelmäßige Suche nach Lungenmetastasen per Röntgen und Skelettmetastasen per Szintigraphie von hoher Bedeutung.
Sekundärmalignome als Risiko nach der Ersttherapie
Die Entwicklung von Sekundärmalignomen ist das schwerwiegendste Risiko nach der Chemo- und Strahlentherapie. Das Risiko für ein Zweitmalignom beträgt rund 5 % nach 20 Jahren. Die therapieassoziierten Zweitmalignome umfassen im Wesentlichen sekundäre myelodysplastische Syndrome, akute myeloische Leukämien und osteogene Sarkome.
Eine Spätfolge der Chemotherapie mit alkylierenden Substanzen ist außerdem die Infertilität, insbesondere bei Jungen. Bei heranwachsenden Patienten ist das prätherapeutische Angebot einer Spermakryokonservierung daher von großer Bedeutung für die spätere Lebensplanung und Lebensqualität des Patienten.
Sonderform
Der extraskelettale Ewing-Tumor
Ausschließlich extraskelettale Ewing-Tumore sind eher selten. Im Gegensatz zum klassischen Ewing-Sarkom des Knochens sind Jungen nicht häufiger betroffen als Mädchen. Hauptsächlich ist der Stamm betroffen. Bezüglich der Diagnostik und Therapie gelten die gleichen Richtlinien.
Beliebte Prüfungsfragen zum Ewing-Sarkom
Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellen.
1. Ein 12 jähriger Junge wird in Ihrer Kinderarztpraxis vorgestellt, da er seit zwei Wochen eine zunehmende Schwellung im Bereich des rechten unteren Oberschenkels bemerkt habe. Diese würde nun auch vor allem nachts schmerzen und leicht rot sein. Die Mutter gibt an, dass die Schwellung erstmals nach einem Fußballspiel aufgefallen sei und sie deshalb von einer Sportverletzung ausgegangen ist. Auf weitere Nachfrage hin äußert der Junge auch, dass er sich in letzter Zeit schwach fühle und viel schlafe. Welcher Befund im konservativen Röntgen wäre typisch für das von Ihnen vermutete Ewing-Sarkom?
- Grünholz-Fraktur des distalen Femurs
- Codman-Dreieck
- gestielter Tumor der Metaphyse
- osteolytischer Tumor mit zentraler Verkalkung
- stark durchbluteter Nidus mit umgebender Sklerose
2. Die Zellen des Ewing-Sarkoms exprimieren charakteristischerweise welches Oberflächenantigen?
- CD2
- CD8
- CD31
- CD60
- CD99
3. Welche Lokalisation ist eher typisch für das Osteosarkom als für das Ewing-Sarkom?
- Scapula
- Rippe
- Metaphyse der langen Röhrenknochen
- Beckenschaufel
- Wirbelkörper
Quellen und Leitlinie zum Ewing-Sarkom
Leitlinie Ewing-Sarkom (im Kinder- und Jugendalter) der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). In: AWMF online (Stand 2014, gültig bis 01.06.2019)
Christian P. Speer, Manfred Gahr: Pädiatrie, Springer 2009
Ludwig Gortner, Sascha Meyer, Friedrich Carl Sitzmann: Duale Reihe Pädiatrie, Thieme 2012
H.Gadner, G. Gaedicke, C. Niemeyer: Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Springer 2005
Dirksen U, Poremba C, Schuck A: Knochentumoren des Kindes-und Jugendalters. Der Onkologe 2005, 10: 1034
Bernstein M, Kovar H, Paulussen M, Randall RL, Schuck A, Teot LA, Jürgens H: Ewing’s sarcoma family of tumors: current management. The oncologist 2006, 11: 503
Dirksen U, Jürgens H: Ewing-Sarkome und PNET des Kindes- und Jugendalters. Interdisziplinäre Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft und der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie 2009
O. Delattre et al.: The Ewing family of tumors – a subgroup of small-round-cell tumors defined by specific chimeric transcripts. In: New England Journal of Medicine. (1994); 331, S. 294–299
J. Haeusler, A. Ranft, T. Boelling et al.: The value of local treatment in patients with primary, disseminated, multifocal Ewing sarcoma (PDMES). In: Cancer. 2010;116, S. 443–450.
Richtige Lösungen: 1B, 2E, 3C
Schreiben Sie einen Kommentar