Verbrennungen

Eine Verbrennung entspricht einer Verletzung der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion und der tieferen Gewebeschichten, die durch Hitze, Elektrizität, Chemikalien, Reibung oder Strahlung verursacht wird. Verbrennungen werden nach ihrer Tiefe in 4 Grade eingeteilt, wobei Verbrennungen 2. Grades nochmals in 2 Unterformen (2a und 2b) eingeteilt werden. Die Therapie hängt stark vom Ausmaß der betroffenen Oberfläche und der Tiefe der Verbrennungen ab. Die Therapie umfasst mitunter Volumensubstitution, adäquate Analgesie Analgesie Anästhesiologie: Geschichte und Grundkonzepte und angemessene Wundversorgung mit dem Ziel, opportunistische Infektionen zu verhindern.

Aktualisiert: 29.08.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Definition

Verbrennungen sind akute traumatische Verletzungen der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion oder des darunter liegenden Gewebes, die durch Hitze, Chemikalien, elektrische Entladung oder Strahlung verursacht werden.

Epidemiologie

  • Inzidenz (bezogen auf thermische Verbrennungen):
    • Leichte Verbrennungen: 600/100.000/Jahr
    • Schwere Verbrennungen: 1/50.000-1/60.000/Jahr
    • Weltweit: 1,1/100.000/Jahr
  • 71 % der Betroffenen: Männer*
  • Altersverteilung:
    • Kinder < 10 Jahre: 9,7 % der Fälle
    • 10–19 Jahre: 6,2 % der Fälle
    • 20–59 Jahre: 59,5 % der Fälle
    • > 60 Jahre: 24,6 %
  • Überwiegend geringfügig, nur in 2 % der Fälle > 40 % der gesamten Körperoberfläche betroffen
  • 34.000 Todesfälle/Jahr:
    • Direkte Korrelation mit prozentualem Anteil der verbrannten Körperoberfläche (VKOF)
    • 50 % Mortalitätsrate bei 60-70 % VKOF
  • Unterschiedliche Ätiologie je nach Alter:
    • Verbrühungen mit heißer Flüssigkeit häufiger bei Kindern
    • Verbrennungen durch Flammen bei Erwachsenen häufiger

Ätiologie

  • Hitze
  • Elektrisch
  • Chemisch
  • Strahlung

Klassifikation

Verbrennungen werden anhand der Verbrennungstiefe und der VKOF beschrieben.

Thermischer Verbrennungsgrad

Tabelle: Verbrennungsgrade
Verbrennungsgrad Eigenschaften Klinik Abheilung
Verbrennung 1. Grades Juckreiz bis Schmerzen
  • Keine Narben
  • Restitutio ad integrum
Verbrennung 2. Grades (2a) Starke Schmerzen
  • Normalerweise keine Narben
  • Restitutio ad integrum
Verbrennung 2. Grades (2b) Reduzierte Schmerzen Abheilung mit Narbenbildung
Verbrennung 3. Grades Schmerzlos aufgrund Zerstörung der Nervenenden
  • Hautregeneration nicht mehr möglich
  • Nekrektomie, Defektdeckung und ggf. Escharotomie
Verbrennung 4. Grades Schmerzlos
  • Hautregeneration nicht mehr möglich
  • Muskulokutane Lappenplastik und ggf. Amputation Amputation Amputation

Schwere der Verbrennung

Um den Schweregrad der Verbrennung zu bestimmen, muss die VKOF eingeschätzt werden:

  • Handflächenregel: Hand Hand Hand inkl. Finger der betroffenen Person entsprechen ca. 1 % der Körperoberfläche
  • Neuner-Regel nach Wallace: bei Jugendlichen und Erwachsenen
  • Abgeänderte Neuner-Regel gilt für Betroffene unter 15 Jahren
Tabelle: Klassifikation des Schweregrads der Verbrennungen in leicht, moderat und schwer
Leicht Moderat Schwer
Kinder < 5% VKOF 5–10 % VKOF > 10 % VKOF
Erwachsene < 10% VKOF 10–20 % VKOF > 20 % VKOF
Ältere < 5 % VKOF 5–10 % VKOF > 10 % VKOF
Alle < 2 % VKOF bei Verbrennung 4. Grades 2–5 % VKOF bei Verbrennung 4. Grades, Hochspannung, Inhalation, zirkumferenziell, Komorbiditäten > 5% VKOF bei Verbrennung 4. Grades, Hochspannung, Inhalation, zirkumferenziell, Komorbiditäten
Anordnung Ambulant Stationäre Aufnahme Verbrennungsintensivstation

Thermische Verbrennungen

Pathophysiologie

Verbrennungen entstehen durch direkten Kontakt mit:

  • Flammen
  • Beheizte Objekte
  • Dampf
  • Heißes Wasser

Die Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion hat eine geringe Wärmeleitfähigkeit, sodass die meisten Verbrennungen nur die Epidermis Epidermis Haut: Aufbau und Funktion betreffen.

Verletzte Bereiche können wie eine Zielscheibemitte in 3 Zonen unterteilt werden:

  1. Koagulationszone:
  2. Stasezone:
    • Verminderte Durchblutung
    • Ggf. Fortschreiten zur Nekrose
  3. Hyperämiezone:
    • Vasodilatation
    • I.d.R. Abheilung ohne Langzeitkomplikationen

Therapie

  • Vorgehen nach dem ABCDE-Schema
  • Kühlung (aufgrund Hypothermie-Gefahr nicht bei größeren Wunden)
  • Sterile Wundabdeckung
  • Ggf. Sauerstoffzufuhr über Atemmaske (Sättigung > 92 % halten)
  • Ggf. frühzeitige endotracheale Intubation bei Anzeichen einer Atemwegs- oder Lungenschädigung aufgrund eines Inhalationstraumas:
    • Anzeichen eines Inhalationstraumas:
      • Ruß um den Mund
      • Stridor (hoher inspiratorischer Ton, weil Luft durch einen sehr engen Durchmesser strömt)
      • Verbrennungen im Gesicht (Verlust der Augenbrauen, Inflammation im Oropharyngealbereich, Blasenbildung oder Kohlenstoffablagerungen, kohlenstoffhaltiger Auswurf)
      • Carboxyhämoglobinspiegel > 10 %
      • Angesengte Nasenhaare
    • Hypoxämie trotz 100 % O2-Gabe
    • Atemnot Atemnot Dyspnoe (Atemnot/Luftnot)/respiratorische Insuffizienz
    • Geringer Wert in der Glasgow-Coma-Scale (GCS)
  • Ab > 10 % VKOF: gezielte, bedarfsorientierte Volumensubstitition:
    • Hauptziel: Vorbeugung von Hypovolämie und Hypoperfusion
    • Legen von 2 großlumigen i.v.-Zugängen (alternativ intraossäre Zugänge)
    • Gabe einer balancierten, kristalloiden Infusionslösung
    • Parkland-Formel nach Baxter: 4ml/kgKG/% VKOF in 24 h
      • Bsp.: 70 kg schwere Person erleidet Verbrennung des gesamten linken Beins (entspricht 18 %): 4ml x 70 x 18 = 5.040 ml
  • Analgosedierung (Sedierung nur in speziellen Fällen)
  • Ggf. Katecholamingabe, falls keine Stabilisierung möglich
  • Antibiotic stewardship (rationaler und verantwortungsvoller Einsatz von Antibiotika)
  • Tetanusprophylaxe
  • Multimodale Schmerztherapie Schmerztherapie Schmerztherapie: Analgetika, Adjuvantien, nichtpharmakologische Methoden (Anlehnung an das WHO-Schema)

Verbrennungen 1. Grades:

  • Konservativ (pflegende Salben)
  • I.d.R. kein Verband notwendig

Verbrennungen 2. Grades (2a):

  • Wundreinigung mit Débridement (aseptisch)
  • Wundabdeckung

Verbrennungen 2. Grades (2b) und Verbrennungen 3. Grades:

  • Nekrektomie und ggf. Spalthauttransplantation bzw. alternative Wundabdeckung mit sterilem temporären Hautersatz
  • Ggf. Escharotomie

Verbrennungen 4. Grades:

  • Muskulokutane Lappenplastik
  • Meist Amputationen bei Lokalisation an den Extremitäten notwendig

Mögliche Komplikationen

  • Kohlenmonoxidintoxikation Kohlenmonoxidintoxikation Kohlenmonoxidintoxikation:
    • Bei Brandopfern
    • Asphyxie durch reversible Bindung an Hämoglobin und Blockade der Sauerstoffaufnahme
    • Klinik:
    • Therapie:
      • First-Line-Therapie: 100 % O2 (über Maske oder Endotrachealtubus)
      • Ggf. hyperbare Oxygenierung bei Carboxyhämoglobin > 25 %, ZNS-Veränderungen ( Koma Koma Koma, veränderter Geisteszustand, Krampfanfälle Krampfanfälle Krampfanfälle im Kindesalter), kardialer Ischämie, Herzrhythmusstörungen
  • Zyanidintoxikation (Blausäureintoxikation):
    • Tödliche Komplikation bei einigen Bränden in geschlossenen Räumen
    • Entstehung beim Verbrennen von Kunststoffen
    • Exposition durch Inhalation
    • Verdacht bei Brandopfern mit Laktatazidose
    • Therapie:
      • Gabe von 100 % O2
      • Inhalative Intoxikation: Hydroxycobalamin i.v.
      • Orale Intoxikation: Methämoglobinbildner
        • 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP) oder Nitrit, anschließend Natriumthiosulfat i.v.
  • Sepsis Sepsis Sepsis und septischer Schock:
  • Akutes Atemnotsyndrom (Englisches Akronym: ARDS ARDS Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS)):
    • Diffuse interstitielle Lungenschädigung
    • Verursacht durch:
      • Direkte Schäden durch Inhalation heißer Luft
      • Große Volumengaben bei Betroffenen mit schweren Verbrennungen
    • Klinik:
      • Verschlechterung der Hypoxie
      • Verschlechterung des Röntgenthorax und Infiltrate
    • Therapie:
      • Überwachung der Atmung
      • Ggf. Intubation

Andere Arten von Verbrennungen

Elektrische Verbrennungen

  • Pathophysiologie:
    • Körpergewebe: schlechter Leiter
    • Umwandlung von elektrischer Energie in thermische Energie
  • Klinik:
    • Thermisch:
      • Lokale Verbrennungen
      • Ggf. Hautverletzungen an der Ein- und Austrittsstelle vom Strom
    • Elektrisch:
      • Herzrhythmusstörungen ( Kammerflimmern Kammerflimmern Kammerflimmern) und Herzstillstand
      • Muskelverletzungen, die zu Muskelkontraktionen führen
      • ZNS-Schäden mit Bewusstseinsstörungen
    • Schweregrad abhängig von:
      • Spannung: niedrig (< 1.000 V) vs. hoch (> 1.000 V)
      • Blitz
      • Expositionsdauer
      • Feuchtigkeit und Leitfähigkeit der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion
  • Therapie:
    • ABCDE-Beurteilung
    • Intravenöser Zugang, kardiale Überwachung und Messung der Sauerstoffsättigung Sauerstoffsättigung Grundlegende Verfahren
    • Verbände bei leichten Verbrennungen
    • Antibiotic stewardship
    • Ggf. operative Maßnahmen und Hauttransplantation bei schweren Verbrennungen
    • Ggf. Amputation Amputation Amputation im Falle einer Extremitätenbeteiligung

Verätzungen (Säuren und Laugen)

  • Pathophysiologie:
    • Gewebeschädigung durch:
      • pH-Änderung
      • Direkte toxische Wirkungen auf Stoffwechselprozesse
    • Schweregrad abhängig von:
      • Art der Chemikalie (z. B. sauer oder basisch)
      • Konzentration
      • Expositionsdauer
      • Extreme pH-Werte = schwerere Verletzung
  • Therapie:
    • Entfernung der Chemikalie:
      • Abspülen der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion für 10–20 Minuten unter fließendem Wasser (Ausnahmen: Löschkalk, Phenole und elementare Metalle)
      • Augenkontakt: kontinuierliches Spülen für 20 Minuten
    • Ggf. Therapie der systemischen Auswirkungen im Falle einer Absorption der Chemikalien
    • Fast immer eine Hospitalisierung notwendig:
      • Vollständige Entfernung der Chemikalie schwierig
      • Kontinuierlich langsam fortschreitende Gewebeschädigung

Strahlenverbrennung (Strahlendermatitis)

  • Definition: Schäden durch ionisierende Strahlung
  • Pathophysiologie: Abhängigkeit der Tiefe und Schwere der Verletzung von der Art der Bestrahlung, der Entfernung von der Quelle und der Expositionsdauer:
    • 𝝰-Strahlung: geringe Eindringtiefe und Verletzung der oberen Hautschichten
    • 𝛃-Strahlung: größere Eindringtiefe (> 2,54 cm) und i.d.R. Verletzung tieferer Hautschichten
    • 𝛄-Strahlung: größere Eindringtiefe (> 30 cm), Verletzung tieferer Gewebeschichten und Verursachung einer akuten Strahlenerkrankung
    • Neutronenstrahlung: schwere Gewebeschäden
  • Ausmaß der Hautschädigung in Abhängigkeit von der Strahlendosis:
    • ≥ 3 Gray (Gy): Haarausfall
    • ≥ 6 Gy: Erythem
    • > 10 Gy: trockene Desquamation
    • > 15 Gy: feuchte Desquamation
    • > 20 Gy: Zelltod Zelltod Zellschäden und Zelltod
  • Therapie:
    • Dekontamination und Strahlenschutz des Pflegepersonals
    • Gleiche Vorgehensweise wie bei thermischen Verbrennungen

Quellen

  1. Orgill DP, Solari MG, Barlow MS, & O’Connor NE. (1998). A finite-element model predicts thermal damage in cutaneous contact burns. J Burn Care Rehabil.
  2. Lee RC, Zhang D, & Hannig J. (2000). Biophysical injury mechanisms in electrical shock trauma. Annu Rev Biomed Eng.
  3. Brent J. (2013). Water-based solutions are the best decontaminating fluids for dermal corrosive exposures: a mini review. Clin Toxicol (Phila).
  4. Barnett GC, West CM, Dunning AM, Elliott RM, Coles CE, Pharoah PD, & Burnet NG. (2009). Normal tissue reactions to radiotherapy: towards tailoring treatment dose by genotype. Nat Rev Cancer.
  5. Coeytaux K, Bey E, Christensen D, Glassman ES, Murdock B, & Doucet C. (2015). Reported radiation overexposure accidents worldwide, 1980-2013: A systematic review. PLoS One.
  6. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) – Ständige Kommission Leitlinien.S2k-Leitlinie. Behandlung thermischer Verletzungen des Erwachsenen. AWMF-Registernummer 044-001. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/044-001l_S2k_Behandlung-thermischer-Verletzungen-des-Erwachsenen_2021-07.pdf (Zugriff am 07.08.2022)