Hodentumor

Der Hodentumor ist die häufigste solide bösartige Erkrankung bei Männern* zwischen 20 und 35 Jahren. Die meisten Hodentumore sind Keimzelltumore und können in Seminome und Nichtseminome eingeteilt werden. Als häufigste Symptomatik tritt eine schmerzlose Raumforderung im Hoden Hoden Hoden auf. Die Diagnose erfolgt durch körperliche Untersuchung, Ultraschall Ultraschall Ultraschall (Sonographie) des Hodens und Serumtumormarker. Zusätzliche Bildgebung hilft beim Staging und der Beurteilung von Metastasen. Die Therapie besteht in einer inguinalen radikalen Orchiektomie, die weitere adjuvante Therapie richtet sich nach der Pathologie und dem Stadium der Erkrankung. Im Rahmen der adjuvanten Therapie werden Strahlentherapie und Chemotherapie durchgeführt, eine stetige Überwachung ist notwendig. Die Krankheitsprognose ist ausgezeichnet, da Hodentumore mit einer Heilungsrate von über 95 % eine der am besten heilbaren soliden Neoplasien sind.

Aktualisiert: 16.02.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Epidemiologie

  • Häufigste Tumorerkrankung bei Männern* zwischen 20 und 35 Jahren:
    • 95 % aller Hodentumore: Keimzelltumore
  • Jährliche Inzidenz in Deutschland: 10 pro 100.000 Einwohnern
    • ca. 4-fach häufigeres Vorkommen bei Männern* mit weißer Hautfarbe im Vergleich zu Männern* mit schwarzer Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion (in den USA)

Risikofaktoren

Unterteilung

  • Keimzelltumore(95 %):
    • Seminome
    • Nichtseminome:
      • Embryonales Karzinom
      • Dottersacktumor
      • Chorionkarzinom
      • Teratom
      • Keimzellmischtumor
  • Keimstrang- und Stromatumore(5 %):
    • Leydigzell-Tumor
    • Sertolizell-Tumor
    • Lymphome

Pathophysiologie

Die Mechanismen sind nicht vollständig bekannt, jedoch scheinen verschiedene Faktoren bei der Entstehung des Hodentumors eine Rolle zu spielen.

Hodendysgenesie

  • Beeinflussung der Keimzelle während der frühen Entwicklung durch Umweltfaktoren (d.h. Expositionen in utero) und genetische Mutationen
  • Bei gestörter Funktion → unterschiedlichen Phänotypen möglich: von Kryptorchismus Kryptorchismus Kryptorchismus, Hypospadie, über anderen genitalen Fehlbildungen bis hin zu Keimzelltumore

Genetische Faktoren

  • 2x höheres Risiko bei Söhnen* betroffener Personen
  • 4x höheres Risiko bei Brüdern* betroffener Personen
  • bis zu 20x höheres Risiko bei Erkrankung des Zwillingsbruders*
  • Starker Zusammenhang des KITLG -Locus (KIT-Ligand) auf Chromosom Chromosom Grundbegriffe der Genetik 12 mit dem Risiko eines Keimzelltumors im Hoden Hoden Hoden

Klinik

Typischer Untersuchungsbefund

  • Genital:
    • Schmerzloser Hodentumor als häufigstes Symptom
    • Bei einigen Männern* Auftreten von Hodenschwellung und -schmerzen
    • Schweregefühl oder dumpfer Schmerz möglich
    • Skrotales Erythem, Schmerzen und Schwellung (ähnlich Symptomen einer akuten Nebenhodenentzündung)
  • Bei vorhandenen Metastasen: Bauchschmerzen, Rückenschmerzen Rückenschmerzen Rückenschmerzen und Kurzatmigkeit
  • Seminome: Metastasen häufig über das Lymphsystem Lymphsystem Lymphsystem → Symptome einer disseminierten Erkrankung
  • Negative Diaphanoskopie (keine Durchleuchtung des Hodens möglich)

Histologische Einteilung

Tabelle: Keimzelltumore (GCTs)
Typ Weitere Unterteilung Eigenschaften
Seminom
Nichtseminom Dottersacktumor
  • Häufig bei Jungen unter drei Jahren
  • Morphologie: Schiller-Duval-Körper
  • Serummarker: charakteristischerweise erhöhtes AFP
  • Aggressiver Verlauf
Chorionkarzinom
Embryonales Karzinom
  • Durchschnittliches Erkrankungsalter: 30 Jahre
  • Solide Ansammlung von Zellen mit Atypien
  • Lokal aggressiver Verlauf
  • Serummarker: kann ↑ β-hCG aufweisen
Teratom
  • Aus dem Gewebe von ≥ 1 der 3 Keimblätter
  • Bei maligner Veränderung: Kein Ansprechen auf Chemotherapie
  • Bei Kindern eine benigne Veränderung
Keimzellmischtumore
  • Bestehend aus mindestens 1 der vorherigen Arten von Keimzelltumore
  • Ungefähr 30 % aller CGTs
AFP: Alpha-Fetoprotein
ALP: alkalische Phosphatase
Tabelle: Keimstrang- und Stromatumore
Typ Eigenschaften
Leydigzell-Tumor
Sertolizell-Tumor
  • Hodentumor (hormonell inaktiv)
  • Zellanordnung: Bildung von Schnüren und Tubuli
Hodenlymphom
  • Häufigster Hodentumor bei älteren Männern (> 60 Jahre)
  • Kein Primärtumor
  • Sekundär aus metastasierendem Lymphom in den Hoden Hoden Hoden
Retroperitoneale Massenbiopsie im Einklang mit klassischem Seminom

HE-Färbung einer Biopsieprobe aus einer retroperitonealen Raumforderung im Einklang mit einem klassischem Seminom

Bild: „Testicular seminoma presenting with duodenal perforation: a case report“ von Miocinovic R, Abaza R. Lizenz: CC BY 2.0, bearbeitet von Lecturio.

Diagnostik

Körperliche Untersuchung

Fokus auf Urogenitaluntersuchung:

  • Hodenpalpation; auf der Suche nach Raumforderungen:
    • Vorsichtiges Abtasten von Hoden Hoden Hoden, Nebenhoden und Skrotum
    • Beurteilung von Vergrößerungen, Läsionen und Knoten
  • Allgemeine Untersuchung des Abdomens Untersuchung des Abdomens Untersuchung des Abdomens: Abtasten auf Raumforderungen
  • Brustuntersuchung zur Beurteilung einer Gynäkomastie Gynäkomastie Gynäkomastie
  • Untersuchung der Leisten: Abtasten auf vergrößerte Leistenlymphknoten
Bilaterale Gynäkomastie

Bilaterale Gynäkomastie bei einem Patienten*

Bild: „Finasteride induced Gynecomastia: Case report and Review of the Literature von Ramot Y, Czarnowicki T, Zlotogorski A. Lizenz: CC BY 2.0

Labordiagnostik

Tumormarker:

  • AFP(Alpha-Fetoprotein):
    • Halbwertszeit: 5–7 Tage
    • Erhöht in etwa 50 – 80 % der Fälle bei Nichtseminome
    • Erhöhung auch bei Lebererkrankungen und Tumore im Abdomen wie z. B. hepatozellulärem Karzinom
    • Bei Säuglingen vorübergehenden Anstieg des AFPs; im Verlauf Normalisierung des Wertes
  • β-hCG (humanes Choriongonadotropin):
    • Halbwertszeit: 24–36 Stunden
    • Erhöht bei 20 – 60 % aller Nichtseminome und bei 15 % aller Seminome
    • Bei Konsum von Marihuana falsche Erhöhungen möglich
    • Hypogonadismus Hypogonadismus Hypogonadismus → Verursachung eines niedrigen β-hCG-Spiegels
  • LDH(Lactatdehydrogenase):
    • Halbwertszeit: 24 Stunden
    • Erhöhung dieses Isoenzyms in Keimzelltumoren am häufigsten
    • Gute Korrelation mit Tumorlast; Verwendung zur Beurteilung des Therapieerfolgs

Bildgebung

Staging

Hodentumore werden nach dem TNM-Staging-System des American Joint Committee on Cancer und der Union for International Cancer Control (UICC) in Stadien eingeteilt.

  • Staging-Faktoren:
    • Pathologie des Primärtumors
    • Bildgebenden Darstellung
    • Serumtumormarker nach einer Orchiektomie
  • Primärtumor (T):
    • pTx: nicht bewertbar
    • pT0: kein Anhalt auf Primärtumor
    • pTis: nicht-invasive Keimzellneoplasie
    • pT1: Tumor beschränkt auf Hoden Hoden Hoden und Nebenhoden; keine Gefäß- oder Lymphinvasion; Tunica albuginea möglicheriwese mitbetroffen, nicht aber die Tunica vaginalis
    • pT2: auf Hoden Hoden Hoden und Nebenhoden begrenzter Tumor mit Gefäß- oder Lymphinvasion, oder Beteiligung der Tunica vaginalis
    • pT3: Tumorinvasion des Samenstrangs mit oder ohne Gefäß- oder Lymphinvasion
    • pT4: Tumorinvasion des Skrotums mit oder ohne Gefäß- oder Lymphinvasion
  • Lymphknotenbefall (N):
    • Nx: nicht bewertbar
    • N0: keine regionalen Lymphknotenmetastasen
    • N1–3: Lymphknotenmetastasen (Anzahl und Größe der Lymphknoten Lymphknoten Lymphsystem variieren)
  • Fernmetastasen (M):
    • Mx: nicht bewertbar
    • M0: keine Fernmetastasen
    • M1: Fernmetastasen
  • Tumormarker im Serum (S):
    • Sx: Tumormarker nicht verfügbar oder nicht bewertet
    • S0: Tumormarker im Normbereich
    • S1–3: steigende Spiegel von LDH, AFP und β-hCG
Tabelle: Stadieneinteilung des Hodentumors
Stadium Beschreibung
I Begrenzt auf den Hoden Hoden Hoden, N0, M0
II Hoden Hoden Hoden + Lymphknoten Lymphknoten Lymphsystem betroffen, M0:
III M1, signifikant erhöhte Tumormarker
AUA-Richtlinien-Algorithmus

Überblick über die Diagnostik und Erstbehandlung des Hodentumors:
AFP: Alpha-Fetoprotein
AUA: American Urological Association

Bild von Lecturio. Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

Therapie

Behandlung von Seminome

Die Erhaltung der Fertilität sollte vor jeder Behandlung ausführlich mit Männern im reproduktionsfähigen Alter besprochen werden. Die Therapie der 1. Wahl ist die inguinale radikale Orchiektomie, gefolgt von einer adjuvanten Therapie je nach Stadium:

  • Seminome im Stadium I (hohe Heilungsrate): Die primäre Behandlung ist die inguinale Orchiektomie, gefolgt von:
    • Postorchiektomie-Überwachung mit regelmäßigen körperlichen Untersuchungen, Serum-Tumormarkern, Bildgebung des Abdomens und Beckens
    • Strahlentherapie: für Patienten*, die die Überwachungsmaßnahmen nicht einhalten können; geringe therapeutische Dosis erforderlich (Seminome sehr strahlensensibel)
    • Carboplatin(1-2 Zyklen): bei Rete-Testis-Infiltration, Tumorgröße ab 4 cm
  • Seminome der Stufe II:
    • IIA:
      • Strahlentherapie oder
      • 3 Zyklen PEB ( Polychemotherapie mit Cisplatin, Etoposid und Bleomycin)
    • IIB oder IIC:
      • 4 Zyklen PEB
      • Bleomycin: assoziiert mit dosisabhängiger Lungentoxizität
      • Chemotherapie verbunden mit kurzfristiger Thrombozytopenie Thrombozytopenie Thrombozytopenie und gastrointestinalen Komplikationen
  • Stadium III (pulmonale oder nichtpulmonale metastasierende Seminome): Chemotherapie mit PEB

Behandlung von Nichtseminome

Die Erhaltung der Fertilität sollte vor jeder Behandlung ausführlich mit Männern* im reproduktionsfähigen Alter besprochen werden. Die Therapie der 1. Wahl ist die inguinale radikale Orchiektomie, gefolgt von einer adjuvanten Therapie je nach Stadium:

  • Nichtseminome der Stufe I:
    • Postorchiektomie-Überwachung mit regelmäßigen körperlichen Untersuchungen, Serum-Tumormarkern, Bildgebung des Abdomens und Beckens
    • Retroperitoneale Lymphknotendissektion: für Männer* mit pathologischen Hochrisikomerkmalen und hohem Rezidivrisiko
    • 1-3 Zyklen adjuvante Chemotherapie: PEB
  • Nichtseminome im Stadium IIA und IIB:
    • 3 Zyklen Chemotherapie mit PEB oder
    • Primäre retroperitoneale Lymphknotendissektion
  • Nichtseminome im Stadium IIC und III: Standardtherapien für fortgeschrittene Tumore (einschließlich 4 Zyklen PEB)

Prognose

  • Keimzelltumore des Hodens: Heilungsrate über 95 %
  • Bei etwa 1 – 2 % Manifestierung von Hirnmetastasen
  • Seltene Rückfälle nach über 2 Jahren
  • Hypogonadismus Hypogonadismus Hypogonadismus als potenzielle Komplikation (kann mit sexueller Dysfunktion und Unfruchtbarkeit Unfruchtbarkeit Unfruchtbarkeit einhergehen)
  • Bei Patienten*, die mit Strahlentherapie und Chemotherapie behandelt werden: Risiko der Entstehung einer zweiten Malignität

Differentialdiagnosen

  • Varikozele: Erweiterung des Plexus pampiniformis. Klinisch bestehen keine Schmerzen, wie beim Hodentumor. Varikozelen haben bei der Untersuchung das charakteristische Aussehen eines „Sack voller Würmer“. Der Ultraschall Ultraschall Ultraschall (Sonographie) zeigt eine negative Durchleuchtung und eine Erweiterung des Venenkonvoluts mit retrogradem Blutfluss.
  • Spermatozele Spermatozele Varikozele, Hydrozele und Spermatozele: präsentiert sich als Nebenhodenzyste, die häufig am oberen Pol des Nebenhodens entspringt. Wie ein Hodentumor ist auch die Spermatozele Spermatozele Varikozele, Hydrozele und Spermatozele eine schmerzlose Schwellung, die oft zufällig gefunden wird. Darüber hinaus werden bei der Bildgebung zystische Läsionen festgestellt, und beim Farbdoppler ist das charakteristische Erscheinungsbild von „fallendem Schnee“ zu sehen. Die Spermatozele Spermatozele Varikozele, Hydrozele und Spermatozele erfordert nur bei Beschwerden eine operative Behandlung.
  • Hydrozele Hydrozele Varikozele, Hydrozele und Spermatozele: eine Flüssigkeitsansammlung zwischen den serösen Häuten der Tunica vaginalis, die zu einem geschwollenen Skrotum führt. Als Ätiologie kommen verschiedenen anatomischen Faktoren und Geschehnisse wie eine Operation infrage. Die Klinik umfasst einen schmerzlosen Tumor, der an Größe zunehmen kann oder ein fortschreitendes Schweregefühl oder Schmerzen im Skrotum. Im Vergleich zu einem Hodentumor liegt bei einer Hydrozele Hydrozele Varikozele, Hydrozele und Spermatozele einen positive Diaphanoskopie (Durchleuchtung möglich) vor.
  • Indirekte Leistenhernie Leistenhernie Leistenkanal und Hernien: eine angeborene Leistenhernie Leistenhernie Leistenkanal und Hernien tritt auf, wenn sich der Processus vaginalis nach dem Deszensus des Hodens nicht schließt. Durch die indirekte Leistenhernie Leistenhernie Leistenkanal und Hernien kann der Bauchinhalt in das Skrotum wandern. Im Gegensatz zum Hodentumor stellt sich die Hernie als Ausbuchtung in der Leiste dar, die bis zum Skrotum reichen kann. Bei erhöhtem intraabdominellem Druck (Belastung, Husten) tritt diese stärker hervor. Die Therapie der Wahl ist eine chirurgische Korrektur.

Quellen

  1. Gaddam, S., Chesnut, G. (2021). Testicle cancer. StatPearls. Zugriff am 21. Mai 2021 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK563159/
  2. Oh, W. (2021). Overview of the treatment of testicular germ cell tumors. Auf dem neusten Stand. Zugriff am 21. Mai 2021 von https://www.uptodate.com/contents/overview-of-the-treatment-of-testicular-germ-cell-tumors
  3. Rose, T. (2021). Testis neoplasms. AUA Core Curriculum. Zugriff am 22. Mai 2021 von https://auau.auanet.org/core
  4. Steele, G. (2021).Clinical manifestations, diagnosis, and staging of testicular germ cell tumors. Auf dem neusten Stand. Zugriff am 21. Mai 2021 von https://www.uptodate.com/contents/clinical-manifestations-diagnosis-and-staging-of-testicular-germ-cell-tumors
  5. Rajpert-De Meyts, E., Skakkebaek, NE, Toppari, J. (2018).Testicular Cancer Pathogenesis, Diagnosis and Endocrine Aspects. Feingold, KR, et al. (Hrsg.). Endotext. South Dartmouth (MA): MDText.com, Inc. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK278992/
  6. Urologielehrbuch.de. Dr. Dirk Manski. Hodentumor. https://www.urologielehrbuch.de/hodentumoren_02.html. (Zugriff am 29. September 2022)

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