Ticstörungen und Tourette-Syndrom

Tics und verwandte Krankheitsbilder stellen eine Reihe von kognitiven Verhaltensstörungen im Kindesalter dar, die durch plötzliche, wiederholende, unrhythmische, stereotype Muskelbewegungen gekennzeichnet sind, die manchmal von Geräuschen oder Vokalisationen begleitet werden. Das Tourette-Syndrom ist eine schwergradige Variante mit Symptomen, die mehr als 1 Jahr andauern und sowohl motorische als auch vokale Tics umfassen. Obwohl es keine endgültige Ursachenklärung für das Tourette-Syndrom gibt, existieren genetische und umweltbedingte Faktoren, die zur Entwicklung der Krankheit beitragen. Das Tourette-Syndrom wird anhand der Klinik diagnostiziert. Die Therapie umfasst Verhaltenstherapie, Antipsychotika und die Behandlung komorbider Erkrankungen. Bei der Mehrheit der Kinder verschwinden die Symptome im Erwachsenenalter, obwohl ein kleiner Teil der Erwachsenen weiterhin eine schwere Symptomatik zeigt.

Aktualisiert: 29.08.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Definition

Tics sind wiederholende, unrhythmische Bewegungen oder Lautäußerungen.

Das Tourette-Syndrom ist eine Störung, die durch mindestens einen motorischen und einen vokalen Tic (die nicht gleichzeitig auftreten müssen) gekennzeichnet ist, die nicht durch Medikamente oder andere physiologische Vorgänge verursacht sind und deren Auftreten vor dem 18. Lebensjahr liegt und länger als ein Jahr andauert.

Klassifikation

  • Tourette-Syndrom: motorische und vokale Tics seit mindestens 1 Jahr
  • Vorläufige Ticstörung: Dauer < 1 Jahr, retrospektiv diagnostiziert
  • Chronische motorische Tics: Auftreten von motorischen Tics (keine vokalen Tics) seit mindestens 1 Jahr
  • Chronische vokale Tics: Auftreten von vokalen Tics (keine motorischen Tics) seit mindestens 1 Jahr

Epidemiologie

Pathophysiologie

Genaue Ursache ist noch weitgehend unbekannt, aber es existieren mehrere Theorien.

Klinik

Tics

Einfache Tics:

  • Kurze Bewegungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen oder Vokalisationen
  • Bewegungen und Lautäußerungen ohne soziale Bedeutung
  • Beispiele für einfache motorische Tics:
    • Augenblinzeln
    • Augenrollen
    • Zuckende Bewegungen der Gliedmaßen und des Kopfes
    • Grimassen
    • Schulterzucken
  • Beispiele für einfache sensorische Tics:

Komplexe Tics:

  • Cluster von einfachen Handlungen, koordinierten Bewegungen oder Lautäußerungen mit wiederholenden Worten
  • Bewegungen oder Worte oft mit sozialer Bedeutung
  • Beispiele für komplexe motorische Tics:
    • Springen
    • Berühren von Gegenständen und anderen Personen
    • Kopropraxie: obszöne Gesten in der Öffentlichkeit oder Berühren der Genitalien
    • Echopraxie: Nachahmung von Gesten Anderer
  • Beispiele für komplexe sensorische Tics:
    • Koprolalie: Verwendung von obszönen Worten in der Öffentlichkeit
    • Echolalie: Wiederholung von Wörtern, die von anderen gesagt wurden
    • Palilalia: Wiederholung der eigenen Worte

Weitere Tic-Merkmale:

  • Schwankendes Muster:
    • Ansteigend und abnehmend:
      • Verstärkertes Auftreten bei Stress oder Müdigkeit
      • Weniger prominent bei Aktivität
    • Während des Schlafs immer abwesend
  • Erstes Symptom häufig Tic im Gesichtsbereich (z. B. Augenblinzeln, Nasenzucken oder Grimassieren)
  • Unterdrückbar, oft verbunden mit dem Aufbau einer inneren Spannung, die sich auflöst, wenn der Tic zugelassen wird
  • „Premonitory urge“:
    • Sensorische Phänomene, die vor einem motorischen oder phonischen Tic auftreten
    • In Form von Drang, Impuls, Spannung, Druck, Juckreiz oder Kribbeln
    • Häufiger bei Erwachsenen

Tourette-Syndrom

  • Symptome treten vor dem 18. Lebensjahr auf:
    • Typischerweise bei Kindern im Schulalter
    • Meist Höhepunkt im Alter von 10 Jahren
    • Erwachsene meist leichtgradige Symptome, die möglicherweise unbemerkt bleiben
  • Assoziiert mit ADHS ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) und Zwangsstörungen Zwangsstörungen Zwangsstörungen
  • Motorische Tics treten normalerweise zuerst auf:
    • Oberkörper-Tics häufiger als Unterkörper-Tics
    • Beispiele: Blinzeln, Grimassen

Diagnostik

  • Klinische Diagnose, d. h. Identifizierung von spezifischen Tic-Phänomenen
  • Anamnese und körperliche Untersuchung:
  • Diagnostiziert, wenn sowohl motorische als auch vokale Tics mindestens 1 Jahr bestehen und vor dem 18. Lebensjahr begannen
  • Bildgebende Verfahren und Labordiagnostik zum Ausschluss anderer möglicher Ursachen:
    • CT:
      • Darstellung möglicher struktureller Anomalien
      • Möglicherweise geringeres Volumen des Lobus caudatus darstellbar
    • EEG: während des Schlafs, um Genese der Tics zu bestätigen und andere Ursachen unfreiwilliger Bewegungen auszuschließen
    • PET-MRT: erhöhte Hirnaktivität während der Tics im Thalamus Thalamus Thalamus und Striatum
    • Labordiagnostik im Blut: Ausschluss anderer chronischer Erkrankungen
    • Urintests: Drogenscreening (z.B. Stimulanzien Stimulanzien Stimulanzien) bei Verdacht auf Intoxikation

Therapie

Eine Behandlung ist nur dann erforderlich, wenn die Krankheit das äußere Aussehen, die sozialen Aktivitäten oder die Bildung der Patient*innen beeinträchtigt. Die meisten Patient*innen kommen mit Psychoedukation und kognitiver Verhaltenstherapie gut zurecht, ohne dass Medikamente oder Hirnstimulation erforderlich sind.

Differentialdiagnosen

Quellen

  1. Muller, N. (2007). Tourette’s syndrome: clinical features, pathophysiology, and therapeutic approaches.Dialogues Clin Neurosci. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3181853/
  2. Novotny, M., Valls, M., Klimova, B. (2020). Tourette Syndrome: A mini-review. Front Neurol.
  3. Pringsheim, T., OKun, M.S., Muller-Vahl, K., et al. (2019). Practice guideline recommendations summary: Treatment of tics in people with Tourette syndrome and chronic tic disorders. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31061208/
  4. CDC. (2021). Diagnosing Tic Disorders. Centers for Disease Control and Prevention. https://www.cdc.gov/ncbddd/tourette/diagnosis.html#provisional
  5. Ludolph A.G., Roessner V., Münchau A., Müller-Vahl K. (2012). Tourette syndrome and other tic disorders in childhood, adolescence and adulthood. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(48):821-8. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0821. https://www.aerzteblatt.de/archiv/132918/Tourette-Syndrom-und-andere-Tic-Stoerungen-in-Kindheit-Jugend-und-Erwachsenenalter (Zugriff am 21.02.2022)
  6. World Health Organization. The ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders. Clinical descriptions and diagnostic guidelines. https://apps.who.int/iris/handle/10665/37958
  7. World Health Organisation (2020). ICD-11, 8A05.00 Tourette syndrome. https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http://id.who.int/icd/entity/119340957 (Zugriff 25.02.2022)

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