Rechtzeitig diagnostiziert und behandelt, kann ein Patient mit einem Ösophaguskarzinom geheilt werden. Doch oftmals sind die Symptome unspezifisch und stellen sich erst dann ein, wenn der Tumor bereits weit fortgeschritten ist. Umso wichtiger ist es, dass man im klinischen Alltag keine relevanten Hinweise übersieht. Auch das IMPP stellt gelegentlich Fragen zum Ösophaguskarzinom, insbesondere zur Ätiologie und klinischen Symptomatik. Es lohnt sich also: Lesen und lernen Sie weiter!
Dieser Artikel berücksichtigt die Leitlinien, welche auf AWMF einsehbar sind. Die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels vorliegende Leitlinien-Version, können Sie einsehen.
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stadien-oesophaguskarzinom

Bild: “Diagram showing T1,T2 and T3 stages of oesophageal cancer.” von Cancer Research UK. Lizenz: CC BY-SA 4.0


Definition und Klinische Pathologie

Plattenepithel- und Adenokarzinom

Das Ösophaguskarzinom beschreibt einen malignen Tumor der Speiseröhre und manifestiert sich am häufigsten als Plattenepithel– oder Adenokarzinom.

Das Plattenepithelkarzinom wächst primär endophytisch-ulzerierend. Es dringt dabei durch die Ösophaguswand nach außen und infiltriert schnell Nachbarorgane. Eine Wucherung in das Lumen des Ösophagus geschieht eher sekundär und im fortgeschrittenen Stadium. Das Plattenepithelkarzinom findet sich zumeist im Bereich einer der drei physiologischen Engstellen: Ösophaguseingang (ca. 20 %), Aortenbogen/linker Hauptbronchus (ca. 35 %) und Zwerchfellenge (ca. 45 %).

Das Adenokarzinom wächst häufiger auch in das Ösophaguslumen hinein. Es ist beinahe immer im unteren Ösophagusdrittel lokalisiert. Das liegt daran, dass es aufgrund eines Barrett-Ösophagus entsteht, der die Folge einer Refluxösophagitis ist.

oesophaguskarzinom

Bild: „Comparison of dose distribution calculated using AAA and AXB dose calculation algorithms for mid-oesophageal cancer.“ von Openi. Lizenz: CC BY 4.0

Epidemiologie

Das Ösophaguskarzinom ist bei Männern deutlich häufiger

Das Ösophaguskarzinom ist in Europa mit einer Inzidenz von 6/100.000 Einwohnern relativ selten. Das Adenokarzinom nimmt gegenüber dem Plattenepithelkarzinom in den westlichen Industrieländern in seiner Häufigkeit zu (etwa 60 %). In anderen Ländern wie z.B. China, Turkmenistan, Südafrika und Japan hingegen ist das Plattenepithelkarzinom mehr vertreten. Dies unterstreicht die Annahme, dass Ernährungs- und Umwelteinflüsse eine ätiologische Rolle spielen.

Es sind mehr Männer als Frauen betroffen (m:w = 5:1). Außerdem lässt sich ein Altersgipfel um das 6. und 7. Lebensjahrzehnt feststellen.

Ätiologie

Umwelteinflüsse und Barrett-Ösophagus als ätiologische Faktoren

Als auslösende Faktoren des Plattenepithelkarzinoms gelten langanhaltender Genuss von hochkonzentriertem Alkohol und sehr heißen Speisen und Getränken, Rauchen sowie Nitrosamine und Aflatoxine. Des Weiteren können Narben nach Verätzung oder Bestrahlung, Achalasie, Papillomaviren (HPV 16) und das Plummer-Vinson-Syndrom (bei chronischem Eisenmangel) die Bildung eines Ösophaguskarzinoms begünstigen. Ebenso zählen Vitaminmangel und schlechte Mundhygiene zu den Risikofaktoren.

Das Adenokarzinom hingegen entsteht in den meisten Fällen (> 50 % der Patienten) auf dem Boden eines Barrett-Ösophagus. Hier wandelt sich im Zuge einer chronischen Refluxösophagitis das ösophageale Plattenepithel in Zylinderepithel um. Alkoholkonsum und Rauchen zählen hier nicht zu begünstigenden Risikofaktoren!

Merke: Das Adenokarzinom des Ösophagus entsteht meist im Zuge eines Barrett-Ösophagus!

Symptome

Dysphagie und B-Symptomatik

Speiseröhrentumore fallen oft erst spät auf, da sie eher unspezifische Symptome zeigen:

  • Dysphagie: Bei Patienten > 45 Jahren stellt das Ösophaguskarzinom die wahrscheinlichste Ursache für progrediente Schluckbeschwerden dar!
  • Retrosternaler Schmerz, gegebenenfalls mit Ausstrahlung in den Rücken
  • Regurgitation
  • Singultus bei Infiltration des Nervus vagus
  • Heiserkeit bei Infiltration des Nervus laryngeus recurrens
  • Hämatemesis (Bluterbrechen)
  • Husten und Aspirationspneumonie bei ösophagobronchialer Fistel

Begleitend kann eine B-Symptomatik (Gewichtsverlust, Nachtschweiß und Fieber) auftreten.

Merke: Eine Dysphagie tritt erst bei einer Lumeneinengung von mehr als 60 % und somit oftmals sehr spät auf!

Metastasierung

Das Ösophaguskarzinom metastasiert aufgrund des fehlenden Serosaüberzugs der Speiseröhre frühzeitig per continuitatem in benachbarte Organe und Strukturen. Aus gleichem Grund streut das Karzinom auch schnell lymphogen in regionale, nuchale, zervikale und zöliakale Lymphknoten. Die hämatogene Metastasierung in Leber, Lunge und Knochen erfolgt hingegen erst spät und wird von den meisten Patienten nicht mehr erlebt.

Differentialdiagnosen

Differentialdiagnostisch kommen Ösophagusdivertikel, Stenosen nach Verätzungen oder Entzündungen, ein Kardiakarzinom des Magens oder gutartige Ösophagustumore in Betracht. Gutartige Tumore des Ösophagus sind selten und häufig auch symptomlos. Sie können intramural oder intraluminal wachsen. Diagnostiziert werden sie über Ösophagus-Breischluck, Endoskopie und Endosonographie. Kleinere intraluminale Tumore können in der Regel mit der Diathermieschlinge endoskopisch abgetragen werden – größere werden operativ entfernt.

Klassifikation und Stadieneinteilung

stadien-oesophaguskarzinom

Bild: “Diagram showing T1,T2 and T3 stages of oesophageal cancer.” von Cancer Research UK. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Einteilung der Tumorstadien erfolgt nach der allgemeinen TNM-Klassifikation:

TIS Carcinoma in situ (Basalmembran wird nicht überschritten)
T1a Infiltration der Lamina propria
T1b Infiltration der Submukosa
T2 Infiltration der Muscularis propria
T3 Infiltration der Adventitia
T4a Infiltration von Nachbarstrukturen (T4a: Pleura, Perikard oder Zwerchfell; T4b: andere Strukturen wie z.B. Aorta oder Wirbelkörper u.a.)
N0 Ohne regionäre Lymphknotenmetastasen
N1 1-2 regionäre Lymphknotenmetastasen
N2 3-6 regionäre Lymphknotenmetastasen
N3 ≥ 7 regionäre Lymphknotenmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen (hämatogen oder nicht-regionäre LK-Metastasen)

Hieraus ergibt sich die von der UICC (Union for International Cancer Control) festgelegte Stadieneinteilung:

Stadium TNM
I IA T1, N0, M0
IB T2, N0, M0
II IIA T3, N0, M0
IIB Bis T2, N1, M0
III T4, N0, M0
Ab T3, N1, M0
Ab N2, M0
IV M1

Diagnostik

Anamnese als Hinweis auf ein Ösophaguskarzinom

Berichtet ein Patient über Dysphagie, muss ein Ösophaguskarzinom immer ausgeschlossen werden, insbesondere bei älteren Patienten. Nach den obig beschriebenen Symptomen sollte gezielt gefragt werden. Oftmals haben die Patienten aber nur wenig Beschwerden, bei schon fortgeschrittenem Tumorstadium.

Ösophagusbreischluck

Im Ösophagusbreischluck lassen sich Asymmetrien, Konturveränderungen, Stenosen oder Dilatationen erkennen. Auch können hier bereits Lage, Ausdehnung und das Ausmaß der funktionellen Einschränkung des Ösophagus beurteilt werden.

Ösophagoskopie mit Biopsien

Eine endgültige Diagnose lässt sich nur mit einem histologischen Befund stellen. Hierzu wird im Zuge einer Ösophagoskopie aus mindestens zehn suspekten Arealen eine Biopsie entnommen. Das histologische Bild zeigt im Falle eines Plattenepithelkarzinoms Nester aus atypischen Keratinozyten mit lymphozytären Infiltraten. Ein Adenokarzinom präsentiert sich typischerweise mit metaplastischem Drüsengewebe, Becherzellen und Zylinderepithel (Ätiologie: Barrett-Ösophagus!).

diese aufnahme zeigt ein oesophaguskarzinom

Bild: “Endoscopic image of patient with esophageal adenocarcinoma seen at gastro-esophageal junction.” von Samir. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Staging

Um die Tumorausdehnung einschätzen zu können, werden zumeist folgende Untersuchungen mit den entsprechenden Fragestellungen durchgeführt:

  • Endosonografie: Infiltrationstiefe? Befall regionaler Lymphknoten?

    endoskopie-oesophagus

    Bild: “Endoscopic ultrasonography revealing (A) an esophageal neoplasm (indicated by the red arrow) and (B) multiple enlarged lymph nodes on the outside of the esophagus wall (indicated by the red arrow).” von Openi. Lizenz: CC BY 3.0

  • CT und MRT: Beurteilung der anatomischen Verhältnisse, Fernmetastasen?

    CT-oesopharguskarzinom

    Bild: “CT scan showing a circular oesophageal cancer (1.) with paraoesophageal lymph node involvement (2.) and small sarcoid lesions of the lung (3.)” von Openi. Lizenz: CC BY 2.0

  • PET/PET-CT: Fernmetastasen (empfindlichste Nachweismethode)?

    CT-PET-oesopharguskarzinom

    Bild: “Myocardial metastases from esophageal cancer. A- MIP image showing primary esophageal mass (arrow) with focal uptake in region of heart (arrowhead), B- Hypodense lesion in left ventricular myocardium (arrow) on axial CT images showing, C- FDG uptake on axial fused PET/CT images (arrow)” von Openi. Lizenz: CC BY 4.0

  • Knochenszintigrafie: Knochenmetastasen?

Bei entsprechendem Verdacht außerdem:

  • Laryngo-/Bronchoskopie: Infiltration der Atemwege?

Therapie

Das Stadium des Ösophaguskarzinoms bestimmt die Therapie

Generell ist eine kurative Therapie durch eine Operation bis zum Stadium IIA möglich. Bei einem fortgeschrittenerem Stadium kann evtl. ein Down-Staging durch Radio- oder Chemotherapie erreicht werden.

In den meisten Fällen kann jedoch nur eine palliative Therapie angewendet werden.

Frühe Adenokarzinome (T1a): Hier wird mittels endoskopischer Mukosaresektion therapiert. Die Heilungsrate ist sehr hoch. Im Zuge des Eingriffs wird immer eine Schnellschnittdiagnostik durchgeführt. Sollte sich hierbei ergeben, dass der Tumor doch bereits die Submukosa infiltriert hat, erfolgt eine subtotale Ösophagektomie.

Ab TNM-Stadium T1b bis UICC-Stadium IIA: Es erfolgt eine subtotale Ösophagektomie mit radikaler Lymphadenektomie in kurativer Absicht (R0-Resektion). Der resezierte Ösophagus wird durch Magenhochzug („Schlauchmagen“) oder Koloninterponat ersetzt. Es handelt sich um einen 2-Höhlen-Eingriff (thorako-abdominaler Zugangsweg) mit hoher Operations-Letalität (ca. 5 %). Zu den postoperativen Komplikationen zählen: Anastomoseninsuffizienz, Interponatnekrose, Stenosierung, Blutungen, Chylothorax (Verletzung des Ductus thoracicus) und Heiserkeit (Verletzung des N. recurrens). Insbesondere bei Adenokarzinomen verbessert eine perioperative Chemotherapie mit 5-FU und Cisplatin die Überlebenschancen.

Stadium IIB und III: Hier kann ein Downstaging mit Hilfe einer neoadjuvanten Radiochemotherapie (Cisplatin, 5-FU) versucht werden, um anschließend eine kurative Operation durchzuführen.

Bei inoperablen Patienten bzw. bei Plattenepithelkarzinomen im Bereich des oberen Ösophagus kann kurativ eine alleinige Strahlen-Chemotherapie erwogen werden. Das Adenokarzinom spricht jedoch nicht auf eine Radiatio an!

Palliativ: Ab T4 oder M1 ist kein kurativer Ansatz mehr möglich. Das Ziel der palliativen Versorgung ist die Aufrechterhaltung der Nahrungspassage. Dies kann durch eine Bestrahlung oder Lasertherapie erreicht werden. Zumeist muss jedoch endoskopisch ein Metallstent gelegt werden. Der rechtzeitige Einsatz einer PEG-Sonde (Perkutane endoskopische Gastrostomie) verlängert die Überlebenszeit meist deutlich, da viele Patienten sonst in erster Linie den Komplikationen der Tumorkachexie erliegen.

stenteinsetzung-oesophaguskarzinom


Bild: “Rabbit esohphageal tumor featured by barium meal and stent implant. (A) Normal rabbit esophagus. (B) Rabbit esohpageal cancer. (C) Implantation of the stent. Arrow, tumor location.” von Openi. Lizenz: CC BY 3.0

Prognose

Das Ösophaguskarzinom birgt eine hohe Sterberate

Die Prognose ist insgesamt schlecht. Die 5-Jahresüberlebensrate aller Patienten beträgt < 10 %. Palliativ behandelte Patienten überleben meist nur weniger als ein Jahr, während die 5-Jahresüberlebensrate der R0-resezierten Patienten bei ca. 40 % liegt.

Die Problematik liegt in der späten Diagnosestellung: Bei 90 % der Patienten liegt bereits ein lokal fortgeschrittenes Stadium vor (mindestens T3, N1).

Prävention

Ösophaguskarzinome können vermieden werden

Die obig beschriebenen Risikofaktoren (insbesondere Alkoholkonsum und Rauchen) sollten gemieden werden. Patienten mit einem erhöhten Risiko (z.B. bekannter Barrett-Ösophagus) sollten regelmäßig ösophagoskopische Kontrollen wahrnehmen.

Beliebte Prüfungsfragen zum Ösophaguskarzinom

Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellen.

1. Welcher Typ eines malignen Tumors entsteht am ehesten auf Grundlage eines Barrett-Ösophagus?

  1. Plattenepithelkarzinom
  2. nicht-kleinzelliges Karzinom
  3. GIST (gastrointestinaler Stromatumor)
  4. mesenchymaler Tumor
  5. Adenokarzinom

2. Welche der folgenden Beschwerden passen eher nicht zu den Symptomen und Folgen eines fortgeschrittenen Ösophaguskarzinoms?

  1. Husten und Pneumonie
  2. Erbrechen und Gewichtsverlust
  3. Fieber
  4. erhöhter Tumormarker Chromogranin A
  5. Heiserkeit

3. Bis zu welchem UICC-Stadium ist ein Ösophaguskarzinom primär operativ in kurativer Absicht therapierbar?

  1. Bis zum Stadium IA.
  2. Bis zum Stadium IIA.
  3. Bis zum Stadium III.
  4. Es wird immer, unabhängig vom Stadium, eine perioperative Radio-Chemotherapie durchgeführt.
  5. Es wird immer, unabhängig vom Stadium, eine neoadjuvante Radio-Chemotherapie durchgeführt.

Quellen und Leitlinie zum Ösophaguskarzinom

S3-Leitlinie Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus, Diagnostik und THerapie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), In: AWMF online (Stand: 01.09.2015, gültig bis 30.09.2019)

Gerd Herold und Mitarbeiter, Innere Medizin, Gerd Herold, 2015

Hartmut Köppen, Gastroentereologie für die Praxis, Thieme-Verlag, 2010

Dr. Hanns Ackermann, Dr. med. Konrad Aden u.a. , AllEx Kompendium für die 2. ÄP, Thieme Verlag, 2012

N. Menche, Innere Medizin: Weisse Reihe, Elsevier-Verlag, 2012

A. H. Hölscher, Ösophaguskarzinom – Operative Therapie in Zentren, 2001, via aerzteblatt.de

Christian Mawrin, Matthias Krams, Sven Olaf Frahm, Udo Kellner, Kurzlehrbuch Pathologie, Georg Thieme Verlag (2013)

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