Inhaltsverzeichnis

Bild: “
Fliegenpilz” von stachelbeer. Lizenz: CC BY 2.0
Lesen Sie auch den Artikel zur Mykologie.
Vorkommen des Fliegenpilzes
Der rote Fliegenpilz ist in Mitteleuropa hauptsächlich von Juli bis Oktober vor allem unter Fichten und Birken in Laub- und Nadelwäldern anzutreffen. Optisch ist er leicht mit dem essbaren Kaiserling zu verwechseln. Durch sein hervorstechendes Charakteristikum, den roten Hut mit den abwischbaren weißen Punkten, hebt er sich deutlich von seiner Umgebung ab.
Inhaltsstoffe und Giftwirkung
Die Ibotensäure (Prämuscimol) ist der Hauptwirkstoff des Fliegenpilzes. In hoher Konzentration ist diese nicht proteinogene L-Aminosäure vor allem im Fleisch und den Lamellen vorhanden. Ibotensäure verfällt unter Decarboxylierung zum weitaus wirksameren Muscimol, was unter Entzug oder Wegfall von Kristallwasser geschieht. Muscimol ist der Verursacher der psychotropen Eigenschaften, die beim Menschen nach Verzehr von Pilzbestandteilen entstehen.
Pantherina-Syndrom
Da Ähnlichkeiten mit den Symptomen nach Verzehr des Pantherpilzes (Amanita pantherina) bestehen, werden die Folgen einer Fliegenpilzintoxikation auch Pantherina-Syndrom genannt. Nach 0,5 bis 3 Stunden treten Symptome beim Patienten auf, die differentialdiagnostisch einem Zustand nach Alkoholabusus sehr ähneln (CAVE: Anamnese!):
- Sprachstörungen
- Ataxie und starke motorische Unruhe
- Verwirrung, Orientierungslosigkeit in allen Dimensionen
- Anticholinerge Symptomatik: Mydriasis, Tachykardie, trockene Schleimhäute
- Rauschzustand mit Halluzinationen, Depersonalisationsphänomenen, …
- Euphorie/Dysphorie
- Tremor, Krämpfe, Faszikulationen
Zumeist fallen die Patienten danach in einen tiefen, langen Schlaf und es besteht eine Amnesie gegenüber der vorangegangen Episode. Konzentrationsstörungen, leichte Ermüdbarkeit und Interesselosigkeit zählen zu den evtl. Spätfolgen.
Letale Dosis
Ein letaler Ausgang durch Fliegenpilzverzehr ist wenig beschrieben worden, aber bei entsprechend hoher Dosis die sichere Konsequenz.
Die vermutete Dosis an Musicmol, die beim Menschen einen letalen Ausgang hätte (dies ist KEIN toxikologisch gesicherter Wert):
3 g/kg Körpergewicht = Verzehr von ca. 10 kompletten Fliegenpilzen
Therapeutische Maßnahmen
Die primäre Gifteliminierung wird durch eine Magenentleerung nach Ingestion größerer Mengen des Pilzes und die Gabe von Aktivkohle durchgeführt. Bedenken Sie supportive Maßnahmen wie die Rehydrierung des Patienten. Bei ausgeprägter anticholinerger Symptomatik sind das Mittel der Wahl reversible Hemmer der Acetylcholinesterase: ein ZNS-gängiges, direktes Parasympathomimetikum wie Physostigmin. Die Gabe von Benzodiazepinen ist in gängigen Lehrbüchern zu Notfallmedizin und Toxikologie umstritten und teilweise als nötig oder gar als kontraindiziert beschrieben.
Fliegenpilz als Rauschmittel
Zusatzinformationen, die sicher im Gedächtnis bleiben…
Vor allem bei Schamanen sibirischer Völker ist der Fliegenpilz ein beliebtes Rauschmittel, um sich in ekstatisch-halluzinogene Zustände zu versetzen. Da die Ibotensäure erst im Körper zu Muscimol umgebaut wird, wird eine größere Wirkung hervorgerufen, indem man den Urin des Konsumenten trinkt. Magenkrämpfe und Brechreiz werden so eher umgangen und eine direkte Rauschwirkung erzielt.
Gezielt fragen – Richtig und schnell handeln
Die genaue Anamnese spielt eine wichtige Rolle, wenn Sie einen Patienten mit oben genannten Symptomen behandeln. Besonders bei Kindern sollte immer gefragt werden, ob zum Beispiel „Pilzsuppen“ beim Spielen gekocht wurden. Auch bei Erwachsenen muss neben Drogenmissbrauch immer an akzidentelle Vergiftungen gedacht werden.
Prüfungsfrage zur Fliegenpilzvergiftung
Die richtige Antwort finden Sie unter der Quellenangabe.
Was gehört nicht zu den typischen Symptomen des Pantherina-Syndroms?
- Bradykardie
- starke motorische Unruhe
- Mydriasis
- Rauschzustand mit Halluzinationen
- Euphorie/Dysphorie
Quellen
Von Mühlendal, K.E. et al. (Hg.)(2007): Vergiftungen im Kindesalter
Ziegenfuß, T. (2007): Notfallmedizin
Richtige Antwort: A
Schreiben Sie einen Kommentar