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Bild: “Endoscopic image of Mallory-Weiss tear” von Samir. Lizenz: CC BY-SA 3.0
Definition und Pathophysiologie
Boerhaave-Syndrom – Ruptur der Speiseröhre
Beim Boerhaave-Syndrom kommt es zu einer Ruptur aller Wandschichten der Speiseröhre. Zumeist ist die untere Ösophagushälfte, dorsolateral links betroffen. Hier liegt ein verhältnismäßig geringerer Muskeltonus vor, als in den anderen Bereichen der Ösophagusmuskulatur. Dem Ereignis der Ruptur geht eine akute Druckbelastung voraus, wobei es sich in den meisten Fällen um starkes, forciertes Erbrechen handelt, typischerweise in Verbindung mit exzessivem Alkoholkonsum.
Definition Mallory-Weiss-Syndrom
Dem Mallory-Weiss-Syndrom geht ebenfalls ein forciertes Erbrechen oder Würgen voraus. Die Schleimhaut des Ösophagus ist hier bereits vorgeschädigt, oftmals aufgrund von hohem Alkoholkonsum, seltener auch aufgrund einer chronischen gastroösophagealen Refluxerkrankung oder Atrophie (bei älteren Patienten). Im Zuge der akuten Druckbelastung kommt es schließlich zu longitudinalen Einrissen der Mukosa und Submukosa, insbesondere im Bereich des gastroösophagealen Übergangs. Die Muscularis bleibt jedoch intakt, es liegt also keine Perforation vor!
Merke: Während bei dem Mallory-Weiss-Syndrom Einrisse der Mukosa und Submukosa auftreten, sind beim Boerhaave-Syndrom alle Wandschichten des Ösophagus betroffen!
Epidemiologie
Boerhaave- und Mallory-Weiss-Syndrom als Männerkrankheit
Beide Syndrome betreffen Männer häufiger als Frauen und finden sich insbesondere bei Alkoholikern.
Das Mallory-Weiss-Syndrom macht in etwa 5 – 10 % der Ursachen der oberen gastrointestinalen Blutungen aus.
Symptome
Retrosternale Schmerzen und Hämatemesis
Beim Boerhaave-Syndrom beschreiben die Patienten einen regelrechten restrosternalen Vernichtungsschmerz nach dem Erbrechen. Dieser kann in den Rücken ausstrahlen.
Dysphagie und Dyspnoe sind häufige Symptome. Nicht selten entsteht aufgrund der Ösophagusruptur und der nahe gelegenen Pleura auch ein Pneumothorax mit oder ohne Pleuraerguss. Ein wegweisender Befund ist weiterhin die Entwicklung eines Hautemphysems. Befindet sich dieses über dem Jugulum, gilt das als Hinweis auf ein Mediastinalemphysem. Die Kombination aus starkem Erbrechen, retrosternalem Vernichtungsschmerz und Haut- oder Mediastinalemphysem wird auch Mackler-Trias genannt.
Auch das Mallory-Weiss-Syndrom geht mit starken Schmerzen einher, welche vom Patienten jedoch eher epigastrisch lokalisiert werden. Wegweisend ist hier die Hämatemesis, also das Erbrechen von Blut.
Differentialdiagnosen
Ösophagusvarizen
Die Boerhaave- und das Mallory-Weiss-Syndrome können sich klinisch sehr ähnlich manifestieren und sind somit als Differentialdiagnosen bei oben beschriebener Symptomatik immer beide zu bedenken. Des Weiteren kommt bei entsprechender Anamnese (Alkoholiker, Leberzirrhose?) auch eine Ösophagusvarizenruptur in Frage. Die Varizen können im Zuge starken Erbrechens einreißen und eine Hämatemesis verursachen.
Diagnostik
Bildgebung und Ösophagogastroskopie bei Boerhaave- und Mallory-Weiss-Syndrom
Beim Boerhaave-Syndrom sollte sofort ein Röntgenbild von Thorax und Ösophagus mit wasserlöslichem Kontrastmittel durchgeführt werden.
Hier lassen sich bereits erste Hinweise bei folgenden Fragestellungen erkennen: Wie stellt sich die Kontur des Ösophagus dar? Liegt ein Pneumothorax oder Pleuraerguss vor?
Im CT-Thorax lassen sich genauere Aussagen über das Ausmaß der Ruptur treffen, auch Hautemphyseme können sich hier eindrücklich darstellen.
Bei Verdacht auf ein Mallory-Weiss-Syndrom wird sofort eine Ösophagogastroskopie durchgeführt, da dies auch gleich mit einer therapeutischen Intervention verbunden werden kann.
Therapie
Boerhaave- und Mallory-Weiss-Syndrom: Operation, Stent oder Fibrin?
Steht ein Boerhaave-Syndrom fest, sollten keine 24 Stunden bis zur Operation vergehen (Mortalität sonst bis zu 60 %!). Hierbei werden die rupturierten Anteile wieder verschlossen und vernäht. Sollte dies bei ausgeprägtem Befund nicht mehr möglich sein, muss eine Ösophagektomie mit anschließendem Magenhochzug oder Koloninterponat durchgeführt werden. Ist die Ruptur nur von kleinem Ausmaß, kann auch versucht werden, endoskopisch einen Stent zu legen. Aufgrund der Gefahr einer Mediastinitis erfolgt in jedem Fall immer eine Breitspektrumantibiose!
Beim Mallory-Weiss-Syndrom ist hingegen nur selten eine Operation nötig. Hier genügt zumeist eine endoskopische Blutungsstillung (Fibrinkleber oder Injektion von Adrenalin im Bereich der Blutungsquelle).
Komplikationen
Mediastinitis und Blutverlust
Im Zuge der Ösophagusperforation kann sich beim Boerhaave-Syndrom eine Mediastinitis entwickeln. Typische Symptome sind hierbei Fieber, restrosternale Schmerzen, Hautemphysem, obere Einflussstauung und Schock. Die oberen Atemwege können verlegt werden. Eine Sepsis mit Ausbreitung auf Pleura oder Perikard ist möglich. Gefürchtet ist auch eine Thrombose der Vena cava. Im Röntgen-Thorax gelten ein verbreitertes Mediastinum sowie ein Hautemphysem im Bereich des Jugulums als Alarmzeichen für die Mediastinitis.
Beim Mallory-Weiss-Syndrom stehen die Läsionen der Schleimhaut und die damit einhergehende Blutung im Vordergrund. Insbesondere bei Patienten mit gerinnungshemmenden Medikamenten kann dies zu einem hohen Blutverlust führen.
Beliebte Prüfungsfragen zum Boerhaave- und Mallory-Weiss-Syndrom
Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellenangaben.
1. Mit welchen Symptomen präsentiert sich ein Patient mit Boerhaave-Syndrom eher nicht?
- Retrosternale Schmerzen
- Fieber
- Dysphagie
- Erythema nodosum
- Hautemphysem
2. Beim Mallory-Weiss-Syndrom…
- …kommt es zu einer Ruptur aller Wandschichten des Ösophagus.
- …muss nicht immer ein Alkoholabusus vorliegen.
- …muss eine Operation innerhalb der nächsten 24 Stunden erfolgen.
- …entwickelt sich oftmals ein Pneumothorax.
- …sind Frauen häufiger betroffen als Männer.
3. Ein 40-jähriger Mann wird mit dem Rettungswagen in die Notfallaufnahme gebracht. Er habe nach einer Episode starken Erbrechens plötzlich stechende Schmerzen links thorakal verspürt. Seitdem klagt er über zunehmende Dyspnoe. Der Patient ist kaltschweißig und tachykard. Anamnestisch findet sich ein Alkoholabusus. Im Röntgen-Thorax fällt Ihnen ein verbreitertes Mediastinum und ein Hautemphysem über dem Jugulum auf. Welche Diagnose ist am Wahrscheinlichsten?
- Ösophagusvarizenruptur
- Mediastinitis im Zuge eines Boerhaave-Syndroms
- Mallory-Weiss-Syndrom nach Alkoholexzess
- Hinterwandinfarkt
- Ruptur eines Aortenaneurysmas
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