Inhaltsverzeichnis
- Definition und Komponenten der Emotion
- Klassifikation von Emotionen
- Messen von Emotionen: Qualität und Intensität
- Neurobiologische Grundlagen von Emotionen
- Emotionstheorien
- Angst als Emotion
- Angststörungen: Neurosen
- Die Aggression als Emotion: Instinkt oder erlernt?
- Die Depression
- Der Schmerz – ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis
- Prüfungsfragen zur medizinischen Psychologie und Soziologie
- Quellen
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Definition und Komponenten der Emotion
Die vier Komponenten des hypothetischen Konstrukts Emotion
- Physiologische Komponente
- Affektive Komponente
- Kognitive Komponente
- Verhaltenskomponente: Ausdruck (Mimik/Gestik) und Motivation
Abgrenzung der Begriffe Gefühl, Stimmung und Affekt von der Emotion
- Gefühl: subjektiv affektive Komponente, mittlere Dauer und mittlere Intensität
- Stimmung: länger andauernd, weniger intensiv
- Affekt: sehr kurze, heftige Gefühlswallung („Mord im Affekt“)
Klassifikation von Emotionen
Emotionen werden unterteilt in Primär- bzw. Basisemotionen und sekundäre Emotionen. Der heutige Standpunkt der Wissenschaft schätzt die Entstehung der Primäremotionen als genetisch ein.
Auch blind geborene Kinder zeigen das soziale Lächeln.
Die sechs Primäremotionen
- Freude
- Trauer
- Ärger
- Furcht/Angst
- Überraschung
- Ekel
Die Mimik der Basisemotionen ist kulturübergreifend gleich. Es wurde ein Kodierungssystem namens Facial Action Coding System (FACS) entwickelt, welches die einzelnen Muskelgruppen auflistet, die für die Beschreibung der jeweiligen Emotion zuständig sind. Den Basisemotionen kann also immer ein bestimmter Gesichtsausdruck zugeordnet werden!
Sekundäremotionen: Misch-Emotionen oder „erlernte“ Emotionen
Die genetische Basis ist zwar weitestgehend für die Entstehung der Primäremotionen zuständig, soziale und kulturelle Einflüsse jedoch formen das weitere Erleben von Emotionen.
Ein kulturell spezifisches Beispiel ist die Situationsangemessenheit von Emotionen. Wut wird entweder freien Lauf gelassen oder sie wird kontrolliert. Soziale Rollen prägen ebenfalls das emotionale Verhalten. Zum Beispiel wird Jungen immer noch vermittelt, dass Weinen nicht adäquatem männlichem Verhalten entspricht.
Messen von Emotionen: Qualität und Intensität
Qualitative Dimensionen in der Messung von Emotionen (nach W. Wundt)
- Lust-Unlust
- Erregung-Beruhigung
- Spannung-Lösung
Psychophysiologische Methoden
Emotionen können anhand der Muskelaktivität gemessen werden. Durch FACS ist eine Zuordnung möglich.
Einteilung von Basisemotionen und Gesichtsausdruck nach Ekman und Friesen (1978)
Basisemotionen | Mimik |
Fröhlichkeit | Angespanntes unteres Augenlid, angehobene Mundwinkel |
Überraschung | Angehobene Augenbrauen, angehobenes oberes Augenlid, geöffneter Mund |
Ärger | Gesenkte Augenbrauen, gerunzelte Stirn, angehobenes oberes Augenlid, angespanntes unteres Augenlid |
Ekel | Angespanntes unteres Augenlid, angehobene Oberlippe |
Furcht | Augenbrauen teils angehoben/teils gesenkt, gerunzelte Stirn, angehobenes oberes Augenlid, geöffneter Mund |
Traurigkeit | Augenbrauen teils angehoben/teils gesenkt, gesenkte Mundwinkel |
Verachtung | Auf einer Seite angehobener und angespannter Mundwinkel |
Neurobiologische Grundlagen von Emotionen
Im Folgenden präsentieren wir Ihnen die anatomisch wichtigen Korrelate für die Emotionsentstehung- und verarbeitung.
- Parasympathikus und Sympathikus: Steuerung der physiologischen Komponente durch Katecholamine (Noradrenalin und Adrenalin).
- Frontallappenbereich: Läsionen in diesem cerebralen Bereich führen zu Störungen des Sozialverhaltens: Soziale Interaktion ist nur noch vermindert oder unangemessen möglich. Mimik und Gestik sind ebenfalls bei Schädigungen im Frontallappen vermindert (Pokerface).
- Hypothalamus und limbisches System: Steuerung der Ausschüttung von Hormonen und Neurotransmittern. (Das limbische System wurde nach P. Broca „la grande lobe limbique“ genannt und bildet keine anatomische, sondern eine funktionelle Einheit für Emotion, Antrieb und Lernen.)
- Amygdalae (Mandelkerne): Werden die Amygdalae auf beiden Seiten entfernt, reduziert sich die Furcht und sonst bedrohliche Reize werden nicht mehr aversiv wahrgenommen. Ohne Amygdalae keine Fight-and-Flight-Reaktion auf konditionierte Furchtreize!
- Hippocampus: Zuständig für den Abgleich an Erwartung und tatsächlicher sensorischer Information. Mismatches setzt er ein Verhaltens-Stopp-System entgegen. Ohne Hippocampus ist das lebenswichtige Vermeidungsverhalten stark beeinträchtigt.
Emotionstheorien
Theorie nach James und Lange „Wir weinen nicht weil wir traurig sind, sondern wir sind traurig, weil wir weinen.“ | Körperliche Veränderungen sind die Ursache von Emotionen. Muster: Wahrnehmung Objekt – Auslösung körperlicher Reaktionen – Wahrnehmung als Emotion |
Theorie nach Cannon und Bard | Emotionen sind nur über Reizwahrnehmung/Reizwahrnehmung des Gehirns möglich. Muster: Wahrnehmung Objekt – Aktivierung Thalamus – gleichzeitige physiologische und emotionale Erregung (bereits vorprogrammierter Reflex) |
Zwei-Komponenten-Theorie nach Schachter und Singer „Ohne Kognition, keine Emotion“ | Als Voraussetzung für Emotionen muss eine unspezifische physiologische Erregung stattfinden. Muster: Reiz – unspezifische physiologische Erregung – kognitive Bewertung – Emotion |
Angst als Emotion
Angst kennt viele Qualitäten, grob umfasst beschreibt es das Gefühl des Bedrohtseins und der Unruhe. Die oben genannten verschiedenen Komponenten äußern sich (obwohl subjektiv große Unterschiede bestehen!) meist so:
Physiologische Komponente | Kognitive Komponente | Beobachtbares Verhalten |
Tachykardie, Zittern, Kälteschauer, Übelkeit Harndrang | Sorgen, Grübeln, Befürchtungen | Heben der Unterlippe, Spannung der Lider |
Angst hat lebenswichtigen Charakter!
Säuglinge entwickeln erste Arten von Angst mit Fremdeln (6. Lebensmonat) und Trennungsangst (8. Lebensmonat). Wie alle Emotionen ist Angst in normaler Ausprägung eine funktionale Emotion, die uns vor gefährlichen Situationen warnt und schützt. Ist die Angst zu viel oder zu wenig vorhanden, spricht man von Angststörungen. Die Betroffenen sind meist extrem in ihrer Lebensqualität eingeschränkt und haben einen hohen subjektiven Leidensdruck.
Weitere Formen von Angst:
- Realangst: emotionale angemessene Angstreaktion (Furcht)
- Phobische Angst: übertriebene Reaktion auf eine bestimmte Situation (Objekte wie Spinnen = Arachnophobie)
State Anxiety vs. Trait Anxiety
STATE | TRAIT |
Akuter, situativer Zustand der Angst | Überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal, zeitlich stabile Disposition |
Sensitizer oder Repressor?
Setzen Sie sich bewusst mit Ihrer Angst auseinander oder verdrängen bzw. unterdrücken Sie Ihre Angst in höchstmöglichem Maße?
Sensitizer versuchen möglichst viel über die Situation, das Objekt oder den Sachverhalt herauszufinden, welcher ihnen Angst macht. (Der Beipackzettel von Medikamenten wird zum Beispiel genauestens studiert)
Repressoren setzen sich so wenig wie möglich mit Angst auslösenden Faktoren auseinander. Beide Verhaltensstile sind eine Art des Copings mit Angst.
Angststörungen: Neurosen
Die Generalisierte Angststörung
Die Betroffenen leiden unter einer diffusen Angst und sind permanent angespannt, grüblerisch, besorgt und voller Befürchtungen, was Alltägliches betrifft.
Die Panikstörung
Die Diagnose Panikstörung wird vergeben, wenn Patienten spontan „wie vom Blitz“ von Panikattacken im Alltag überfallen werden. Die Betroffenen sind stark beeinträchtigt! Oft wird eine Panikstörung von Ärzten nicht erkannt, weil nur Ausschlussdiagnostik durchgeführt wird.
Die Spezifischen Phobien
Bei spezifischen Phobien sind die Ängste und entsprechende Vermeidungsstrategien auf ein bestimmtes Objekt oder eine bestimmte Situation ausgerichtet. Einige häufige Beispiele, die gerne auch Bestandteil von Prüfungsfragen sind:
- Tierphobien wie Arachnophobie (gegen Spinnen) oder Canophobie (gegen Hunde)
- Hämatophobie (gegen Blut)
- Aviophobie (Flugangst)
- Akrophobie (Höhenangst)
- Klaustrophobie (Angst vor engen, geschlossenen Räumen)
Die Sozialen Phobien
Soziale Phobien bezeichnen die Angst vor sozialen Situationen, in denen man sich blamieren oder bloßgestellt werden könnte. Sie sind gekennzeichnet durch die Angst vor negativer Bewertung durch Andere in Interaktionssituationen und Leistungssituationen.
Die Agoraphobie
Agoraphobiker haben Angst vor öffentlichen Plätzen, Menschenmengen und Verkehrsmitteln und sonstigen Situationen, bei denen eine Flucht schwierig oder peinlich sein könnte. Die Panikstörung hat eine hohe Komorbidität mit der Agoraphobie.
Zwangsstörungen
Auch Zwangsstörungen basieren auf Angst. Patienten mit Zwängen befürchten, dass schreckliche Dinge passieren, wenn sie nicht in der Lage sind, die Zwangshandlungen auszuführen („Wenn ich mir nicht sieben Mal die Schnürsenkel zubinde, wird mein Großvater sterben.“). Die Zwangshandlungen beanspruchen meist einen Großteil des Tages und beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten erheblich.
Die häufigsten Zwänge sind:
- Waschzwang
- Kontrollzwang (z.B. ständiges Kontrollieren der Elektrogeräte in der Wohnung)
Die Aggression als Emotion: Instinkt oder erlernt?
Die Entstehung von Aggression – Drei Erklärungsansätze
Psychoanalytische Sichtweise
Thanatos, der Todestrieb, wird in der Psychoanalyse für die Aggression verantwortlich gemacht. Der Mensch gleicht hierbei einem „Dampfkessel“, der so lange Druck in sich anstaut, bis dieser abgelassen werden muss.
Aggressives Abreagieren ist ein Reinigungsprozess (Katharsishypothese), der Triebspannung abbaut. Es wird angenommen, dass z.B. das Ansehen aggressiver Szenen eines Films den realen Aggressionsabbau ersetzt. Diese Anschauung steht im totalen Gegensatz zu der Theorie, dass der Ursprung von aggressivem Verhalten erlernt ist!
Ethologische Sichtweise
Ethologisch wird Aggression als animalischer Instinkt interpretiert, der der Verteidigung von Lebensraum, Schutz der Gemeinschaft und der Erstellung/Erhaltung sozialer Hierarchien dient.
Lerntheoretische Sichtweise
Hier wird von der Annahme ausgegangen, dass aggressives Verhalten durch lerntheoretische Mechanismen erworben wird. Besonders wichtig ist hierbei das Lernen am Modell.
Frustrations-Aggressions-Hypothese nach Dollard und Miller (1950)
Die Frustrations-Aggressions-Hypothese fokussiert sich auf die Bedingungen, unter denen Aggression entsteht. Frustration wird erlebt, wenn ein angestrebtes Ziel nicht erreicht wird, weil die externen Faktoren Hindernisse darstellen.
Die Depression
Trauer, Scham, Ekel, Wut, Ärger, Feindseligkeit und Angst kennzeichnen das Mischgefühl der Depression, einer affektiven Störung. Nach DSM-IV müssen neben Niedergeschlagenheit oder Interessenverlust mindestens 4 weitere Symptome für mindestens 2 Wochen vorliegen, um die Diagnose Depression (unipolare Störung/Major Depression) zu stellen.
- Traurigkeit
- Interessenverlust
- Minderwertigkeitsgefühle
- Schlafstörungen
- Antriebslosigkeit/Unruhe
- Appetitlosigkeit/gesteigerter Appetit
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Suizidideen
Wechseln manische und depressive Phasen sich ab, spricht man von einer bipolaren Störung. Manie ist gekennzeichnet durch extreme Euphorie, Hyperaktivität und mangelnde Kritikfähigkeit.
Erklärungsmodelle: Wie entsteht Depression?
Neben der genetischen Komponente (v.a. bei der bipolaren Störung) spielen neurochemische Faktoren und Umweltfaktoren eine wichtige Rolle. Risikofaktoren, die zum Ausbruch einer Depression beitragen, sind weibliches Geschlecht, schwerwiegende Verlustereignisse (Trennung, Verlust von wichtigen Bezugspersonen, Verlust der Arbeit, …) und niedriger sozialökonomischer Status.
Modell zur Entstehung von Depression | Beispiel | |
Verstärker-Verlust-Theorie von Lewinsohn | Wenig positive Verstärkung im Alltag durch:
|
Freude daran, für sich und den Partner Kuchen zu backen. Nach der Trennung keine Motivation mehr, da der positive Verstärker fehlt |
Kognitiver Erklärungsansatz von Aaron Beck | Depression als Folge einer verzerrten Sicht der Realität: Negative Bewertung des Ichs, der Umwelt und der Zukunft (kognitive Triade) | „Ich bin einfach beziehungsunfähig, alle anderen denken das auch und das wird sich auch niemals ändern.“ |
Seligmans Theorie der erlernten Hilflosigkeit | Grundannahme aus der experimentellen Tierforschung abgeleitet: Vermeidungsverhalten fehlt, auch wenn die Exposition nicht mehr vorhanden ist. Symptome der erlernten Hilflosigkeit:
|
Auch nachdem die Ratten nicht mehr auf der Elektroschockplatte festgeschnallt waren und wieder in die sichere Käfighälfte hätten flüchten können, blieben sie im Gefahrenbereich sitzen und weiterhin schmerzexponiert. |
Der Schmerz – ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis
Die International Association for the Study of Pain (ISAP) definiert Schmerz als „ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“
Die Subjektivität von Schmerzen divergiert zwischen Menschen enorm: Schmerzanfälligkeit, Schmerzempfindlichkeit und das Verhältnis des Schmerzes zur Ursache ist höchst individuell ausgeprägt.
Die 5 Schmerzkomponenten
Man unterscheidet 5 verschiedene Schmerzkomponenten:
- Affektiv: unlustbetonte Emotion
- Kognitiv-bewertend: Beurteilung des Schmerzerlebens
- Motorisch: motorische Reaktion auf Schmerz
- Sensorisch: Aktivität von Nozizeptoren
- Vegetativ: Reaktion des vegetativen Nervensystems
Wichtige Begriffe zum Thema Schmerz
Die Schmerzempfindung bezeichnet man als Algesie. Diese wird von Analgesie aufgehoben (medikamentös mit Analgetika). Die Schmerzschwelle definiert den Punkt, ab wann ein bewusst wahrgenommener Reiz als Schmerzreiz empfunden wird.
Der Zeitpunkt, ab dem ein Patient etwas gegen die Schmerzen unternimmt, stellt seine Interventionsschwelle dar. Die Toleranzschwelle markiert die maximale Intensität, die ein Mensch an Schmerzen aushalten kann (bei Überschreitung drohen Verlust der Selbstkontrolle, Schock und Koma). Phantomschmerzen treten in nicht mehr vorhandenen Körperteilen auf (z.B. nach Amputationen), man erklärt sich diese durch die Reorganisation von sensorischen Kortexarealen. Chronische Schmerzen sind Schmerzen, die länger als 6 Monate andauern.
Prüfungsfragen zur medizinischen Psychologie und Soziologie
Die Lösungen befinden sich unterhalb der Quellenangaben.
Die vier Komponenten des hypothetischen Konstrukts Emotion
1. Zu den vier Komponenten des hypothetischen Konstrukts Emotion gehört nicht
- Physiologische Komponente
- Affektive Komponente
- Kognitive Komponente
- Verhaltenskomponente
- Reaktive Komponente
2. Die „Canophobie“ bezeichnet die Angst vor…
- Schiffen
- Höhe
- Spinnen
- Hunden
- geschlossenen, engen Räumen
3. Der Zeitpunkt, ab dem ein Patient etwas gegen die Schmerzen unternimmt, ist die…
- Toleranzschwelle
- Schmerzschwelle
- Interventionsschwelle
- Desisolationsschwelle
- Intervallschwelle
Quellen
M. Schön (2007): GK1 Medizinische Psychologie und Soziologie. Springer Verlag. Tabelle: S. 47, Tab. 1.9.
Quelle: [3] S. Rothgangel (2010): Kurzlehrbuch Medizinische Psychologie und Soziologie. Thieme Verlag.
Lösungen der Quizfragen: 1 (E), 2 (D), 3 (C)
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