
Bild: “Brain Embroidery” von Hey Paul Studios. Lizenz: CC BY 2.0
Zum Hirnstamm zählen das Mesencephalon, Pons und verlängertes Mark. Auch das Kleinhirn wird hin und wieder dazugezählt – es wird an dieser Stelle ausgeklammert.
Achtung!: Der Begriff „Hirnstamm“ ist nicht identisch mit „Stammhirn“! Dieses besteht aus Hirnstamm und Diencephalon.
Weiterhin kursieren die Begriffe Metencephalon und Myelencephalon. Das Metencephalon (Hinter- oder Nachhirn) umfasst Cerebellum und Pons. Das Myelencephalon ist im Grunde gleichbedeutend mit dem verlängerten Mark.

Quelle: verändert nach Gray, Henry (1918). „Grays Anatomy of the Human Body“, 20. Edition. von bartleby.com.
Der Hirnstamm ist einheitlich strukturiert. Absteigende Bahnensysteme ziehen im vorderen Teil zum Rückenmark. Eher medial bis dorsal gelegen sind viele Kerngebiete, die dem ANS zuzuordnen sind, und dorsal liegen meist sensorische Afferenzen. Auch die Hirnnerven entspringen dem dorsalen Teil.
Der Hirnstamm beherbergt efferente und afferente Bahnensysteme, autonome Zentren sowie die meisten Hirnnervenkerne.
Das Mittelhirn
Im Mittelhirn verlaufen sämtliche efferenten und afferenten Bahnen, die zwischen Vorderhirn und Rückenmark auf- und absteigen. Es hat damit verbindende und gleichzeitig verschaltende Funktionen.
Die nur 1,5 Zentimeter lange Hirnstruktur ist zwischen Pons und Zwischenhirn zu finden. Meist kennen wir das Mittelhirn nur aus Querschnittsbildern, in denen die drei wesentlichen Subeinheiten des Mesencephalons abgebildet sind:

Quelle: verändert nach Gray, Henry (1918). „Grays Anatomy of the Human Body“, 20. Edition. von bartleby.com.
Alle Afferenzen und Efferenzen durchlaufen diesen Teil des Hirnstamms.
Der Vierhügelplatte kommt eine besondere Bedeutung bei, da die oberen beiden Hügel (Colliculi superiores) optische Reflexe verschalten und die unteren (C. inferiores) akustische Signale übertragen und gleichzeitig für die Bewusstwerdung von Geräuschen zuständig sind.
Strukturen des Mittelhirns |
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Tectum mesencephalicum(Mittelhirndach) |
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Tegmentum mesencephalicum(Mittelhirnhaube) |
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Crura cerebri(Hirnschenkel) |
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Das Tegmentum ist beteiligt an okulomotorischen Prozessen und beherbergt entsprechende Hirnnervenkerne (z.B. Nervus oculomotorius). Weiter liegen im Tegmentum das periaquäduktale Höhlengrau, welches für die Schmerzwahrnehmung eine Rolle spielt, und die Substantia nigra. An anderer Stelle werden wir erklären, inwiefern die Substantia nigra für die Bewegungssteuerung von Belang ist.
Die Hirnschenkel gleichen zwei dicken Strängen und leiten vom Großhirn efferente Bahnen u.a. zu den Hirnnervenkernen weiter, welche im Wesentlichen Willkürbewegungen vermitteln.
Brücke und verlängertes Mark
Die Brücke (Pons) ist nicht viel mehr als eine 2-3 Zentimeter breite Wulst zwischen Mittelhirn und verlängertem Mark. Sie wird von dicken Fasersystemen durchzogen, in Fortsetzung der angrenzenden Strukturen Mittelhirn, Kleinhirn und Medulla oblongata.
Die Brücke ist jedoch auch Träger einiger Hirnnervenkerne (VI, VII, VIII, V). Störungen der Brücke können sich daher in Funktionseinschränkungen der jeweiligen Hirnnerven zeigen. So zum Beispiel in Ausfällen der Mimik beim Trigeminusnerv.
Das verlängerte Mark bzw. die Medulla oblongata ist der kaudalste Teil des Gehirns und lässt sich vom Rückenmark nur abgrenzen durch die relativ willkürlich gesetzte Grenze – die Austrittsstelle des 1. Spinalnerven. Ventral lässt sich ein Einschnitt in der Medulla erkennen, welcher die Kreuzung der absteigenden Pyramidenbahnen (Decussatio pyramidorum) markiert. Diese Bahnen sowie die seitlichen Oliven haben motorische Funktionen zu erfüllen.
Auch in der Medulla befinden sich wichtige Kerngebiete, die insbesondere vegetative Aufgaben betreffen. So werden Atmung, Kreislauf und Herzschlag (Frequenz und Kontraktionskraft) hier reguliert.
Wichtige Reflexe wie Erbrechen, Schlucken und Husten werden im verlängerten Mark ausgelöst. Ein erhöhter Druck auf den Bereich der Medulla ist daher in jedem Falle lebensbedrohlich.
Die Hirnnerven VI bis XII verlassen in diesem Bereich das Gehirn.
Die Medulla oblongata verbindet Gehirn und Rückenmark. In ihr finden sich wichtige vegetative Zentren und Kerne. Störungen der Medulla sind immer lebensbedrohlich.
Die Formatio reticularis
Diese dem Hirnstamm zuzuordnende Struktur zieht sich vom Rückenmark durch Medulla oblongata, Pons bis hin zum Zwischenhirn. Es handelt sich um zahlreiche Kerngebiete, Nervenzellgruppen und Fasersysteme.
Funktionell ist die Formatio an vielen, äußerst wichtigen Regelkreisen beteiligt:
- kortikale Aktivierung und Wachheit (ARAS-Region)
- Schmerzkontrolle
- Regulation des kardiovaskulären Systems
- Verbindung der Hirnnervenkerne und Spinalnerven
- bulbäre Reflexe (z.B. Schlucken, Kornealreflex, Vestibularisreflex)
- Regulation der Atmung (Atemzentrum in Medulla oblongata)
- Miktionszentrum
Die Formatio reticularis ist wichtig für die Stellung des Körpers im Raum und die posturalen Reflexbögen. Über das sogenannte retikulospinale Bahnensystem werden efferent Signale an das Rückenmark gesendet.
Afferente Informationen erhält sie von anderen Regionen des Hirnstamms sowie von motorischen Cortexarealen.
Die oben genannte ARAS-Region wird exakter benannt als aufsteigendes retikuläres aktivierendes System oder kurz „Weckzentrum“. Es liegt medial im Mittelhirn und wird durch Afferenzen aus Rückenmark, den Hirnnervenkernen und dem Cortex versorgt.
Starke Reize führen dazu, dass die ARAS-Region erregt wird und ihrerseits den Thalamus aktiviert, was zu einem hellwachen Zustand des gesamten Gehirns und Organismus führt. Besonders stark ist dieser Effekt infolge von lauten akustischen Reizen und Schmerzreizen. Im Tiefschlaf ist das Weckzentrum kaum aktiv.
Man kann also aus dem Aktivierungsgrad des ARAS direkt auf die Aufmerksamkeit schließen. Eine Störung der Region führt zu Bewusstseinseintrübungen bis hin zum Koma.
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