Viren: Merkmale, Aufbau und Vermehrung

Viren sind infektiöse, obligat intrazelluläre Parasiten. Sie sind aufgrund fehlender Komponenten nicht in der Lage, sich eigenständig zu vermehren. Der Aufbau von Viren setzt sich zusammen aus einem Nukleinsäurekern (enthält genetische Informationen) und einer ihn umgebenen Proteinhülle (Kapsid). Die Klassifizierung von Viren ist komplex und basiert auf verschiedenen Merkmalen von Viren, darunter Typ und Struktur des Nukleoid-Kerns und des Kapsids, das Vorhandensein einer Hülle, dem Replikationszyklus und dem Wirtsspektrum. Der Replikationszyklus (Vermehrung von Viren) unterscheidet sich zwischen Viren, die Bakterien infizieren (Bakteriophagen), und Viren, die eukaryontische Zellen infizieren. Bakteriophagen haben entweder einen lytischen oder lysogenen Replikationszyklus, während eukaryotische Viren einen definierten 6-stufigen Replikationsprozess haben.

Aktualisiert: 28.04.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Definition

Viren (lat. virus: Schleim, Saft, Gift) sind infektiöse, obligat intrazelluläre Parasiten. Außerhalb der Zelle werden sie Virionen genannt.

Der Aufbau von Viren setzt sich zusammen aus einem Nukleinsäurekern ( Desoxyribonukleinsäure Desoxyribonukleinsäure Die Desoxyribonukleinsäure – Aufbau, Struktur und verschiedene Arten der DNA ( DNA DNA Die Desoxyribonukleinsäure – Aufbau, Struktur und verschiedene Arten der DNA) oder Ribonukleinsäure Ribonukleinsäure Die Ribonukleinsäure – Aufbau, Struktur und verschiedene Arten von RNA ( RNA RNA Die Ribonukleinsäure – Aufbau, Struktur und verschiedene Arten von RNA)), der von einem Proteinkapsid umgeben ist; manchmal sind Viren auch von einer aus Wirtszellmembranen abgeleiteten Hülle umgeben.

Arten von Viren

Vielfalt der existierenden Viren, mit einigen Merkmalen (Größe, Morphologie)

Bild von Lecturio. Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

Aufbau von Viren

Der Aufbau von Viren besteht aus:

  • Einer inneren „Maschinerie“, die es dem Virus ermöglicht, sich in den Wirtszellen zu vermehren
  • Einer äußeren Strukturkomponente, die es dem Virus ermöglicht, in der Umwelt zu überleben und an Wirtszellen zu binden
  • Einem Größendurchmesser von 15 nm (Circoviridae) bis 440 nm (Megavirus chilensis)
Anatomy of virus

Anatomie eines Virus

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Innerer Aufbau von Viren

Äußerer Aufbau von Viren

  • Kapsid:
    • Ein- oder zweischichtige Proteinhülle, die das Nukleoid umgibt
    • Angeordnet aus Untereinheiten, den so genannten Kapsomeren
    • 3 Strukturmuster:
      • Ikosaeder
      • Wendel
      • Komplexe
  • Hülle:
    • Kann vorhanden oder nicht vorhanden sein
    • Umgibt das Nukleokapsid (Zusammenschluss von Kapsid und Nukleoid)
    • Besteht aus virusspezifischen Proteinen, Lipiden und Kohlenhydraten (aus Wirtszellmembranen)
Viral capsid types

Viruskapside können eine (a) schraubenförmige, (b) polyedrische, oder (c) komplexe Form annehmen.

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Klassifikation (Merkmale von Viren)

RNA-Viren Flussdiagramm Klassifizierung

Einteilung von RNA-Viren:
Viren können auf viele Arten klassifiziert werden. Die meisten Viren haben jedoch ein Genom, das entweder aus DNA oder RNA besteht. RNA-Viren können außerdem durch eine einzel- oder doppelsträngige RNA gekennzeichnet sein. „Behüllte“ Viren sind von einer dünnen Hülle aus Zellmembranen bedeckt (die in der Regel von der Wirtszelle stammt). Viren mit einzelsträngigem Genom sind „positive-sense“-Viren, wenn das Genom direkt als mRNA eingesetzt und in Protine übersetzt wird. Einzelsträngige „negative-sense“-Viren verwenden die RNA-abhängige RNA-Polymerase, ein virales Enzym, um ihr Genom in mRNA umzuschreiben.

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Es gibt mehrere Klassifizierungsschemata anhand Merkmalen von Viren, die auf physikalischen Eigenschaften und Replikationsstrategien beruhen.

Tabelle: Klassifizierung von Viren
Einteilung durch: Arten
Typ und Struktur des Nukleoids
Struktur des Kapsids
  • Ikosaeder
  • Kubisch
  • Helikal
  • Komplexe Struktur
Vorhandensein einer Hülle
  • Behüllt
  • Unbehüllt
Replikationszyklus (für Bakteriophagen)
  • Lytisch
  • Lysogen oder gemäßigt
Andere
  • Wirtsspektrum
  • Immunologische Merkmale
  • Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Chemikalien oder physikalischen Eigenschaften

Vermehrung von Viren

Für die Reproduktion wird eine geeignete und lebende Wirtszelle benötigt, weil Viren keinen eigenen Stoffwechsel führen, da sie weder Zytoplasma, Mitochondrien noch Ribosomen besitzen.

Es ist wichtig, zwischen der Replikation von Bakteriophagen (Viren, die Bakterien infizieren) und eukaryotischen Viren (Viren, die eukaryotische Zellen eukaryotische Zellen Eukaryotische versus prokaryotische Zellen infizieren) zu unterscheiden.

Replikationszyklus von Bakteriophagen

Sobald sich ein Virus in einer bakteriellen Wirtszelle befindet, gibt es zwei Replikationswege:

  1. Lytischer Zyklus:
    • Tritt unter Bedingungen von DNA-Schäden oder anderen Stressfaktoren auf
    • Der Bakteriophage übernimmt die Transkriptions- und Translationsmaschinerie der Wirtszelle (sofortige und schnelle Expression von Phagengenen und -proteinen).
  2. Lysogener oder gemäßigter Zyklus:
    • In das bakterielle Wirtsgenom eingebaute Bakteriophagengene
    • Das Phagengenom wird dann in einem gutartigen, ruhenden Zustand repliziert: Das Phagengenom kann exprimiert werden, wenn die Bakterienzelle gestresst ist (z.B. bei Nährstoffmangel).

Replikationszyklus von eukaryotischen Viren

  • Freisetzung des Virusgenoms in der infizierten Wirtszelle
  • Schritte der viralen Replikation:
    1. Anheftung: Spezialisierte virale Proteine Proteine Proteine und Peptide heften sich an die Wirtszelle.
    2. Penetration: Eindringen in die Wirtszelle
    3. Freisetzung (Uncoating): Abbau des Kapsids und Bereitstellung des genetischen Materials
    4. Biosynthese (Replikation): Synthese von viraler Nukleinsäure und Proteinen
    5. Zusammenbau (Assembly): Zusammenbau der Virionen in der Wirtszelle
    6. Freisetzung der Viren: durch Lyse der Wirtszelle (bei unbehüllten Viren) oder durch Knospung der Zellmembran Zellmembran Die Zelle: Zellmembran (bei umhüllten Viren)
  • Alle DNA-Viren vermehren sich im Zellkern (mit Ausnahme des Poxvirus).
  • Alle RNA-Viren vermehren sich im Zytoplasma (mit Ausnahme von Influenza- und Retroviren Retroviren Retroviren: HIV).

Genetische Vielfalt

Viren haben viele Verfahren entwickelt, um ihre genetische Vielfalt zu erhöhen:

  • Rekombination:
    • Austausch von Genen zwischen zwei Chromosomen durch Crossover an homologen Regionen
  • Reassortment:
    • Viren mit segmentierten Genomen tauschen genetisches Material aus.
    • Kann eine Antigenverschiebung verursachen (z.B. Influenzavirus)
  • Komplementierung:
    • Tritt auf, wenn das Virus eine Mutation aufweist, die zu einem nicht funktionsfähigen Protein führt
    • Ein nicht mutiertes Virus „ergänzt“ ein mutiertes Virus (bei Co-Infektion in einer Wirtszelle), indem es ein funktionelles Protein herstellt, das beiden Viren dient (z.B. benötigt das Hepatitis-D-Virus Hepatitis-D-Virus Hepatitis-D-Virus (HDV) das Hepatitis-B-Virus Hepatitis-B-Virus Hepatitis-B-Virus (HBV), um HBsAg (ein wichtiges Hüllprotein für HDV) zu liefern).
  • Phänotypische Vermischung:
    • Gleichzeitige Infektion der Wirtszelle mit zwei Viren
    • In der Regel erfolgt die Vermischung des Genoms des ersten Virus mit Oberflächenproteinen des zweiten Virus
Viren Genetische Diversifizierung

Viren haben verschiedene Strategien zur Erhöhung der genetischen Vielfalt entwickelt, darunter die Rekombination (Austausch von Genen zwischen zwei Chromosomen durch Kreuzung an homologen Regionen), das Reassortment (Austausch von Chromosomensegmenten), die Komplementierung (Austausch von genetischem Material eines funktionalen Virus mit einem nicht funktionalen Virus, um letzteres in ein funktionales umzuwandeln) und die phänotypische Vermischung (Vermischung von zwei viralen Genomen in einer gleichzeitig infizierten Wirtszelle, wodurch Nachkommen mit gemischten Genomen entstehen).

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Infektionswege

Eintritt über die Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion

  • Direkte Infektion lokaler Zellen (Keratinozyten)
  • Durch die nachfolgende  Entzündung Entzündung Entzündung erhält das Virus Zugang zu einsprossenden Blutgefäßen und Eintritt in das lymphoretikuläre System
  • Meist nur lokale Infektion mit leichten Symptomen
  • Disseminierung ist nur selten möglich (Papillomviren)
  • Sekundäre Infektionen des virusgeschädigten Gewebes können zu einer schwerwiegenden Infektion führen.

Eintritt über das Respirationssystem

  • Eintritt durch die Atemluft 
  • Wichtige Rolle bei Infektion spielen Schädigungen der Schleimhautzellen
  • Ort der Haftung, Virusvermehrung und vor allem der Virusverbreitung im Gesamtorganismus

Eintritt über das Digestionssystem

  • Orale Virusaufnahme
  • Typische Infektionsviren sind säurestabile, unbehüllte oder behüllte Viren (Picorna-, Parvo-, Astro-, Reoviren).
  • Lokale Virusinfektion des Verdauungstraktes bedeutet Infektion der Epithelzellen des Intestinallumens.
  • Eine andere Art von Viren löst über den Gastrointestinaltrakt eine systemische Infektion aus,
    • Durch Überwindung der Mukosa-Schicht und nachfolgender Ausbreitung in darunterliegende Gewebsschichten (z.B. Enteroviren)
  • Für eine gastrointestinale Infektion müssen die Viren säurestabil und widerstandsfähig gegenüber Gallensalzen sowie proteolytischen Enzymen sein. Bei manchen Viren begünstigen proteolytische Enzyme Enzyme Grundlagen der Enzyme sogar den Infektionsverlauf.

Neben dem Respirations- und Digestionstrakt spielen auch andere Schleimhautoberflächen eine Rolle bei lokaler Virusinfektion. Hierzu gehört beispielsweise der Urogenitaltrakt, welcher die Eintrittspforte für die Papillomaviren darstellt. Weitere Orte für mögliche Eintritte sind z.B. die Konjunktiva der Augen dar.

Ausnahmen

Retroviren Retroviren Retroviren: HIV

  • RNA-Viren
  • Enthalten reverse Transkriptase (RNA-abhängige DNA-Polymerase)
  • Das bekannteste Retrovirus ist das Humane Immundefizienz-Virus ( HIV HIV Retroviren: HIV).

Prionen

Quellen

  1. Baron, S. (1996). Medical microbiology. University of Texas Medical Branch at Galveston. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK7627/
  2. Parker, N., Schneegurt, M., Thi Tu, A.H., Lister, P., & Forster, B. Microbiology. (2016). Chapter 6.2, The Viral Life Cycle. https://openstax.org/details/books/microbiology