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Fallbeispiel
Eine 26-jährige Patientin berichtet Ihnen über seit dem 17. Lebensjahr bestehende, häufige stark ausgeprägte Stimmungsschwankungen. Das Leben komme ihr leer und sinnlos vor, sie fühle sich aufgefressen von Selbstzweifeln und habe wiederholte Suizidgedanken. Partnerschaften erlebe sie zwar sehr intensiv, doch alles würde ihren Bemühungen zum Trotz wieder in einem Scherbenhaufen aus Enttäuschungen enden.
Mittels Alkohol und Benzodiazepinen habe sie versucht, „diese Hölle zu vergessen“, was wiederholt zu Aufnahmen in der Notfallambulanz geführt habe. Bei der körperlichen Untersuchung fallen Ihnen zahlreiche superfizielle Hautveränderungen an beiden Unterarmen auf, die sie als Narben von Schnitt- und Brandverletzungen identifizieren.
Definition und Genese
Der Begriff „Borderline“ (= „Grenzlinie“) ist auf die frühere Klassifikation in neurotische und psychotische Erkrankungen zurückzuführen und dementsprechend dazwischen angesiedelt worden. Die genaue Genese ist wie bei vielen psychiatrischen Erkrankungen unklar, von Traumata in Kindheit und Jugend ist bei zwei Dritteln der Erkrankten auszugehen. Dazu gehört vor allem sexueller Missbrauch. Diskutiert wird auch eine Störung im Dopaminsystem.
Etwa 75 % der betroffenen Patienten sind Frauen.
Diagnostische Kriterien
Nach ICD-10 müssen folgende Kriterien zur Diagnose der Borderline-Störung erfüllt sein:
Emotional instabile Persönlichkeitsstörungen (3 von 5 Kriterien müssen zutreffen)
- Emotionale Ausbrüche
- Handeln ohne Berücksichtigung der Konsequenzen
- Launenhaftigkeit („Alles-oder-Nichts-Denken“)
- Mangelnde Impulskontrolle, Neigung zu Ausbrüchen von Wut und Gewalt
- Konfliktsuche und Streitsucht
Borderline-Typus (2 von 5 Kriterien müssen zutreffen)
- Chronisches Gefühl von Leere
- Intensive, aber unbeständige Beziehungen
- Störungen des Selbstbilds, der Ziele und inneren Präferenzen
- Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten (autoaggressive Verletzungen) und/oder entsprechenden Drohungen
- Angst vor dem Verlassen werden und übertriebene Bemühungen, dies zu vermeiden
Nicht jeder, der temporär unter den genannten Kriterien leidet, ist sofort als „Borderliner“ zu klassifizieren. Gerade bei Adoleszenten und jungen Erwachsenen kommt dies oft einer „Sinnkrise“ gleich, oft in Verbindung mit Drogenabusus.
Symptome
Die Hauptsymptome werden im obigen Fall gut zusammengefasst. Selbstverletzendes Verhalten, Parasuizidalität und Suizidalität um innerlich empfundene Spannungszustände abzubauen, sind kennzeichnend für die Borderline-Störung. Zudem besteht meist eine Störung des Selbstbildes, das von Betroffenen als negativ wahrgenommen wird. Depressionen sind nicht selten und führen zum Gefühl der inneren Leere. Die Gefahr einer Substanzabhängigkeit ist entsprechend hoch. Suchtmittel sind vor allem Alkohol, Benzodiazepine und Opiate.
Innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen agieren Borderline-Patienten häufig ambivalent: Ein Wechselspiel aus Nähesuchen und Zurückstoßen ist typisch. Das sexuelle Verlangen kann massiv gesteigert sein und polyorientiert ausgelebt werden.
Therapie
Dialektisch-behaviorale Therapie: Marsha Linehan hat die dialektisch-behavioriale Therapie auf der Grundlage der kognitiven Verhaltenstherapie und Zen-Meditation speziell für den Borderline-Typus geschaffen. Diese Einzel- oder Gruppentherapie hat fünf Angriffspunkte, an denen gearbeitet wird:
- Innere Achtsamkeit
- Emotionsregulation
- Steigerung des Selbstwertgefühls
- Stresstoleranz
- Zwischenmenschliche Fähigkeiten
Medikamentöse Therapie: SSRIs können bei Angst-/Zwangsstörungen und depressiven Verstimmungen eingesetzt werden, Antipsychotika bei wahnhaften Symptomen.
Quellen
AMBOSS, MIAMED GmbH
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