Posterior-Cord-Syndrom

Das Posterior-Cord-Syndrom (PCS) ist ein inkomplettes Querschnittsyndrom des Rückenmarks (Medulla spinalis), das die Hintersäule (Columna posterior), einen Teil der kortikospinalen Bahnen (Tractus corticospinalis lateralis) und die absteigenden autonomen Bahnen zur Blase betrifft. Das PCS ist selten, hat aber eine Vielzahl von Ätiologien, darunter demyelinisierende Erkrankungen, degenerative Wirbelsäulenerkrankungen, neoplastische Ursachen, Gefäßanomalien und erbliche neurodegenerative Erkrankungen. Klinische Symptome sind eine Gangataxie, Parästhesien mit Verlust des Gelenkstellungs- und Vibrationsempfindens und Harninkontinenz Harninkontinenz Harninkontinenz. Die Diagnose wird klinisch und mittels Bildgebung gestellt. Die Therapie umfasst vor allem die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache.

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

Inhalt

Überblick

Klinik, Diagnostik und Therapie

Differenzialdiagnosen

Quellen

Kostenloser
Download

Lernleitfaden
Medizin ➜

Mit Video-Repetitorien von Lecturio kommst du sicher
durch Physikum, M2 und M3.

Kostenlos testen

Überblick

Definition

Das Posterior-Cord-Syndrom (PCS) ist ein inkomplettes Querschnittssyndrom des Rückenmarks, das die Columna posterior, den Tractus corticospinalis lateralis und die absteigenden autonomen Bahnen zur Blase betrifft.

Epidemiologie

Gesamtinzidenz: selten
Seltenste Rückenmarksverletzung Rückenmarksverletzung Rückenmarksverletzungen

Ätiologie

Demyelinisierende Ursachen:
- Multiple Sklerose Multiple Sklerose Multiple Sklerose (primäre progressive Form)
- Tabes dorsalis (Neurosyphilis)
Infektiös: AIDS-assoziierte Myelopathie
Mechanisch:
- Tumore
- Serom nach spinaler Manipulation
- Zervikale Spondylose/Myelopathie
- Atlantoaxiale Subluxation (bei rheumatoider Arthritis)
Vaskulär/ischämisch: Verschluss der A. spinalis posterior
Metabolisch: subakute kombinierte Degeneration
- Wegen Vitamin-B₁₂-Mangel
- Kupfermangelassoziierte Myeloneuropathie
Erbliche neurodegenerative Erkrankungen:
- Friedreich-Ataxie Friedreich-Ataxie Friedreich-Ataxie
- Leukenzephalopathie mit Hirnstamm- und Rückenmark-Beteiligung und Laktaterhöhung (LBSL)
Trauma

Pathophysiologie

Degeneration, mechanische Kompression oder Ischämie → neurologische Folgeerscheinungen
Columna dorsalis betroffen → beidseitiger Verlust des Sinns für Gelenkstellung und des Vibrationsempfindens:
- Fasciculus gracilis
- Fasciculus cuneatus
Absteigende vegetative Bahnen mit Auswirkungen auf den Parasympathikus → Harninkontinenz Harninkontinenz Harninkontinenz
Unterschiedlicher Grad der Beteiligung des Tractus corticospinalis lateralis → motorische Schwäche, Reflexstörung
Tractus spinothalamicus erhalten: intaktes Schmerz- und Temperaturgefühl

Vom hinteren Rückenmarksyndrom betroffener Bereich — Vom Posterior-Cord-Syndrom betroffener Bereich
Bild von Lecturio.

Klinik, Diagnostik und Therapie

Das Verständnis der von einem Posterior-Cord-Syndrom betroffenen Strukturen ist für deren Zusammenhang mit klinischen Anzeichen und Symptomen unerlässlich. Die Diagnose des PCS erfolgt durch klinische Untersuchung und diagnostische Bildgebung.

Klinik

Anamnese:
- Gangataxie
- Schlechtes Gleichgewicht; Sturzneigung
- Parästhesien (Kribbeln und “Ameisenlaufen”)
- Mögliche Harninkontinenz Harninkontinenz Harninkontinenz
Körperliche Untersuchung:
- Die Befunde sind fast immer bilateral.
- Sensorische Defizite:
  - Verlust des Vibrationsempfindens
  - Verlust der Propriozeption Propriozeption Neurologische Untersuchung unterhalb der Verletzungsstelle
- Wenn Fasern des Tractus corticospinalis lateralis betroffen sind:
  - Akuter Befund → Schwäche, Muskelschwäche und Hyporeflexie
  - Chronischer Befund → Muskelhypertonie (Spastik), Hyperreflexie und positives Babinski-Zeichen
- Erhalten:
  - Schmerz- und Temperaturgefühl (erhaltene spinothalamische Funktion)
  - Empfinden von leichten Berührungen

Diagnostik

Körperliche Untersuchung
Labortests:
- Vitamin B ₁₂ und Kupferspiegel
- Lues-Suchtest im Serum
Bildgebung:
- Röntgen Röntgen Röntgen der Halswirbelsäule:
  - Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen
  - Wirbelfrakturen
  - Atlantoaxiale Subluxation
- CT/ MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT):
  - Demyelinisierung
  - Verengung des Spinalkanals (Canalis spinalis)
  - MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) kann Hyperintensitäten im dorsalen Rückenmark Rückenmark Rückenmark zeigen

MRT eines Patienten mit PCS — Axiale (A) und sagittale (B) MRT-Aufnahmen einer Patientin mit Querschnittsyndrom aufgrund von Brustkrebsmetastasen an der Wirbelsäule:
Die Pfeile und Pfeilspitzen zeigen eine knöcherne Läsion, die aus der Wirbelsäule austritt und den hinteren Teil des Rückenmarks komprimiert.
*Bild: “A 61-year-old woman with breast cancer metastatic to the spine leading to spinal cord compressionsyndrome” von Marcos D Guimaraes, et al. Lizenz: CC BY 4.0*

Therapie

Hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab
Medizinische Behandlung:
- Vitamin B₁₂-Substitution bei subakuter kombinierter Degeneration
- Penicillin bei Neurosyphilis
- Behandlung von Multipler Sklerose, falls vorhanden
- Behandlung von Krebserkrankungen, falls vorhanden → stationäre Rehabilitation → funktionelle Verbesserung und verbesserte Darm-/Blasenkontinenz
Chirurgische Laminektomie zur Dekompression der Wirbelsäule Wirbelsäule Wirbelsäule, wenn Posterior-Cord-Syndrom traumatisch assoziiert ist.

Differenzialdiagnosen

Anterior-Cord-Syndrom (ACS): inkomplettes Querschnittsyndrom der ventralen Säule (Columna anterior) unter Aussparung der dorsalen Säule. Das ventrale Querschnittsyndrom kann durch einen Verschluss der A. spinalis anterior oder ein Trauma verursacht werden, das einen Bandscheibenvorfall Bandscheibenvorfall Bandscheibenvorfall und Knochenfragmente verursacht, die das Rückenmark Rückenmark Rückenmark stören. Klinische Manifestationen sind der Verlust der motorischen und sensorischen Funktion unterhalb des Verletzungsniveaus. Die Diagnose des ACS erfolgt durch klinische Untersuchung und Bildgebung mittels eines MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT). Das Management ist darauf ausgerichtet, die zugrunde liegende Ursache zu beheben.
Zentromedullläres Querschnittsyndrom: neurologisches Syndrom, welches durch eine Verletzung des zentralen Rückenmarkanteils verursacht wird und den Tractus spinothalamicus und corticospinalis betrifft, häufig verursacht durch Syringomyelien. Klinische Manifestationen sind motorische Defizite, die mehr die oberen als die unteren Gliedmaßen betreffen, dissoziierte Sensibilitätsstörungen unterhalb der Verletzungsgrenze und Blasenfunktionsstörungen. Die Diagnose wird durch Untersuchung und MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) gestellt. Die Behandlung kann je nach Schwere der Verletzung symptomatisch oder chirurgisch sein.
Brown-Séquard-Syndrom Brown-Séquard-Syndrom Brown-Séquard-Syndrom: halbseitiges Querschnittsyndrom als Folge einer Verletzung, am häufigsten durch ein penetrierendes Trauma aufgrund von Messer- oder Schussverletzungen. Andere Ursachen des Brown-Séquard-Syndroms sind Tumore, Bandscheibenvorfälle, Demyelinisierung und Infarkte. Äußert sich in Schwäche und Lähmung einer Körperseite und Sensibilitätsverlust auf der gegenüberliegenden Seite. Die Diagnose erfolgt durch neurologische Untersuchung und mit MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT). Das Management umfasst eine frühzeitige Behandlung mit hoch dosierten Steroiden und eine symptomatische und supportive Behandlung.
Conus medullaris-Syndrom und Cauda-equina-Syndrom: neurologische Syndrome, die durch eine Kompressionsschädigung des Rückenmarks auf Höhe von Th12 bis L5 verursacht werden und die Funktionsstörung von Nerven unterhalb des Kompressionspunkts verursachen. Die Diagnose wird mit MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) gestellt und die kausale Behandlung ist eine sofortige chirurgische Dekompression mit Laminektomie.
Bandscheibenvorfall Bandscheibenvorfall Bandscheibenvorfall (auch bekannt als Bandscheibenprolaps): Vorfall des Nucleus pulposus Nucleus pulposus Bandscheibenvorfall durch eine Perforation im Anulus fibrosus Anulus fibrosus Bandscheibenvorfall der Bandscheibe Bandscheibe Wirbelsäule. Ein Bandscheibenvorfall Bandscheibenvorfall Bandscheibenvorfall ist ein wichtiges Schmerzsyndrom mit dem Potenzial für neurologische Beeinträchtigungen und wird am häufigsten durch eine degenerative Bandscheibenerkrankung verursacht. Die Diagnose erfolgt durch klinische Untersuchung und MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT). Die Behandlung kann konservativ mit Medikamenten und Physiotherapie erfolgen. Bei hartnäckigen Schmerzen oder Myelopathie ist eine Operation angezeigt.

Quellen

McKinley, W., Hills, A., Sima, A. (2021). Posterior cord syndrome: demographics and rehabilitation outcomes. Journal of Spinal Cord Medicine 44:241–246. https://doi.org/10.1080/10790268.2019.1585135
Ropper, A. H., Samuels, M. A., Klein, J. P., Prasad, S. (2019). Disorders of non-painful somatic sensation. Chapter 8 of Adams and Victor’s Principles of Neurology, 11th ed. McGraw-Hill Education. http://accessmedicine.mhmedical.com/content.aspx?aid=1180368830
Eisen, A. (2020). Anatomy and localization of spinal cord disorders. UpToDate. https://www.uptodate.com/contents/anatomy-and-localization-of-spinal-cord-disorders (Zugriff am 13. September 2021).
Cochrane, M., Hess, M., Sajkowicz, N. (2020). Posterior cord syndrome associated with postoperative seroma: the case to perform a complete neurologic exam. Journal of Spinal Cord Medicine 43:892–894. https://doi.org/10.1080/10790268.2018.1550598
Guimaraes, M.D., Bitencourt, A.G., Marchiori, E. et al. (2014). Imaging acute complications in cancer patients: what should be evaluated in the emergency setting? Cancer Imaging 14(18). https://doi.org/10.1186/1470-7330-14-18
McKinley, W., Hills, A., Sima, A. (2019). Posterior cord syndrome: demographics and rehabilitation outcomes. Journal of Spinal Cord Medicine 44:241–246. https://doi.org/10.1080/10790268.2019.1585135
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Neurotraumatologie und Erkrankungen von Wirbelsäule und Nervenwurzel. ://dgn.org/wp-content/uploads/2013/01/ll_71_2012_querschnittlhmung.pdf (Zugriff am 31. Mai 2022).