Trichotillomanie

Überblick

Definition

Trichotillomanie ist gekennzeichnet durch das repetitive, vorsätzliche Verlangen, sich Haare auszureißen. Die Ausführung erfolgt dabei unbewusst und kann nicht willentlich unterbrochen werden.

• Kann sichtbaren Haarausfall verursachen, meist auf der Kopfhaut, Augenbrauen oder Augenlider
• Erfordert ein klinisch signifikantes Ausmaß an Belastung oder funktioneller Beeinträchtigung

Epidemiologie

• Tritt bei 1–3 % der Bevölkerung auf
• Tritt bei Frauen häufiger auf als bei Männern
• Beginn: Kindheit und Jugend, häufig im Zusammenhang mit einem belastenden Ereignis
• Etwa ⅓ der Patient*innen verschlucken die Haare nach dem Ausreißen auch, was zu gefährlichen Bezoaren (Haarballen, die den Magen-Darm-Trakt verstopfen) führen kann.

Klinik und Diagnostik

Klinische Zeichen

Zwei Arten der Trichotillomanie:

• Fokussiert: Unangenehme persönliche Erfahrungen werden durch bewusstes Ziehen an den Haaren verarbeitet
• Automatisch: Tritt bei sitzender Tätigkeit auf, meist, ohne dass sich die Person dessen bewusst ist

Häufig kommt es zu oralen Manipulationen, wie:

• An den Haaren knabbern
• Verschlucken von Haaren (Trichophagie)

Diagnostik

• Diagnostische Kriterien nach ICD-11:
  • Erforderliche Merkmale
    • Wiederkehrendes Ziehen an den eigenen Haaren
    • Erfolglose Versuche, das Ausreißen von Haaren zu stoppen oder zu verringern
    • Erheblicher Haarausfall als Folge
    • Die Symptome führen zu erheblichem Leidensdruck oder erheblichen Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen des Lebens.
  • Zusätzliche klinische Merkmale
    • Häufig assoziiert mit depressiven und ängstlichen Symptomen, Zwangsstörungen Zwangsstörungen Zwangsstörungen und anderen körperbetonten, sich wiederholenden Verhaltensweisen (z.B. Nägelkauen)

• Körperliche Untersuchung:
  • Haarwachstumsmuster mit unterschiedlich langen Haaren und verschiedenen Stadien des Nachwachsens
  • Keine anderen Anomalien der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion oder Kopfhaut
• Eine Stanzbiopsie kann die Diagnose bestätigen, ist aber nicht erforderlich. Die Biopsie zeigt:
  • Alopecia ohne Narbenbildung oder Inflammation
  • Nachweis von traumatischem Schaden an dem Haarfollikel (Störung der Haaranatomie)
  • Normale Breite der Haarfollikel
• Bei dem Verdacht auf Trichophagie sind radiologische Untersuchungen (oder sogar invasive Verfahren) erforderlich, um potenzielle Bezoars zu erkennen.

Therapie

Die Behandlung erfolgt in der Regel in Zusammenarbeit zwischen Dermatolog*innen und Psychiater*innen.

Psychotherapie Psychotherapie Psychotherapie

Kognitive Verhaltenstherapie Kognitive Verhaltenstherapie Psychotherapie (Training zur Umkehrung von Gewohnheiten):

• Betroffene werden darin geschult, ihren Drang an den Haaren zu ziehen zu erkennen.
• Betroffene werden dazu angehalten, zu gesünderen Bewältigungsmechanismen überzugehen (stressreduzierende Techniken)
• Soziale Unterstützung

Auch Verhaltenstherapien wie Selbstbeobachtung und Biofeedback haben in Studien eine Wirksamkeit gezeigt.

Pharmakotherapie

• Medikament(e) sind angezeigt bei komorbiden Erkrankungen wie Depression oder Angststörung:
  • Trizyklische Antidepressiva Trizyklische Antidepressiva Trizyklische Antidepressiva (TCA) wie Clomipramin Clomipramin Trizyklische Antidepressiva (TCA)
  • Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren wie Fluoxetin
  • Stimmungsstabilisatoren wie Lithium zur Impulskontrolle
• Topische Steroide und Hydroxyzin Hydroxyzin Antihistaminika (ein Anxiolytikum) werden zur Behandlung psychodermatologischer Störungen eingesetzt.

Prognose

• Bei Beginn in der frühen Kindheit (<6 Jahre) eher selbstlimitierend
• Bei Beginn im Jugend- (>13 Jahre) oder Erwachsenenalter, insbesondere in Verbindung mit einer anderen psychiatrischen Störung, prognostisch ungünstig und eher längere Symptomatik

Differentialdiagnosen

• Körperdysmorphe Störung Körperdysmorphe Störung Dysmorphophobie (körperdysmorphe Störung) (Dysmorphophobie): eine psychiatrische Störung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die Patient*innen mit kleinen oder eingebildeten Mängeln an ihrem körperlichen Erscheinungsbild befassen. Die Besessenheit von dem wahrgenommenen Defekt führt zu zwanghaftem Verhalten, um diesen zu verbergen, entweder durch kosmetische Therapien oder durch soziale Isolation. Menschen mit Trichotillomanie ziehen nicht an ihren Haaren, weil sie einen Fehler oder Makel im Aussehen ihrer Haare sehen.
• Alopezie Alopezie Alopezie: Haarausfall in Bereichen des Körpers, in denen normalerweise Haare wachsen. Alopezie Alopezie Alopezie kann definiert werden als narbig oder nicht narbig, lokalisiert oder diffus, angeboren oder erworben, reversibel oder dauerhaft, auf die Kopfhaut beschränkt oder universal. Alopezie Alopezie Alopezie kann verschiedene Ursachen haben, z.B. infektiöse (Pilzinfektion durch Tinea capitis) oder autoimmune Ursachen (Alopecia areata). Diese Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose der Trichotillomanie gestellt wird. Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich, dass die Länge der verbleibenden Haare bei Menschen mit Trichotillomanie sehr unterschiedlich ist.